BVerfG: Verfassungsbeschwerde mehrerer Frauen mit dem Ziel der Gewährung von Mutterschutz nach einer Fehlgeburt mangels Fristwahrung erfolglos
Mit am 25.9.2024 veröffentlichtem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde mehrerer Frauen, die eine Fehlgeburt nach der 12., aber vor der 24. Schwangerschaftswoche erlitten haben, nicht zur Entscheidung angenommen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde verfolgen sie das Ziel, wie Entbindende behandelt zu werden, die unter die Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) fallen.
In § 3 Abs. 2 bis Abs. 4 MuSchG sind unter anderem Schutzfristen geregelt, in denen Frauen nach einer "Entbindung" nicht beschäftigt werden dürfen. Während dieser Schutzfristen haben Frauen, die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind, gegen die Krankenkassen Anspruch auf Mutterschaftsgeld und gegebenenfalls gegen den Arbeitgeber auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Zur Auslegung des Begriffs der "Entbindung" nahm die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in einem anderen Kontext bisher auf Regelungen der Personenstandsverordnung Bezug. In den Fällen, in denen im personenstandsrechtlichen Sinne eine Fehlgeburt vorlag, wurde eine "Entbindung" abgelehnt. Eine "Entbindung" war danach nur gegeben, wenn ein Kind lebend oder tot nach der 24. Schwangerschaftswoche beziehungsweise mit einem Gewicht von mehr als 500 Gramm geboren wurde.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt wurde und im Übrigen den Grundsatz der Subsidiarität nicht wahrt. Die Beschwerdeführerinnen hätten ihre Ansprüche vor Einlegung der Verfassungsbeschwerde vor den Sozial- beziehungsweise Arbeitsgerichten verfolgen können.
BVerfG, Beschluss vom 21.8.2024 – 1 BvR 2106/23
(PM Nr. 80/2024 vom 25.9.2024)
Volltext: BBL2024-2355-1 unter www.betriebs-berater.de
BAG: Bewerbungsverfahrensanspruch – sachgrundlose Befristung – Vorbeschäftigung
1. Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Daraus folgt ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl für jedes öffentliche Amt (sogenannter Bewerbungsverfahrensanspruch). Zu den öffentlichen Ämtern iSv. Art. 33 Abs. 2 GG zählen nicht nur Beamtenstellen, sondern auch Stellen, die ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes mit Arbeitnehmern zu besetzen beabsichtigt (Rn. 23).
2. Öffentliche Arbeitgeber treffen im Rahmen ihrer Organisationsgewalt diejenigen Vorentscheidungen, die zur Existenz eines öffentlichen Amtes führen. Es besteht kein subjektives Recht auf Ausbringung einer bestimmten Planstelle. Der Dienstherr entscheidet nach organisatorischen Bedürfnissen und Möglichkeiten über die Einrichtung und nähere Ausgestaltung von Dienstposten (Rn. 24).
3. Die Entscheidung, eine ausgeschriebene Stelle nur im Wege eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses zu besetzen, ist Teil der dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsentscheidung. Das gilt auch für die Entscheidung, Bewerber vom Auswahlverfahren auszuschließen, bei denen eine sachgrundlose Befristung wegen einer Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber nicht rechtssicher möglich ist (Rn. 27).
4. Die Organisationsentscheidung, eine ausgeschriebene Stelle im Wege eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses zu besetzen und Bewerber von der Auswahl auszuschließen, bei denen eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses wegen einer Vorbeschäftigung mit demselben Arbeitgeber möglicherweise unwirksam ist, hält sich regelmäßig im Rahmen des dem öffentlichen Arbeitgeber zustehenden weiten Organisationsermessens. Das gilt jedenfalls, wenn die Vorbeschäftigung nicht eindeutig für die Wirksamkeit einer sachgrundlosen Befristung des Arbeitsverhältnisses unbeachtlich ist, weil sie sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (Rn. 28 ff.).
BAG, Urteil vom 25.7.2024 – 8 AZR 24/24
(Orientierungssätze)
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BAG: Eingruppierung einer Retail Assistant – Auslegung der Tätigkeitsbeispiele "Verkäufer/innen, auch wenn sie kassieren" und "Kassierer/innen"
1. Kassiererin iSd. Gehaltsgruppe 3 GTV ist, wer überwiegend Tätigkeiten einer Kassiererin ausübt. "Gehobene" Kassentätigkeiten sind nicht erforderlich. Die Tarifvertragsparteien haben das Tätigkeitsbeispiel der Kassiererin ohne erläuternden oder ergänzenden Zusatz verwendet, so dass keine weiteren Anforderungen an die Tätigkeit zu stellen sind (Rn. 31 ff.).
2. Nehmen die Tarifvertragsparteien technische Entwicklungen nicht zum Anlass, ein vor dieser Veränderung vereinbartes Tätigkeitsbeispiel zu präzisieren, sind die Gerichte im Hinblick auf die grundgesetzlich geschützte Tarifautonomie gehindert, dieses einengend oder ausdehnend auszulegen, wenn Wortlaut und Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung hierfür keine Möglich...