Einführung
Alexander R. Zumkeller, MBA, RA, Wirtschaftsmediator ist Präsident des Bundesverbandes der Arbeitsrechtler in Unternehmen (www.bvau.de), der branchenübergreifenden, personenbezogenen und bundesweit tätigen Vereinigung für Arbeitsrechtler in Unternehmen. Nach 20 Jahren in Arbeitgeberverbänden, zuletzt als Geschäftsführer tätig, ist er seit 2007 bei der Deutschen ABB und heute dort Head of HR Policies, Rewards & Benefits (Germany) & Labour Relations Manager (Europe). |
|
Merken Sie's? Sie sind mittendrin. Mittendrin in "Arbeit 4.0". Ich weiß zwar nicht, ob Sie diesen Artikel gerade in Print oder elektronisch lesen. Aber dass Sie diesen Artikel außerhalb Ihrer "regulären Arbeitszeit" lesen – das ist recht wahrscheinlich! Ich jedenfalls mache das immer so mit Fachzeitschriften. Vielleicht haben Sie sich damit sogar eine kleine Wunsch-Pause untertags "eingekauft"?
„Arbeit 4.0“ hat uns längst erreicht. Das merken mittlerweile auch die wichtigsten Stakeholder rund um das Thema Personalpolitik und Arbeitsrecht: Die deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) hatte im Frühjahr ihren Kongress auf dieses Thema ausgerichtet, die Bundesregierung hat das "Grünbuch" veröffentlicht und einen Fachdialog dazu bis 2016 angesetzt, der Deutsche Juristentag (DJT) hat für 2015 sein arbeitsrechtliches Gutachten dafür bestellt.
Handeln tut Not. Und zwar ein Handeln jenseits politischer Fragestellungen. So spricht das Grünbuch bereits von "Entgrenzung" von Arbeit und Privatleben, das Gutachten des DJT trägt im Untertitel den Begriff "Regelungsbedarf". Und daneben sind wir Arbeitsrechtspraktiker, die gestern, heute und morgen Lösungen finden müssen, Lösungen in einem Dickicht von Regelwerken, das nicht mehr zeitgemäß ist und noch weniger zeitgemäß sein wird.
Ich möchte nur zwei Beispiele herausgreifen, mit denen der Arbeitsrechtspraktiker im Betrieb teils "lahmgelegt" wird:
Zum einen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ("Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen"). Man kann es nicht deutlich genug sagen: Vor solchen "technischen Einrichtungen" wimmelt es. PC, Smartphone, Essensausweis mit RFID-Chip, zig Anwendungsprogramme . . .; Nein, hier kommt nicht die Forderung der Abschaffung der Mitbestimmung. Aber wenn das Arbeitsleben, anders als in den Entstehungsjahren des BetrVG, durchdrungen ist von diesen Einrichtungen, dann ist eine Korrektur erforderlich. Mit mediativen Methoden gelangt man rasch dazu, dass das Interesse des Gesetzgebers und der Betriebsräte nicht ist, neue Technologien zu verhindern, sondern deren Missbrauch. Darauf müsste eine Neufassung der Regelung abgestimmt sein. Warum nicht "die Einführung technischer Einrichtungen ist gestattet, ihre Nutzung zur Überwachung von Leistung und Verhalten aber nur vorbehaltlich einer Einigung zwischen den Betriebsparteien zulässig"? Vielleicht wäre das sogar, was der Gesetzgeber einst wollte (". . . bestimmt sind . . ."), bis das BAG das Wort "bestimmt" durch "geeignet" ersetzt hat. Momentan könnte ich jedenfalls jede Woche eine neue Betriebsvereinbarung zu dem Thema vorbereiten – viel seltener sind Updates, Upgrades, Crossgrades, Neueinführungen nicht! Glücklicherweise sind die meisten Betriebsräte auch darauf ausgerichtet!
Und dann das zweite Thema: die Arbeitszeit. So neu ist es ja nicht, dass es Telefone gibt (ja, schon vor der Erfindung des Mobiltelefons hat der eine oder andere Arbeitnehmer sich von seinem Chef zu Hause anrufen lassen), Mobiltelefone, Smartphones, Notebooks und Pads haben das alles nur beschleunigt: Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit ist nicht mehr eindeutig zu ziehen – und das wird nicht nur so bleiben, sondern sich noch unumkehrbar verstärken. Auch auf Arbeitnehmerseite und von Gewerkschaften hört man bereits eine gewisse Akzeptanz für das, was im Grünbuch "Entgrenzung" genannt wird. Ja, es ist richtig, nicht für alle Branchen und nicht für alle Arbeitnehmerschichten ist dies und wird dies selbstverständlich. Und ja, jeder Arbeitnehmer braucht Erholung und verdient sich diese auch. Aber man wird bezweifeln dürfen, dass das Schreiben einiger E-Mail-Zeilen oder die Annahme eines kurzen Telefongesprächs den Erholungswert wirklich mindert. Denn ständiges Computerspielen, knubbeln an Smartphones, whats-appen, SMSen und telefonieren scheint mir qualitativ gleichwertig.
Vergessen wir nicht: Die meisten von uns haben heute Berufe und Tätigkeiten, wie sie vor 50 Jahren, als das Arbeitszeitgesetz oder das Betriebsverfassungsgesetz noch modern war, gar nicht erdenklich waren. So gesehen leben wir vor dem Hintergrund einer 35 oder 37, 5-Stunden-Woche ohnedies alle in einer Art "Teilzeit".
Mir ist auch klar: Ein Aufgeben des Arbeitsschutzes darf es nicht geben. Die Skalierung des Arbeitsschutzes vor diesen neuen Herausforderungen ist eine große Aufgabe. Es wird nicht mehr sein wie früher, als der Gesetzgeber berechtigter Weise entgegnen konnt...