Zusammenfassung
Das betriebliche Risikomanagement hat letztmalig mit der Einführung des Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetzes (StaRUG) 2020 und des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) 2021 an Bedeutung gewonnen. Mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die am 28.11.2022 vom Europäischen Rat gebilligt worden ist, wird nicht nur der Kreis der betroffenen Unternehmen, sondern insbesondere das zu betrachtende Risikouniversum umfassend erweitert werden. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über das Risikoverständnis in der CSRD und untersucht, ob die bisherigen Instrumente im Risikomanagement im Hinblick auf diese Erweiterungen in der Berichterstattung überarbeitet und ergänzt werden müssen.
I. Einleitung
Risiken und Chancen sind seit jeher Teil unternehmerischen Handelns. Manche Geschäftsmodelle bieten, in Abhängigkeit von der jeweiligen Marktentwicklung, einerseits sehr vorteilhafte Entwicklungsmöglichkeiten und stehen dabei andererseits eventuell direkt vor dem Aus. Wirksame Risikoüberwachungssysteme haben sich erst relativ spät als unterstützendes Element der Unternehmenssteuerung etabliert. Selbst Unternehmen, die gesetzlichen Pflichten zur Einrichtung eines Risikofrüherkennungs- und -überwachungssystems unterliegen, erfüllen nicht immer die Erwartungen an die Risikoaggregation sowie an einen Abgleich mit der Risikotragfähigkeit.
Die systematische Identifizierung relevanter Risiken, deren Modellierung und die unmittelbare Einbeziehung in die Entscheidungen der Unternehmensleitung stellen den Kern des bisherigen Verständnisses eines angemessenen und wirksamen Risikomanagementsystems dar. Dabei liegt der Fokus nahezu ausschließlich auf exogenen Einflüssen auf die wesentlichen finanziellen Kenngrößen des Unternehmens, seine Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (outside-in-Perspektive). Dies ist auch konsequent, sollte es doch das primäre Ziel des Risikomanagements sein, den Fortbestand des Unternehmens gefährdende Entwicklungen frühzeitig zu erkennen.
Nachhaltigkeitsrisiken werden unter dem Akronym ESG (Environment, Social, Governance) zusammengefasst und decken Risiken ab, die aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung stammen. Das Bewusstsein für eine systematische Erfassung von Nachhaltigkeitsrisiken ist derzeit noch nicht sehr verbreitet. Vereinfacht geht es darum, Risiken aus den ESG-Bereichen zu identifizieren und zu steuern, die nicht nur einen unmittelbaren finanziellen Bezug zum Unternehmen haben (financial materiality), sondern auch Auswirkungen auf Wirtschaft, Umwelt und/oder Gesellschaft umfassen (impact materiality). Dieses Konzept der doppelten Wesentlichkeit wurde schon sehr früh von Standardsetzern entwickelt, die damit die Unternehmensberichterstattung um eine Auswirkungswesentlichkeit ergänzt haben. Dabei können Unternehmen entweder durch eigene Aktivitäten oder durch ihre Geschäftsbeziehungen mit anderen juristischen oder natürlichen Personen an Auswirkungen beteiligt sein.
II. Rechtliche und inhaltliche Grundlagen
Die EU-Kommission hatte am 21.4.2021 einen Vorschlag zur Überarbeitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgelegt. Ziel war es, dass angemessene, öffentlich zugängliche Informationen über die Risiken für Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten und über die Auswirkungen der Unternehmen selbst auf Mensch und Umwelt zur Verfügung stehen. Die bereitgestellten Informationen sollten vergleichbar, zuverlässig und für die Nutzer mittels digitaler Technologien leicht auffindbar und nutzbar sein. Auch war es Ziel des Vorschlags, den Status von Nachhaltigkeitsinformationen dahin gehend zu ändern, dass sie besser mit finanziellen Informationen vergleichbar sind. Nach mehrmonatigen Diskussionen zwischen EU-Parlament, EU-Rat und der EU-Kommission wurde die vorläufige politische Einigung am 21.6.2022 erzielt.
Der nunmehr vereinbarte Richtlinientext (die formale Verabschiedung durch das EU-Parlament erfolgte am 10.11.2022, die Billigung durch...