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BFH Urteil vom 24.04.1975 - I R 204/73

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Leitsatz (amtlich)

1. Soweit die Bestimmung des Art. IX Abs. 2 DBA-USA 1966 Personen mit Wohnsitz in den USA das Recht einräumt, zu verlangen, daß die Steuer für die nach Art. IX Abs. 1 DBA-USA 1966 in der Bundesrepublik steuerpflichtigen Einkünfte nach dem Nettoergebnis berechnet wird, ist sie praktisch bedeutungslos, da in der Bundesrepublik nach geltendem Recht ohnedies nur das Nettoergebnis besteuert wird.

2. Damit entfällt auch die (an das Optionsrecht gekoppelte) Möglichkeit, eine Besteuerung mit den Steuersätzen zu verlangen, die bei Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik anzuwenden wären.

 

Normenkette

EStG § 1 Abs. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 6, § 50 Abs. 3 S. 2; DBA USA 1966 Art. 4

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hat seinen dauernden Wohnsitz in den Vereinigten Staaten (USA). Er ist Eigentümer eines in der Bundesrepublik Deutschland im Bezirk des Beklagten und Revisionsklägers (FA) liegenden bebauten Grundstücks. Aus diesem Grundstück bezog er u. a. in den Streitjahren 1965 und 1966 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Das FA hat den Kläger gemäß § 1 Abs. 2 EStG als beschränkt steuerpflichtig angesehen und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 49 Abs. 1 Nr. 6, § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG mit 25 v. H. der Besteuerung unterworfen (Einkommensteuer 1965 = 320 DM, 1966 = 370 DM).

Der Kläger begehrt demgegenüber Freistellung von der Einkommensteuer. Er beruft sich auf Art. IX Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen vom 22. Juli 1954 in der seit 1. Januar 1965 geltenden Fassung des Protokolls vom 17. September 1965 - DBA-USA 1966 - (BGBl II 1966, 745, BStBl I 1966, 865). Danach sei er - begrenzt auf seine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger zu behandeln, so daß für die Anwendbarkeit der §§ 49, 50 EStG kein Raum bleibe und die Mindestbesteuerung des § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG nicht in Betracht komme.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren zum FG erhobene Klage hatte für die Streitjahre Erfolg. Das FG begründete seine Entscheidung u. a. wie folgt:

Nach Art. IX Abs. 2 DBA-USA 1966 könne eine Person mit Wohnsitz in den USA, die mit den in Art. IX Abs. 1 genannten Einkünften in der Bundesrepublik steuerpflichtig sei, für jedes Steuerjahr verlangen, daß die Steuer von diesen Einkünften nach dem Nettoergebnis berechnet werde, und zwar zu den Steuersätzen, die bei einer Person mit Wohnsitz in dem Vertragstaat, in dem das Vermögen gelegen ist, anzuwenden wären. Damit werde der Grundgedanke herausgestellt, daß der Steuerpflichtige beanspruchen könne, zu den gewöhnlichen Steuersätzen des Belegenheitsstaates besteuert zu werden. Aus dem Wortlaut der Bestimmung gehe eindeutig hervor, daß eine Person in der Position des Klägers wie ein Steuerpflichtiger zu behandeln sei, der seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik habe, danach also wie ein unbeschränkt Steuerpflichtiger. Diese Regelung des DBA-USA gehe dem abweichenden innerstaatlichen Recht vor. Hätte durch Art. IX Abs. 2 DBA-USA 1966 - wie das FA meine - ausschließlich eine Besteuerung nach dem Nettoergebnis sichergestellt werden sollen, so wäre der Zusatz "und zwar zu den Steuersätzen, die bei einer Person mit Wohnsitz in dem Vertragstaat, in dem das Vermögen gelegen ist, anzuwenden wäre" entbehrlich gewesen.

Mit seiner Revision beantragt das FA, das Urteil des FG aufzuheben und (sinngemäß) die Klage abzuweisen. Das FA rügt unrichtige Anwendung des Art. IX Abs. 2 DBA-USA 1966 und beruft sich u. a. auf die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung.

Der Kläger beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des FG für zutreffend und bezieht sich auf den seiner Ansicht nach eindeutigen Erklärungsinhalt des Art. IX DBA-USA 1966. Unter Zugrundelegung des Wortlauts der Bestimmung und der Auslegungsregeln könne nicht nachträglich ein für wünschenswert erachteter Inhalt in das DBA-USA 1966 hineininterpretiert werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision, die das FG zugelassen hat, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

I.

Die Vorinstanz hat die Rechtsvorschriften, die nach innerstaatlichem Recht für die Besteuerung des Klägers maßgebend sind, zutreffend angewandt. Da der Kläger weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ist er in der Bundesrepublik beschränkt einkommensteuerpflichtig mit seinen inländischen Einkünften (§ 1 Abs. 2, § 49 EStG). Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die der Kläger aus dem im Bereich des FA belegenen Grundstück erzielt hat, gehören nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu den inländischen Einkünften. Die Einkommensteuer beträgt im Streitfall 25 v. H. des Einkommens (§ 50 Abs. 3 Satz 2 EStG).

II.

Die innerstaatlichen Vorschriften, nach denen die Einkommensbesteuerung des Klägers vorzunehmen ist, sind durch das DBA-USA 1966 nicht eingeschränkt worden.

1. Art. IX Abs. 1 DBA-USA 1966 weist die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Inland, zu denen auch die streitigen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Klägers gehören, der Bundesrepublik als dem Belegenheitsstaat zu. Art. IX Abs. 1 DBA-USA 1966 bestätigt damit die Zurechnung des Steuerobjekts, wie sie auch die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG vorsieht.

2. Der Senat vermag dem Kläger und dem FG nicht darin zu folgen, daß das DBA-USA 1966 in Art. IX Abs. 2 die Anwendung eines vom innerstaatlichen Recht abweichenden Steuertarifs gestatte.

Danach kann eine Person mit Wohnsitz in den USA, die mit den in Art. IX Abs. 1 DBA-USA 1966 genannten Einkünften in der Bundesrepublik steuerpflichtig ist - ebenso wie jede Person mit Wohnsitz in der Bundesrepublik, die in den USA einer entsprechenden Steuerpflicht unterliegt - verlangen, daß die Steuer von Einkünften nach dem Nettoergebnis berechnet wird, "und zwar zu den Steuersätzen, die bei einer Person mit Wohnsitz in dem Vertragstaat, in dem das Vermögen gelegen ist", anzuwenden wären. Diese Bestimmung ist mit dem Ziel auszulegen, den ihr zugrunde liegenden objektiven Willen zu erfassen. Diesem Ziel dient außer der Auslegung nach dem Wortlaut, dem Zweck und dem Sinnzusammenhang erforderlichenfalls auch die Auslegung nach der Entstehungsgeschichte (vgl. die Grundsätze im Urteil des BFH vom 15. Juni 1973 III R 118/70, BFHE 110, 187, BStBl II 1973, 810; zur Bedeutung der Entstehungsgeschichte vgl. auch BFH-Urteil vom 15. Januar 1971 III R 125/69, BFHE 101, 536, BStBl II 1971, 379). Es ginge allerdings - wie der Kläger zutreffend ausführt - nicht an, lediglich die einseitige subjektive Vorstellung des deutschen Vertragspartners bei der Auslegung zugrunde zu legen (vgl. BFH-Urteil vom 13. September 1972 I R 130/70, BFHE 107, 158, BStBl II 1973, 57).

a) Im Streitfall führt die Auslegung nach dem Wortlaut zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zwar erscheint die vom Kläger vertretene Ansicht, es bestehe ein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen auf Anwendung des für Personen mit Wohnsitz im Inland geltenden Steuersatzes, nach dem Wortlaut nicht unmöglich. Schon grammatikalisch läßt sich die Bestimmung indessen auch anders verstehen. Sie kann auch bedeuten, daß sich das Recht des Steuerpflichtigen, eine bestimmte Art der Besteuerung zu wählen, in erster Linie darauf richtet, statt der in einem Vertragstaat vorgesehenen Besteuerung nach dem Bruttoergebnis eine davon abweichende Besteuerung nach dem Nettoergebnis zu verlangen, wobei nur die Ausübung der Option zugunsten einer Besteuerung nach dem Nettoergebnis die für die Anwendung des Steuertarifs geltende Rechtsfolge nach sich zöge. Bei dieser Auslegung würde nach dem bisher in der Bundesrepublik geltenden Recht schon das Wahlrecht als solches entfallen, weil die Bundesrepublik für inländische Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur die Besteuerung nach dem Nettoergebnis kennt (vgl. § 50 Abs. 1 EStG). Damit entfiele zugleich auch die sich als Folge der Option ergebende Anwendung der für Personen mit inländischem Wohnsitz geltenden Steuersätze.

b) Der Sinn des Art. IX Abs. 2 DBA-USA 1966 erschließt sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, die im Zusammenhang mit den innerstaatlichen Rechtsordnungen der beiden Vertragstaaten zu sehen ist. Die Entstehungsgeschichte bestätigt die Rechtsauffassung des FA.

aa) Art. IX Abs. 2 DBA-USA 1966 ist an die Stelle des Art. IX Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen vom 22. Juli 1954 - DBA-USA 1954 - (BGBl II, 1118, BStBl I 1955, 70) getreten. Mit der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung hat sich der erkennende Senat in seinem Urteil vom 20. Januar 1959 I 112/57 S (BFHE 68, 340, BStBl III 1959, 133) im einzelnen befaßt. Danach ergibt sich das folgende: Nach Art. IX Abs. 2 b DBA-USA 1954 konnte eine Person mit Wohnsitz in den USA mit Einkünften aus unbeweglichem Vermögen, die der Bundesrepublik zugeteilt waren, für jedes Steuerjahr verlangen, "in der Bundesrepublik auf Grund des Reineinkommens, d. h. so besteuert zu werden, als ob sie in der Bundesrepublik Deutschland durch eine dort belegene Betriebstätte gewerblich tätig gewesen wäre". Die gleiche Regelung galt im umgekehrten Fall der Besteuerung einer Person mit Wohnsitz in der Bundesrepublik in den USA (vgl. Art. IX Abs. 2 a DBA-USA 1954).

Diese Bestimmung war auf Grund der besonderen Rechtslage in den USA während der Verhandlungen in den Abkommensentwurf aufgenommen worden. Das amerikanische Steuerrecht sah unter bestimmten Voraussetzungen für die Besteuerung der Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger aus unbeweglichem Vermögen eine Quellensteuer von 30 v. H. der Bruttoeinnahmen vor (Internal Revenue Code - IRC-Sec. 871 und 881). Auf Antrag der deutschen Delegation hatte die amerikanische Delegation entsprechend den Vorschriften in anderen von den USA abgeschlossenen Abkommen zugestanden, daß Steuerpflichtige mit Wohnsitz in der Bundesrepublik die Quellensteuer von 30 v. H. der Bruttoeinnahmen dadurch reduzieren können, daß sie verlangen, in den USA mit dem "Reineinkommen", d. h. so besteuert zu werden, wie wenn sie dort eine Betriebstätte unterhielten. Maßgebend für das Zugeständnis des amerikanischen Vertragspartners war, daß auch in der Bundesrepublik Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht die "Bruttoeinnahmen" sind, sondern die Einkünfte als Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten, also als "Reineinkommen" ermittelt werden. Um zu verhindern, daß amerikanische Steuerpflichtige benachteiligt würden, wenn später in der Bundesrepublik eine Besteuerung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen auf Grund der "Brutto-Einnahmen" eingeführt werden sollte, wurde in Art. IX neben der Bestimmung des Abs. 2 a, der die Besteuerung in den USA betrifft, eine entsprechende für die Besteuerung in der Bundesrepublik eingefügt (Art. IX Abs. 2 b DBA-USA). Durch diese Einfügung wurde aber in der Bundesrepublik die Besteuerung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht berührt, sondern nur die Anwendung einer "Nettomethode" bei der Ermittlung dieser Einkünfte auch für den Fall einer Änderung der zur damaligen Zeit geltenden Vorschriften verbürgt. Eine Person mit Wohnsitz in den USA, die in der Bundesrepublik besteuert wurde, konnte danach keine Besteuerung auf Grund des "Reineinkommens" verlangen, da die Einkünfte bereits nach einer "Nettomethode" besteuert wurden.

bb) Die Neufassung des Art. IX Abs. 2 unterscheidet sich von der früheren Fassung dadurch, daß die Besteuerung nach dem Nettoergebnis nicht mehr - wie nach altem Recht - so durchgeführt wird, als ob hier der Steuerpflichtige im Belegenheitsstaat durch eine Betriebstätte tätig geworden wäre. Nach dieser alten Fassung hatte bei Ausübung des Optionsrechts in den USA an Stelle des Steuerabzugs eine Veranlagung des Reineinkommens aus sämtlichen, in den USA der sogenannten "withholding tax" unterliegenden Einkunftsquellen, nicht nur der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, stattgefunden (Art. III Abs. 1 Satz 2 DBA-USA 1954). Dies war dadurch bedingt, daß die Nettobesteuerung so vorgenommen wurde, als sei im Belegenheitsstaat eine Betriebstätte vorhanden. Diese Wirkung wiederum beruhte auf dem Grundsatz der unumschränkten Attraktivkraft der Betriebstätte, die nach dem DBA-USA 1966 nicht mehr gilt (Korn-Dietz-Debatin, Doppelbesteuerung, Kommentar, Anm. 3 zu Art. IX DBA-USA 1966; Art. III Abs. 1 DBA-USA 1966). Alle diese Modalitäten und damit auch die Anwendung bestimmter Steuersätze berühren indes die Besteuerung in der Bundesrepublik ebensowenig wie sie von dem früheren Recht berührt worden war, weil sich hier die Besteuerung nach dem Nettoergebnis nach wie vor aus dem innerstaatlichen Recht ergibt.

cc) Soweit danach die Bestimmung des Art. IX Abs. 2 DBA-USA 1966 Personen mit Wohnsitz in den USA das Recht einräumt, zu verlangen, daß die Steuer für die nach Art. IX Abs. 1 in der Bundesrepublik steuerpflichtigen Einkünfte nach dem Nettoergebnis berechnet wird, ist sie praktisch bedeutungslos, da in der Bundesrepublik ohnedies das Nettoergebnis besteuert wird. Damit entfällt zugleich auch die (an das Optionsrecht gekoppelte) Möglichkeit, eine Besteuerung in der Bundesrepublik zu den Steuersätzen zu verlangen, die bei Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik anzuwenden wären.

III.

Da die Vorentscheidung auf einer abweichenden Rechtsansicht beruht, ist sie aufzuheben. Die Klage ist, da die Sache spruchreif ist, abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71429

BStBl II 1975, 604

BFHE 1975, 490

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