Prof. Dr. Christoph Thole
[Ohne Titel]
Rn 1
Hinsichtlich ihrer Form lassen sich gerichtliche Entscheidungen in Urteile, Beschlüsse und Verfügungen unterteilen. Urteile ergehen idR aufgrund obligatorischer mündlicher Verhandlung. Dies ist auch im einstweiligen Verfügungsverfahren der gesetzliche Regelfall, § 937 II. Ausnahmen von dem Mündlichkeitsprinzip (Einl Rn 31) bestehen bei Urteilen nach Lage der Akten (§§ 251a, 331a) sowie bei Urteilen im schriftlichen Verfahren (§ 128 II, bea auch § 495a) und im schriftlichen Vorverfahren (§ 331 III). Auch das Anerkenntnisurteil (§ 307 S 2) setzt keine mündliche Verhandlung voraus.
A. Entscheidungsformen.
Rn 2
Beschlüsse ergehen ohne bzw aufgrund fakultativer mündlicher Verhandlung (§ 128 IV, näher § 329 Rn 2). Sie werden vom Gericht, Rpfleger oder UdG erlassen. Ihrem Inhalt nach entscheiden sie nicht über den Streitgegenstand der Hauptsache. Sie können aber wie Urteile zu einer abschließenden Entscheidung im Hinblick auf den im jeweiligen Verfahrensstadium relevanten Streitstoff führen wie zB der PKH-Beschluss für das PKH-Verfahren (§§ 119 f), Kostenfestsetzungsbeschlüsse hinsichtlich des Umfangs der Kostenerstattung oder Beschlüsse im Arrest- oder einstweiligen Verfügungsverfahren im Hinblick auf den Sicherungsanspruch (§§ 922 I, 936). Daneben gibt es Beschlüsse, die sich auf den Verfahrensablauf beziehen wie zB Verweisungsbeschlüsse (§ 281) oder Beweisbeschlüsse. Soweit die ZPO von ›Anordnungen‹ spricht, meint sie meist prozessleitende Beschlüsse zur Sachaufklärung (zB § 142 I), mitunter aber auch Beschlüsse mit echtem materiellen Gehalt (zB §§ 380 II, 390 II). Der Begriff ›verurteilen‹ wird auch im Zusammenhang mit Beschlüssen gebraucht (§§ 887 II, 890, 891).
Rn 3
Verfügungen sind Anordnungen des Vorsitzenden (auch des Einzelrichters) oder eines beauftragten oder ersuchten Richters oder des UdG. Sie dienen der Prozess- und Sachleitung (zB §§ 226 III, 365 S 2, 400) und sind den Parteien mitzuteilen, darin unterscheiden sie sich von den rein internen Verfügungen des Richters in den Akten, die Anweisungen an die Geschäftsstelle enthalten. Einstweilige Verfügungen ergehen durch Beschl oder Urt (§§ 922 I 1, 936).
B. Systematik der Urteile.
Rn 4
Urteile lassen sich nach ihrer Art systematisieren.
I. Art des Zustandekommens.
Rn 5
Im Normalfall ergeht das Urt aufgrund einer streitigen, kontradiktorisch geführten mündlichen Verhandlung. Nimmt eine Partei eine Rechtsverteidigung ggü dem gegnerischen Anspruch nicht wahr oder verfolgt sie ihre eigenen Rechte nicht weiter, so beim VU (§§ 330, 331, 334), beim Verzichts- (§ 306) und Anerkenntnisurteil (§ 307), so ergeht ein nichtstreitiges Urt.
II. Sach- und Prozessurteile.
Rn 6
Trifft das Urt eine Entscheidung über die Begründetheit des prozessualen Anspruchs, dh über den Streitgegenstand selbst, so spricht man von einem Sachurteil. Dazu gehören auch Versäumnisurteile (§ 331 Rn 3). Behandelt das Urt nur die Zulässigkeit der Klage, so liegt ein Prozessurteil vor, was hilfsweise Ausführungen des Gerichts zur Unbegründetheit der Klage aber nicht ausschließt. Zur gerichtlichen Prüfungsreihenfolge § 300 Rn 8.
III. Inhalt des Urteils.
Rn 7
Die größte Bedeutung haben Leistungsurteile. Mit ihnen wird der Beklagte zu einem Tun oder Unterlassen verurteilt. Das kann zB die Zahlung eines Geldbetrags oder die Duldung der Zwangsvollstreckung sein. Die Leistungsurteile sind der Vollstreckung zugänglich.
Rn 8
Feststellungsurteile sind im Hauptausspruch der Vollstreckung im eigentlichen Sinne nicht zugänglich. Sie bedeuten keine Rechtsänderung, sondern enthalten einen Ausspruch darüber, ob zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht, oder sie enthalten sonst einen verbindlichen Ausspruch über einen Umstand oder die Rechtslage (näher § 256). Die Entscheidung nach einseitiger Erledigungserklärung ist ein Feststellungsurteil (›Der Rechtsstreit ist erledigt.‹). Feststellungsaussprüche ergänzen häufig den Leistungsausspruch, wenn zB bei einer Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatz festgestellt wird, dass er dem Kl auch wegen der weiteren, noch nicht spezifizierten Schadensfolgen zum Ersatz verpflichtet ist. Klagen im Bereich des Vollstreckungsrechts (§§ 767, 768, 771) sind grds keine Feststellungs-, sondern Gestaltungsklagen (Rn 9), anders bei der Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel iSd § 731 (§ 731 Rn 3) und der Vorzugsklage des § 805. Auch das Urt bei einer Musterfeststellungsklage (§§ 606 ff, 613) gehört zu den Feststellungsurteilen.
Rn 9
Gestaltungsurteile führen mit formeller Rechtskraft zu einer unmittelbaren Änderung der bestehenden Rechtslage für die Zukunft (zur Einführung: Schlosser Jura 86, 130; zur materiellen Rechtskraft § 322 Rn 3 ff). Sie kommen va in Betracht, wenn nur das Gericht die Rechtsmacht zur Umgestaltung der Rechtslage besitzt, dh eine gerichtliche Entscheidung konstitutive Wirkung haben soll, so zB bei Ehescheidung, Erbunwürdigkeit oder bei handels- und gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten. Zu den Gestaltungsklagen gehören die Klagen der §§ 323, 722, 767, 768, 771.
IV. Verfahrensstadium.
Rn 10
Weiter lässt sich unterscheiden nach der Bedeutung des Urt für den Fortgang des Rechts...