Einführung
BAG, Urteil vom 15.10.2013, 3 AZR 294/11
Volltext des Urteils: BBL2014-2619-1 unter www.betriebs-berater.de
1 Amtliche Leitsätze
1. Eine Regelung in einer Versorgungsordnung, die den Anspruch auf Witwen-/Witwerrente davon abhängig macht, dass die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer geschlossen wurde, verstößt nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters.
2. Macht eine Versorgungszusage den Anspruch auf Witwen-/Witwerversorgung davon abhängig, dass die Ehe vor dem Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Arbeitnehmer geschlossen wurde, sind nicht nur diejenigen Versorgungsberechtigten von der Hinterbliebenenversorgung ausgeschlossen, die nach Eintritt des Versorgungsfalls erstmalig eine Ehe schließen. Auch Versorgungsberechtigte, die nach Eintritt des Versorgungsfalls geschieden werden und sich wiederverheiraten, haben keinen Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung. Dies gilt auch dann, wenn sie ihren geschiedenen Ehegatten erneut heiraten.
2 Sachverhalt
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, beim Ableben des Klägers an dessen Ehefrau B eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen.
Der am 21.10.1929 geborene Kläger war vom 1.7.1976 bis zum 31.12.1992 zunächst bei der M GmbH und später bei deren Rechtsnachfolgerin, der E GmbH beschäftigt. Die M GmbH hatte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der "Versorgungsordnung vom 11.2.1974, geändert am 30.6.1983, Neufassung vom 2.6.1992" (im Folgenden: VO MBB) des Beklagten, einer Unterstützungskasse, zugesagt. In der VO MBB heißt es:
Zitat
Versorgungsordnung
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1. Diese Versorgungsordnung regelt die betriebliche Altersversorgung der Begünstigten (Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter und Rentnerinnen/Rentner) der
Versorgungskasse der M GmbH e. V.
– im folgenden VK MBB genannt –
denen gemäß Satzung Versorgung zu gewähren ist.
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§ 1 Leistungsarten
Als betriebliche Versorgungsleistungen werden gewährt:
a) an Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter: Altersrenten § 7
Invalidenrenten § 8
b) an deren Hinterbliebene: Witwen-/Witwerrenten § 9
Waisenrenten § 10
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§ 6 Höhe der Versorgungsleistungen
1. Die Höhe der betrieblichen Versorgungsleistung richtet sich bei allen Leistungsarten nach den anrechenbaren Dienstjahren (§ 4) und dem versorgungsfähigen Einkommen (§ 5).
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3. Die Hinterbliebenenrenten betragen:
– als Witwen- oder Witwerrente 60 v. H.
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der Rente der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters.
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§ 7 Altersrente
1. Altersrente wird gewährt, wenn die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft stand und das Arbeitsverhältnis beendet ist (Versorgungsfall).
2. Altersrente wird vorzeitig gewährt, wenn die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter vor Vollendung ihres/seines 65. Lebensjahres das Altersruhegeld aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt und aus dem Beruf ausscheidet (Versorgungsfall); Teilrente wird nicht gewährt.
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§ 8 Invalidenrente
1. Invalidenrente wird gewährt, wenn die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung aus den Diensten der Gesellschaft ausscheidet (Versorgungsfall).
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§ 9 Witwen-/Witwerrente
1. Witwenrente wird beim Tod eines Mitarbeiters (Versorgungsfall) der überlebenden Ehefrau gewährt, wenn die Ehe bis zum Tod bestanden hat. Witwenrente wird auch beim Tod eines Rentners der hinterlassenen Ehefrau gewährt, wenn die Ehe vor Eintritt des Versorgungsfalles geschlossen wurde und bis zum Tode bestanden hat.
2. Die Witwenrente erlischt mit Ablauf des Monats, in dem die Witwe sich wieder verheiratet. Bei der Wiederverheiratung wird eine Abfindung von 18 Monatsrenten gewährt.
3. Witwerrenten werden entsprechend Ziffer 1 und 2 dem überlebenden Ehemann einer Mitarbeiterin oder einer Rentnerin gewährt.
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§ 13 Härtefälle
In Härtefällen kann von den Bestimmungen der vorliegenden Versorgungsordnung zugunsten des Begünstigten abgewichen werden.
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Der Kläger bezieht seit dem 1.1.1993 vom Beklagten eine Altersrente nach der VO MBB i. H. v. derzeit 1052, 00 Euro.
Der Kläger und B hatten am 12.9.1959 geheiratet. Die Ehe wurde am 7.12.1993 ohne Versorgungsausgleich geschieden. Am 23.9.1996 ging der Kläger eine weitere Ehe mit einer anderen Frau ein. Diese Ehe wurde am 13.8.2002 ebenfalls ohne Versorgungsausgleich geschieden. Am 18.6.2008 heirateten der Kläger und B erneut.
Mit Schreiben vom 18.7.2008 teilte die E GmbH dem Kläger mit, dass seine Ehefrau B bei seinem Ableben keinen Anspruch auf eine Witwenrente nach der VO MBB habe, da die Ehe erst nach Eintritt des Versorgungsfalls beim Kläger geschlossen worden sei.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der VO MBB umfasse auch eine Hinterbliebenenversorgung zugunsten seiner Ehefrau B, weshalb der Beklagte verpflichtet sei, bei seinem Ableben an diese nach der VO MBB eine Witwenrente zu zahlen. Der Anspruch folge aus § 9 Abs. 1 S...