Gesetzestext
Die Kosten eines ohne Erfolg gebliebenen Angriffs- oder Verteidigungsmittels können der Partei auferlegt werden, die es geltend gemacht hat, auch wenn sie in der Hauptsache obsiegt.
A. Überblick.
Rn 1
§ 96 betrifft neben den §§ 94, 95 einen weiteren Fall der Kostentrennung und damit eine weitere Ausnahme des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung. Die Vorschrift ist in allen Instanzen anwendbar, auch im Rechtsmittelverfahren. Gegenüber der Regelung des § 94 ist sie subsidiär. Ein Bestreiten der Anspruchsberechtigung ist, sofern die Voraussetzungen des § 94 gegeben sind, nach dieser Vorschrift zu bewerten. Im Übrigen, also etwa dann, wenn der Beklagte erstmals im Prozess den Anspruchsübergang bestreitet, nach § 96.
Im Gegensatz zu den Vorschriften der §§ 94 und 95 ist die Kostentrennung nicht zwingend; vielmehr hat das Gericht ein Ermessen, ob es die Mehrkosten austrennt oder nicht. Eine zwingende Austrennung sieht das Gesetz nur in dem Spezialfall des § 238 IV, 2. Hs vor (unbegründeter Widerspruch gegen einen Wiedereinsetzungsantrag).
Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, Unbilligkeiten zu vermeiden, wenn die ganz oder tw unterlegene Partei die gesamten oder anteiligen Kosten des Rechtsstreits auch insoweit zu tragen hätte, als diese Kosten ausschließlich durch Angriffs- und Verteidigungsmittel der obsiegenden Partei verursacht worden sind, diese sich aber letztlich als erfolglos erwiesen haben und die obsiegende Partei aus anderen Gründen gewonnen hat.
Rn 2
Beispiel (AG Köln WuM 87, 384):
Die Parteien streiten um eine Mietminderung. Der Vermieter behauptet, die Mängel (Feuchtigkeitsschäden) seien vom Mieter verursacht. Die Beweisaufnahme ergibt, dass der Mieter die geltend gemachten Feuchtigkeitsschäden, aufgrund derer er die Grundmiete gemindert hatte, nicht zu vertreten hat. Allerdings ist die von ihm vorgenommene Minderung zu hoch angesetzt.
Dem Vermieter sind die gesamten Kosten der Beweisaufnahme aufzuerlegen, während iÜ die Kosten entsprechend dem teilweisen Obsiegen hinsichtlich der Höhe der Mietminderung zu verteilen sind
Rn 3
In gewisser Weise kommt § 96 auch ein Sanktionscharakter zu. Die obsiegende Partei soll die Nachteile tragen, die er durch erfolglose Angriffs- und Verteidigungsmittel verursacht hat. Allerdings ist insoweit Zurückhaltung geboten, da es einer Partei grds frei stehen muss, sich im Rechtsstreit mit allen zulässigen Mitteln zur Wehr zu setzen. Dass ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel erfolglos geblieben ist, darf für sich alleine noch nicht die Kostenbelastung rechtfertigen.
B. Voraussetzungen.
I. Kostenschuldner.
Rn 4
Kostenschuldner nach § 96 kann nur die Partei sein, die im Rechtsstreit voll oder tw obsiegt hat. Dazu gehört zunächst einmal jeder Fall, in dem das Gericht der Klage durch streitige Entscheidung ganz oder tw stattgegeben oder die Klage ganz oder tw abgewiesen hat. Hierzu gehören aber auch die Fälle, in denen der Antrag letztlich anerkannt wird. Das Anerkenntnis bezieht sich nur auf die Begründetheit des Anspruchs im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, nicht auch darauf, sämtliche Kosten des Verfahrens zu übernehmen. Im Fall des § 93 ist allerdings die Anwendung des § 96 kaum denkbar (Zö/Herget § 96 Rz 1; Streit/Schade JurBüro 04, 120 – gegen Köln Urt v 8.6.00 – 18 U 243/99, nv).
Unanwendbar ist § 96 im Falle einer Klagerücknahme, da der Beklagte hier nicht obsiegt (HK-ZPO/Gierl § 96 Rz 3). Dagegen dürfte bei einem Verzichtsurteil § 96 wiederum anwendbar sein.
Ebenfalls nicht anwendbar ist § 96, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wird (HK-ZPO/Gierl § 96 Rz 3). Insoweit besteht auch kein Bedürfnis für die Anwendung des § 96, da bei der Entscheidung nach § 91a die Wertung des § 96 mit berücksichtigt werden kann und iRd danach vorzunehmenden Kostenentscheidung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die voraussichtlich erfolglos geblieben wären. berücksichtigt werden können (Dresden OLGR 01, 395 = OLG-NL 02, 162; LG Hamburg WE 99, Nr 9, 14–15).
II. Erfolgloses Angriffs- und Verteidigungsmittel.
1. Angriffs- und Verteidigungsmittel.
Rn 5
Zu den Angriffs- und Verteidigungsmittel iSd § 96 gilt im Einzelnen Folgendes:
Anordnungsverfahren. Die Kosten eines zur Hauptsache gehörenden einstweiligen Anordnungsverfahren (etwa auf Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne gesonderte mündliche Verhandlung – s. § 19 I 2 Nr 12 RVG) können in entsprechender Anwendung des § 96 ausgetrennt werden, wenn der Antrag einer Partei im Eilrechtsschutz abgewiesen wird, der Antrag in der Hauptsache aber (tw) Erfolg hat (Naumbg OLGR 09, 4).
Aufrechnung. Die Aufrechnung ist ein Verteidigungsmittel iSd § 96 gilt im (Zö/Herget § 96 Rz 1); anders dagegen die Hilfsaufrechnung (s Rn 19).
Rn 6
Auswechseln des Klagegrundes. Wird der Klagegrund ausgetauscht, also anstatt einer bisher unbegründeten Forderung eine andere zum Gegenstand des Verfahrens gemacht, mit der der Kl nunmehr durchdringt, können Kosten, die auf den ursprünglichen Klagegegenstand entfallen, nicht nach § 96 ausgetrennt werden (aA B/L/H/A/G/Göertz § 96 Rz 4 mit Fehlzitat auf ...