Birthe Kramer, Dietrich Weilbach
Rz. 1
Das GrEStG v. 12.9.1919 – GrEStG 1919 – (RGBl 1919, 1617) vereinheitlichte die Grundwechselabgabe in der Hand des Reiches und knüpfte hinsichtlich des Besteuerungsgrundes nicht mehr an die "Urkunde", sondern primär an den Übergang des Eigentums am Grundstück an. Das den Anspruch auf Übereignung begründende Rechtsgeschäft wurde nur als Besteuerungstatbestand herangezogen, wenn der Eigentumsübergang nach Ablauf eines Jahres nach Abschluss des Veräußerungsgeschäftes noch nicht vollzogen war. Mit dem GrEStG v. 12.9.1919 wurde auch das Besteuerungsrecht der Länder und Gemeinden aufgehoben. Die bisherigen Vorschriften des RStempG traten ebenso wie die Landesgesetze und die die Abgabenerhebung betreffenden Satzungen der Gemeinden mit dem Inkrafttreten des GrEStG 1919 zum 1.10.1919 außer Kraft. Das GrEStG 1919 wurde mehrfach geändert (vgl. z. B. GrEStG 1919 i. d. F.d. Bek. v. 11.3.1927, RGBl I 1927, 72), so besonders durch das Steueranpassungsgesetz vom 16.10.1934.
Mit der Besteuerung von Grundstücksübertragungen hatte sich das Reich eine verlässliche und zugleich kräftig sprudelnde Steuerquelle geschaffen. So schreibt Ott in seinem Kommentar zum GrEStG 1919 (3. Aufl. 1927) in der Einleitung: "Die Grundwechselabgaben knüpfen an einen Verkehrsvorgang an, der sich nicht leicht der Kenntnis der Steuerbehörden entziehen kann und deshalb besonders geeignet ist, dem Staat eine ergiebige Einnahmequelle zu verschaffen." An der Richtigkeit dieser bezeichnenden und freimütigen Feststellung besteht auch heute hinsichtlich der fiskalischen bzw. haushaltsrechtlichen Bedeutung des aktuell geltenden GrEStG keinerlei Zweifel.
Eine grundlegende Änderung erfuhr das GrEStG 1919 durch das Gesetz vom 29.3.1940 (RGBl I 1940, 585), durch das es zum 1.5.1940 abgelöst wurde. Mit dem GrEStG 1940 bekam das Grunderwerbsteuerrecht jene prägende Struktur, die sich trotz aller Modifizierungen im Wesentlichen bis zum Wegfall der seit 1949 bis zum 31.12.1982 geltenden Ländergesetze gehalten hat. Zur Begründung des Regierungsentwurfs zum GrEStG 1940 s. RStBl 1940, 387ff., und zur DVO zum GrEStG 1940 v. 30.3.1940 s. RGBl I 1940, 595.
Im Jahr 1949 sind die materiell fortgeltenden Bestimmungen des Grunderwerbsteuerrechts (Art. 123 Abs. 1 GG) nach Art. 30 und Art. 70 Abs. 1 GG Landesrecht geworden, weil dem Bund mit Art. 105 Abs. 2 Nr. 1 GG i. d. F. v. 23.5.1949 (BGBl 1949, 1) für die Grunderwerbsteuer keine Gesetzgebungskompetenz eingeräumt worden war. Einzelne Länder nahmen dementsprechend ab 1962 Änderungen am GrEStG 1940 vor oder aber verabschiedeten gänzlich neue Grunderwerbsteuergesetze, wie z. B. Baden-Württemberg mit dem GrEStG v. 2.8.1966 (GBl 1966, 165). An der grundlegenden Substanz des GrEStG 1940 konnte dies letztlich aber – mit Ausnahme des erst viel später verabschiedeten Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) v. 11.7.1977 (BGBl I 1977, 1213) – nichts ändern. Allerdings verlor die Grunderwerbsteuer durch diese Entwicklung infolge der Einführung neuer, sehr weitgehender Befreiungsvorschriften im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, bei dem im Interesse des Gemeinwohls erfolgten Grundstückserwerb der öffentlichen Hand und bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur faktisch weitgehend ihren Charakter als Rechtsverkehrssteuer.
Durch das Finanzreformgesetz v. 12.5.1969 (BGBl I 1969, 359, vgl. dazu Oppermann, DStZ 2018, 686) und der Änderung von Art. 105 Abs. 2 GG erhielt der Bund ab 1.1.1970 die konkurrierende Zuständigkeit (Art. 70 Abs. 2, Art. 72 GG) für die Gesetzgebung im Bereich der Grunderwerbsteuer. Er hat von dieser Kompetenz jedoch nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht, wie z. B. bei der Verabschiedung des GrEStEigWoG v. 11.7.1977, BGBl I 1977, 1213 (vgl. § 24 GrEStG a. F.).
Rz. 2
Neben den bundesrechtlichen Vorschriften lagen bis zum Inkrafttreten des neuen GrEStG 1983 in den einzelnen Bundesländern rund 300 Landesgesetze, Verordnungen, Erlasse und Verfügungen zum Grunderwerbsteuerrecht vor. Infolge der zahlreichen Befreiungsvorschriften wurde die Verfassungsmäßigkeit dieser Steuer zunehmend infrage gestellt. Durch BFH v. 4.4.1979, II B 48/78, BStBl II 1979, 344, wurde diese Frage zwar noch ausdrücklich bejaht. Allerdings war bereits mit BVerfG v. 10.6.1963, 1 BvR 345/61, BStBl I 1963, 620, die rechtspolitische Vertretbarkeit einer solchen Rechtszersplitterung kritisch kommentiert worden. Letztlich wurden durch das BVerfG v. 26.4.1983, 1 BvR 728/81, und v. 16.3.1983, 1 BvR 1077/80, aber Klagen, die sich gegen das in Nordrhein-Westfalen und Hessen bis zum Inkrafttreten des GrEStG 1983 geltende Grunderwerbsteuerrecht und gegen die auf diesem Rechtsgebiet in der BRD allgemein bestehende Rechtszersplitterung richteten, nicht zur Entscheidung angenommen, da sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatten.
Erste Überlegungen hinsichtlich einer grundlegenden Reform des Grunderwerbsteuerrechts kamen bereits in den Jahren ab 1971 auf u...