Dr. Bernd Müller-Christmann
A. Parteivernehmung als Beweismittel.
Rn 1
Die Parteivernehmung ist ein zwar subsidiäres, jedoch vollwertiges Beweismittel. Zweck der Parteivernehmung ist es, die Wahrnehmungen der Parteien über streitige Tatsachen einer förmlichen Beweisaufnahme zugänglich zu machen. Regelmäßig sind die Parteien am besten über den im Prozess zu verhandelnden Sachverhalt informiert; nicht selten verfügen sie als einzige über unmittelbare Kenntnisse. Insofern ist die Parteivernehmung eine wertvolle Erkenntnisquelle. Da die Partei aber naturgemäß am Ausgang des Verfahrens in höchstem Maße interessiert ist, wird der Wert ihrer Vernehmung eher krit und die Parteiaussage generell als unzuverlässiges Beweismittel gesehen (Schneider Beweis S 331). Die Zurückhaltung des Gesetzes und das spürbare Misstrauen in der Gerichtspraxis ggü dem Parteibeweis beruhen auf der Erwägung, dass es der beweispflichtigen Partei grds verwehrt sein soll, ihrer Beweislast durch eigene Bekundungen zu genügen. Eine generelle Qualifizierung als Beweismittel minderen Werts ist jedoch nicht gerechtfertigt. Parteistellung und Interesse am Prozessausgang müssen nicht notwendigerweise zusammenfallen. Denn oft ist die Abgrenzung zwischen Partei und Zeuge problematisch und die Einordnung von Zufälligkeiten abhängig. So ist es eher zufällig, ob bei Verhandlungen ein (als Partei zu vernehmender) gesetzlicher Vertreter der Partei oder ein leitender Angestellter, der als Zeuge aussagen könnte, beteiligt war. Zur Behebung oder Abschwächung solcher prozessualer Schieflagen werden seit jeher Kunstgriffe eingesetzt (Drittwiderklage, Forderungsabtretung, um eine Zeugenstellung auszuschließen oder zu schaffen). Dies zeigt, dass bei der Bewertung der Tauglichkeit von Beweismitteln eine starke Abstufung zwischen Partei- und Zeugenvernehmung nicht berechtigt ist. Zu Recht wird auch eine stärkere Beteiligung der Partei bei der Sachaufklärung im Prozess gefordert (Lange NJW 02, 476). Während hierüber weitgehend Einigkeit herrscht, ist die Notwendigkeit einer Erweiterung bzw Erleichterung der Parteivernehmung, insb der Vernehmung vAw, nach wie vor umstr (befürw St/J/Berger vor § 445 Rz 5; Gehrlein ZZP 97, 451; Kwaschik S 293 ff; Effer-Uhe S 254 ff; abl Wieczorek/Schütze/Völzmann-Stickelbrock Vor § 445 Rz 8).
B. Abgrenzung.
I. Parteianhörung.
Rn 2
Die Vernehmung der Partei ist abzugrenzen von ihrer persönlichen Anhörung nach § 141, die kein Beweismittel darstellt. Die Parteianhörung ist ein bevorzugtes Mittel zur Erfüllung der in § 139 geregelten Aufklärungspflicht. Sie dient der Sammlung und Vervollständigung des Tatsachenstoffs durch Beseitigung von Lücken, Unklarheiten und Widersprüchen. Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Anhörung und der Parteivernehmung unterscheiden sich in mehreren Punkten (§ 141 Rn 2). Der im Hinblick auf diese Unterschiede geforderten Trennung (MüKoZPO/Schreiber § 445 Rz 2) steht in der Praxis eine zunehmende Verwischung der Unterschiede ggü sowie die Forderung, beide Rechtsinstitute zusammenzuführen (Wittschier Rz 30 ff; Schöpflin NJW 96, 2134).
II. Abgrenzung zum Zeugenbeweis.
Rn 3
Zeugen können alle Personen sein, die im konkreten Verfahren nicht den Vorschriften über die Parteivernehmung unterfallen (näher § 373 Rn 10–14). Als Partei kann vernommen werden, wer im Zeitpunkt seiner Einvernahme selbst Kl oder Bekl und prozessfähig ist sowie der Vertreter der prozessunfähigen Partei (§ 455 I).
III. Verwertung von Protokollen früherer Aussagen der Partei.
Rn 4
Protokollierte Aussagen einer Partei in einem früheren Verfahren können im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Eine beantragte oder vAw gebotene Parteivernehmung kann dadurch nicht ersetzt werden (BGH VersR 59, 46; FamRZ 66, 566; Zö/Greger vor § 445 Rz 7).
C. Gegenstand der Parteivernehmung.
Rn 5
Als Beweismittel ist die Parteivernehmung nach allgemeinen Grundsätzen nur über (äußere oder innere) Tatsachen möglich. Ob die Handlungen oder Wahrnehmungen, die den Beweisgegenstand bilden, eigene oder fremde sind, ist dabei unerheblich, kann aber für den Beweiswert der Parteiaussage eine Rolle spielen.
D. Arten der Parteivernehmung.
Rn 6
Das Gesetz unterscheidet zwischen der Parteivernehmung vAw und derjenigen auf Antrag (Beweisantritt) einer Partei.
I. Parteivernehmung von Amts wegen.
Rn 7
Die Parteivernehmung vAw regelt § 448, wobei es auf die Beweislast nicht ankommt. Sie ist nur zulässig, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um eine Überzeugung des Gerichts zu begründen.
II. Parteivernehmung auf Antrag.
Rn 8
Die Parteivernehmung auf Antrag ist nur subsidiär zulässig, dh wenn die Partei den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat. Das Gesetz knüpft an die Beweislast an und regelt in §§ 445, 446 die Vernehmung des Gegners auf Beweisantrag der beweisbelasteten Partei. Nach § 447 kann die beweisbelastete Partei selbst als Beweismittel aussagen, wenn der Gegner – was praktisch kaum vorkommt – damit einverstanden ist. Die beweisbelastete Partei kann also ihre eigene Vernehmung und die des Gegners beantragen, letzterer aber nur die Vernehmung des Beweislastträgers.
III. Besondere Vorschriften.
Rn 9
In Ehesachen ist die Parteivernehmung tw abw gestaltet (vgl § 128 FamFG) und der Verzicht auf die Beeidi...