Verfahrensgang
BPatG (Urteil vom 23.06.1998) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 23. Juni 1998 verkündete Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Das europäische Patent 0 335 341 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig erklärt, als seine Patentansprüche über die folgende Fassung hinausgehen:
1. Aufweitbares intraluminales vaskuläres Implantat oder Prothese (70) mit:
- zumindest einem dünnwandigen rohrförmigen Teil (71) mit ersten und zweiten Enden (72, 73) und einer zwischen dem ersten und zweiten Ende angeordneten Wandfläche, die eine im wesentlichen gleichförmige Dicke und mehrere Schlitze (82) aufweist, die im wesentlichen parallel zur Längsachse des rohrförmigen Teils (71) ausgerichtet sind,
- wobei das rohrförmige Teil (71) einen ersten Durchmesser hat, der den intraluminalen Transport des rohrförmigen Teils in einen ein Lumen (81) aufweisenden Körperdurchgang (80) ermöglicht, und
- wobei das rohrförmige Teil einen zweiten, aufgeweiteten und deformierten Durchmesser hat, nachdem vom Inneren des rohrförmigen Teils aus eine radial nach außen gerichtete Kraft aufgebracht ist, wobei der zweite Durchmesser variabel ist und vom Betrag der auf das rohrförmige Teil (71) ausgeübten Kraft abhängt, wodurch das rohrförmige Teil (71) aufgeweitet und deformiert wird, um das Lumen des Körperdurchgangs aufzuweiten,
- dadurch gekennzeichnet, daß das vaskuläre Implantat oder die vaskuläre Prothese (70) mehrere rohrförmige Teile (71) und zumindest ein Verbindungsteil (100) aufweist, das zwischen aneinander angrenzenden rohrförmigen Teilen angeordnet ist, um aneinander angrenzende rohrförmige Teile flexibel miteinander zu verbinden, wobei zumindest ein Verbindungsteil (100) in einer nicht-parallelen Anordnung bezüglich der Längsachse der rohrförmigen Teile (71) angeordnet ist.
2. Aufweitbares intraluminales Implantat oder Prothese nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zumindest ein Verbindungsteil (100) coplanar zu jedem rohrförmigen Teil und nicht parallel zur Längsachse der rohrförmigen Teile (71) angeordnet ist.
3. Aufweitbares intraluminales Implantat oder Prothese nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß zumindest ein Verbindungsteil (100) ein dünnwandiges Spiralteil ist, das coplanar zu den angrenzenden rohrförmigen Teilen (71) angeordnet ist.
4. Gerät zum intraluminalen Verstärken oder Expandieren des Lumens eines Körperdurchgangs, umfassend eine Prothese oder ein vaskuläres Implantat (70) mit zumindest einem expandierbaren und deformierbaren, dünnwandigen rohrförmigen Teil (71) mit ersten und zweiten Enden (72, 73) und einer Wandfläche, die zwischen dem ersten und dem zweiten Ende (72, 73) angeordnet ist, wobei die Wandfläche mehrere darin gebildete Schlitze (82) aufweist, die im wesentlichen parallel zur Längsachse der rohrförmigen Teile (71) angeordnet sind, einem Katheter (83) mit einem damit verbundenen aufweitbaren, aufblasbaren Abschnitt (84) und mit einer Einrichtung zum Festhalten der aufweitbaren, dünnwandigen rohrförmigen Prothese bzw. des vaskulären Implantats (70) auf dem aufweitbaren, aufblasbaren Abschnitt (84), wodurch nach Aufblasen des aufweitbaren, aufblasbaren Abschnitts des Katheters (83) das Teil (71) aufgeweitet und radial nach außen bis in Berührung mit dem Körperdurchgang (80) deformiert wird, dadurch gekennzeichnet, daß das Gerät mehrere dünnwandige rohrförmige Teile (71) und zumindest ein Verbindungsteil (100) umfaßt, das zwischen aneinander angrenzenden rohrförmigen Teilen (71) angeordnet ist, um aneinander angrenzende rohrförmige Teile (71) flexibel miteinander zu verbinden, wobei zumindest ein Verbindungsteil (100) in einer nicht-parallelen Anordnung bezüglich der Längsachse der rohrförmigen Teile (71) angeordnet ist.
5. Gerät nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Befestigungs- und Halteeinrichtung Halteringteile (86) umfaßt, die auf dem Katheter (83) angrenzend an den aufweitbaren, aufblasbaren Abschnitt (84) und angrenzend an die Enden der aufweitbaren, rohrförmigen Prothesen (70) angeordnet sind.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 335 341 (Streitpatents), das am 28. März 1989 unter Inanspruchnahme der Priorität der US-amerikanischen Patentanmeldung 174 246 vom 28. März 1988 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Englisch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patentamt unter der Nummer 68 900 893 geführt wird, betrifft ein „aufweitbares intraluminales vaskuläres Gewebe” und ein Gerät zum Implantieren dieses „Gewebes”. Es umfaßt sechs Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1 und 5 in der deutschen Übersetzung gemäß Streitpatentschrift lauten:
„1. Aufweitbares intraluminales vaskuläres Gewebe oder Prothese (70) mit zumindest einem dünnwandigen rohrförmigen Teil (71) mit ersten und zweiten Enden (72, 73) und einer zwischen dem ersten und dem zweiten Ende angeordneten Wandfläche, die eine im wesentlichen gleichförmige Dicke und mehrere Schlitze (82) aufweist, die im wesentlichen parallel zu der Längsachse des rohrförmigen Teiles (71) ausgerichtet sind, wobei das rohrförmige Teil (71) einen ersten Durchmesser aufweisen kann, der den intraluminalen Transport des rohrförmigen Teils in einen ein Lumen (81) aufweisenden Körperdurchgang (80) ermöglicht, und wobei das rohrförmige Teil einen zweiten, aufgeweiteten und deformierten Durchmesser aufweisen kann, nachdem vom Inneren des rohrförmigen Teiles aus eine radial nach außen gerichtete Kraft aufgebracht ist, wobei der zweite Durchmesser variabel ist und vom Betrag der auf das rohrförmige Teil (71) ausgeübten Kraft abhängt, wodurch das rohrförmige Teil (71) aufgeweitet und deformiert wird, um das Lumen des Körperdurchgangs aufzuweiten, dadurch gekennzeichnet, daß das vaskuläre Gewebe oder die vaskuläre Prothese (70) mehrere rohrförmige Teile (71) und zumindest ein Verbindungsteil (100) aufweist, welches zwischen aneinander angrenzenden rohrförmigen Teilen angeordnet ist, um aneinander angrenzende rohrförmige Teile biegbar miteinander zu verbinden.
5. Gerät zum intraluminalen Verstärken oder Expandieren des Lumens eines Körperdurchgangs, umfassend eine Prothese oder ein vaskuläres Gewebe (70) mit zumindest einem expandierbaren und deformierbaren, dünnwandigen rohrförmigen Teil (71) mit ersten und zweiten Enden (71, 73) und einer Wandfläche, die zwischen dem ersten und dem zweiten Ende (70, 73) angeordnet ist, wobei die Wandfläche mehrere darin ausgeformte Schlitze (82) aufweist, die im wesentlichen parallel zur Längsachse der rohrförmigen Teile (71) angeordnet sind, einen Katheter (83) mit einem damit verbundenen aufweitbaren, aufblasbaren Abschnitt (84) und mit einer Einrichtung zum Festhalten der aufweitbaren, dünnwandigen rohrförmigen Prothese bzw. vaskulären Gewebes (70) auf dem aufweitbaren, aufblasbaren Abschnitt (84), wodurch nach Aufblasen des aufweitbaren, aufblasbaren Abschnitts des Katheters (83) das Teil (71) aufgeweitet und radial nach außen in Berührung mit dem Körperdurchgang (80) deformiert wird, dadurch gekennzeichnet, daß das Gerät mehrere dünnwandige rohrförmige Teile (71) und zumindest ein Verbindungsteil (100) umfaßt, das zwischen aneinander angrenzenden rohrförmigen Teilen (71) angeordnet ist, um aneinander angrenzende rohrförmige Teile (71) biegsam miteinander zu verbinden.”
Wegen der Patentansprüche 2 bis 4 und 6 wird auf die Patentschrift Bezug genommen.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Die Klägerin hat beantragt, das europäische Patent 0 335 341 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Hilfsweise hat sie das Streitpatent in der Fassung von drei Hilfsanträgen beschränkt verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen; hilfsweise beantragt sie, das angefochtene Urteil aufzuheben und das europäische Patent 0 335 341 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang ihrer Hilfsanträge 1 und 2 vom 14. April 1999 und ihrer Hilfsanträge 3 bis 5 vom 7. Dezember 1999 beschränkt aufrecht zu erhalten.
Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Dipl.-Ing. Dr. med. H. H. hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat teilweise Erfolg.
I. 1. Nach der übereinstimmenden Auffassung der Parteien und den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen handelt es sich bei dem in der Streitpatentschrift als „expandable intraluminal vascular graft or prosthesis” bezeichneten Gegenstand des Patentanspruchs 1 um ein in der medizinischen Fachwelt in neuerer Zeit als „Stent” bezeichnetes Implantat. Derartige Stents werden verwendet, um verengte Körperdurchgänge und Gefäße des menschlichen Körpers, insbesondere verengte oder verstopfte Blutgefäße aufzuweiten, wobei der Stent nach der Aufweitung in dem aufgeweiteten Gefäß verbleibt, um eine Rückbildung der Verengung zu verhindern.
2. Das Streitpatent geht als Stand der Technik von der europäischen Patentschrift 0 221 570 (Palmaz-Stent) aus, die einen Stent und ein Gerät zum Implantieren des Stents beschreibt. Der Palmaz-Stent besteht im wesentlichen aus einem plastisch deformierbaren rohrförmigen Element, das in radialer Richtung aufweitbar ist. Zur Behandlung einer Gefäßverengung (Stenose) wird dieser Stent im nicht-expandierten Zustand in das aufzuweitende Gefäß eingeführt, anschließend durch eine von innen radial nach außen wirkende Kraft expandiert und gegen die Wandung des aufzuweitenden Gefäßes gedrückt. Die Aufweitung des Stents erfolgt durch einen im Inneren des rohrförmigen Elements angeordneten Ballon, der mittels eines Katheters zusammen mit dem Stent in das aufzuweitende Gefäß eingeführt und an der aufzuweitenden Stelle aufgeblasen wird, so daß sich der Ballon von innen gegen die Wandung des rohrförmigen Elements drückt und dieses expandiert. Nach Aufweitung des Gefäßes wird der Ballon entleert und mit dem Katheter aus dem Gefäß entfernt. Der Stent verbleibt im Gefäß, um eine Rückbildung der Gefäßverengung zu verhindern.
Oftmals weisen Gefäßverengungen eine relativ große räumliche Ausdehnung auf. Zur Aufweitung und Abstützung des Gefäßes ist dann ein relativ langer Stent erforderlich, weil sich dieser über die gesamte Länge der Stenose erstrecken muß. Um eine zum zuverlässigen Abstützen des Gefäßes ausreichende Festigkeit im aufgeweiteten Zustand zu erreichen, muß der Stent hinreichende Stabilität und Widerstandskraft gegen radiale Kräfte besitzen, was eine gewisse Starrheit seiner Wandstruktur erfordert. Diese Starrheit kann sich, wie die Streitpatentschrift einleitend schildert, bei einem langen Stent nachteilig auf dessen Flexibilität auswirken. Die Verwendung eines solchen Palmaz-Stents wird wegen seiner Länge als problematisch angesehen, weil sich der benötigte Stent aufgrund seiner geringen Biegeelastizität den Kurven oder Biegungen der Gefäße, durch welches er zusammen mit dem Katheter hindurch geführt werden muß, nicht anpassen kann (Streitpatentschrift Sp. 3 Z. 17 bis 24). Er ist zu lang, um einfach zu der aufzuweitenden und abzustützenden Stelle im Gefäßsystem transportiert werden zu können (Streitpatentschrift Sp. 3 Z. 24 bis 29).
3. Der vorbekannte plastisch deformierbare Stent sowie ein Gerät zum intraluminalen Verstärken oder Expandieren eines Gefäßes durch einen solchen Stent sollen daher so weiterentwickelt werden, daß ein leichter Transport durch Kurven und Biegungen im Verlauf eines Gefäßes möglich ist.
Zur Lösung dieses Problems schlägt Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung einen Stent vor, der sich in folgende Merkmalsgruppen und Einzelmerkmale aufgliedern läßt:
- Aufweitbares intraluminales vaskuläres Implantat oder Prothese
mit mehreren rohrförmigen Teilen mit jeweils einem ersten und einem zweiten Ende und einer zwischen dem ersten und zweiten Ende angeordneten Wandfläche, die
- dünnwandig ist,
- eine im wesentlichen gleichförmige Dicke und
mehrere Schlitze darin aufweist,
aa) die im wesentlichen parallel zur Längsachse der rohrförmigen Teile angeordnet sind,
wobei die rohrförmigen Teile einen ersten Durchmesser, der den intraluminalen Transport des rohrförmigen Teils in einem ein Lumen aufweisenden Körperdurchgang ermöglicht, und einen zweiten aufgeweiteten und deformierten Durchmesser aufweisen können, wobei
aa) die Aufweitung durch eine von innen radial nach außen gerichtete Kraft aufgebracht ist und
bb) der zweite Durchmesser variabel ist und vom Betrag der auf das rohrförmige Teil ausgeübten Kraft abhängt, wodurch das rohrförmige Teil aufgeweitet und deformiert wird, um das Lumen des Körperdurchgangs aufzuweiten,
weiterhin mit zumindest einem Verbindungsteil, das
- zwischen aneinander angrenzenden rohrförmigen Teilen angeordnet ist und
die aneinander angrenzenden rohrförmigen Teile miteinander verbindet,
aa) wobei die Verbindung biegbar ist.
Um einen derartigen Stent implantieren zu können, schlägt das Streitpatent weiterhin im Patentanspruch 5 ein Gerät zum intraluminalen Verstärken oder Expandieren des Lumen eines Körperdurchgangs vor
mit einer Prothese oder einem vaskulären Implantat
mit mehreren rohrförmigen Teilen jeweils mit einem ersten und einem zweiten Ende und einer Wandfläche, die zwischen erstem und zweitem Ende angeordnet ist,
aa) wobei die rohrförmigen Teile dünnwandig,
bb) expandierbar und deformierbar sind
cc) und in der Wandfläche mehrere Schlitze aufweisen,
cc1) die im wesentlichen parallel zur Längsachse des rohrförmigen Teils angeordnet sind,
weiterhin mit einem Katheter
- mit einem damit verbundenen aufblasbaren Abschnitt
- und einer Einrichtung zum Festhalten der Prothese bzw. des Implantats auf dem aufweitbaren, aufblasbaren Abschnitt,
- wodurch nach Aufblasen des aufweitbaren, aufblasbaren Abschnitts des Katheters das rohrförmige Teil aufgeweitet und radial nach außen bis zur Berührung mit dem Körperdurchgang deformiert wird,
weiterhin mit einem Verbindungsteil,
- das zwischen aneinander angrenzenden rohrförmigen Teilen angeordnet ist und
die aneinander angrenzenden rohrförmigen Teile miteinander verbindet,
aa) wobei die Verbindung biegbar ist.
4. Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung ist damit eine biegbare Verbindung gleichgültig welcher Art, die zwischen aneinander angrenzenden rohrförmigen Teilen eines aus der europäischen Patentschrift 0 221 570 vorbekannten plastisch deformierbaren Stents (Palmaz-Stents) angeordnet ist und diese miteinander verbindet.
II. 1. Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist neu (Art. 52 EPÜ). Keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften weist einen Palmaz-Stent mit zumindest einem biegbaren Verbindungsteil mit sämtlichen, in diesem Anspruch genannten Merkmalen auf.
2. Das Bundespatentgericht hat jedoch zutreffend erkannt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents in seiner erteilten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Art. 56 EPÜ).
a) Aus der in der Streitpatentschrift genannten europäischen Patentschrift 0 221 570 ist ein zu expandierender rohrförmiger Stent bekannt, der sämtliche im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents beschriebenen Merkmale aufweist. Mit diesem Stent werden mit Ausnahme der beim Streitpatent im Vordergrund stehenden Fähigkeit, beim Einführen Biegungen und Kurven in den Gefäßen zu folgen, bereits sämtliche Forderungen der patentgemäßen Problemstellung erfüllt.
b) Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen lag es für den Fachmann nahe, auf Grund seines Fachwissens und Fachkönnens sowie der im Stand der Technik vorgefundenen Anregungen eine biegbare Verbindung zwischen mehreren Teilen eines Stents der in der europäischen Patentschrift 0 221 570 beschriebenen Art (Palmaz-Stents) zu finden. Durchschnittsfachmann ist dabei ein mit den Fragestellungen von Gefäßstützimplantaten befaßter und vertrauter Mediziner, der zur Lösung des technischen Problems in Gemeinschaft mit einem Ingenieur der biomedizinischen Technik oder der Feinwerktechnik tätig wird. Dieser Fachmann kennt die mechanische und geometrische Grundkonzeption eines Stents, die unterschiedlichen Funktionsweisen der üblichen, in der medizinischen Praxis angewandten Typen und die Grundprobleme bei der Einbringung einer solchen Stützprothese aus der praktischen Anwendung. Er weiß, daß bei der Ballonangioplastie Stents mit geringem Durchmesser durch kurvenreiche Gefäße eingeführt werden und daß sie entweder aktiv oder passiv an ihrem Bestimmungsort einen größeren Durchmesser annehmen müssen. Ihm ist, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, auch bekannt, daß es in der Vergangenheit, wenn bei langen Stenosen ein langer Stent zur Abstützung in einem gebogenen Gefäß plaziert wurde, regelmäßig zum Abknicken des Gefäßes an den Enden des Stents kam, was dort zu Thrombosen führte. Deshalb suchten den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge alle auf diesem Gebiet mit derartigen Stützimplantaten Befaßten nach Möglichkeiten, lange Stents auch in gebogene und gewundene Gefäße einführen und für den Patienten gefahrlos plazieren zu können.
c) Für diesen Fachmann war es angesichts des technischen Problems, lange Stents durch kurvenreiche Gefäße mittels eines Katheters einzuführen, ein naheliegender Gedanke, die erforderlichen langen Stents in mehrere kurze Teilstücke aufzuteilen, um dadurch die erforderliche Kurventauglichkeit des Stents zu erreichen. Eine Anregung zur Überbrückung einer langen Stenose durch zwei kurze Stents gleicher Länge mit einem Drahtverbund fand der Fachmann in dem Beitrag von Charnsangavej et al., „Stenosis of the Vena Cava: Preliminary Assessment of Treatment with Expandable Metallic Stents” (Radiologie, November 1986 S. 295). Die Veröffentlichung berichtet über die Anwendung von Gianturco-Stents, die aus der im Prüfungsverfahren des Streitpatents genannten europäischen Offenlegungsschrift 0 177 330 bekannt sind bei Stenosen der Vena cava. Dabei wurden, wie Figur 1 b verdeutlicht, zwei Stents gleicher Länge mit einer Verbindung durch eine Drahtverstrebung verwendet. Auch wenn es sich hierbei um selbstaufweitende Stents aus Metall, also um einen in der Arbeitsweise anderen Typ eines Stents handelte, konnte der Fachmann, der einen plastisch verformbaren Stent wie den Palmaz-Stent bei langen Stenosen anwendbar machen wollte, dieser Veröffentlichung die Anregung entnehmen, er müsse den zur Überbrückung einer langen Stenose erforderlichen Stent teilen, um einerseits die erforderliche Stabilität des Stents beibehalten zu können, andererseits aber durch die Teilung die Kurventauglichkeit des Stents zu bewirken, um die Schwierigkeiten beim Führen durch gekrümmte und gewundene Gefäße zu überwinden.
Hätte sich der Fachmann entschlossen, den Palmaz-Stent zu teilen, hätte er zwar ohne Verzicht auf die zur Abstützung der langen Stenose erforderlichen Stabilität des Stents eine vereinfachte Möglichkeit zum Führen und Plazieren des Stents in gebogenen und gekrümmten Gefäßen gewonnen. Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt, daß der einschlägige Fachmann, der einer solchen Lösung näher getreten wäre, jedoch sofort erkannt hätte, daß das hintereinander gereihte Einführen einzelner kurzer Palmaz-Stents nicht nur unpraktikabel und mit Schwierigkeiten verbunden war, sondern daß ein solches Verfahren für den Patienten nicht ungefährlich gewesen wäre, weil die Einzelstents nur schwer an der zu behandelnden Stelle ohne Abstand zu plazieren und zu sichern waren. Der Abstand zwischen den einzelnen Stents konnte sich beim Aufblasen des Ballons infolge der durch die Erweiterung bedingten Längenverkürzung der einzelnen Stents vergrößern. Damit wäre eine sichere Abstützung bei längeren Stenosen nicht mehr gewährleistet gewesen. Zudem bestand die Gefahr der Bildung von Hautfalten beim Zusammenschieben der einzelnen Stents und damit verbunden die Gefahr von Ablagerungen in den Gefäßen. Um diese offensichtlichen Nachteile zu überwinden, mußte der Fachmann eine weitere Maßnahme vorsehen, die einerseits die Vorteile des plastisch deformierbaren Palmaz-Stents und die durch die Teilung erzeugte vereinfachte Passierbarkeit durch gebogene und gewundene Gefäße beibehielt, andererseits aber die hierdurch geschaffenen Schwierigkeiten überwand.
Anregungen hierzu fand der einschlägige Fachmann den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen zufolge in mehreren wissenschaftlichen Beiträgen, welche die Anwendung von Stents schildern, die aus mehreren Gliedern und biegbaren Verbindungen bestehen. In der Veröffentlichung von Wallace et al., „Trachebronchial Tree: Expandable Metallic Stents Used in Experimental and Clinical Applications, Work in Progress” (Radiologie, Februar 1986, S. 309), beispielsweise wird über Erfahrungen mit dem bereits aus dem oben genannten Beitrag von Charnsangavej et al. bekannten Gianturco-Stent berichtet, bei denen dieser für die Stabilisierung von Luftröhren und Bronchien verwendet wird. Dabei wurden die Stents entweder einzeln verwendet oder zwei Stents wurden durch eine Drahtstrebe miteinander verbunden und gemeinsam eingeführt, wie die Aufnahmen Figur 2 a und Figur 3 a, die entsprechend der Erläuterung jeweils unmittelbar nach der Plazierung aufgenommen wurden, verdeutlichen. Allerdings handelte es sich hierbei nicht um rohrförmige Stents im Sinne des Streitpatents, sondern um Stents aus zickzackförmig gebogenem, in einer zylindrischen Form geschlossenen Metalldraht, die sich durch ihre geometrische Struktur der Einzelabschnitte und durch ihre Funktion (selbstaufweitend) von den patentgemäßen Stents unterscheiden. Der Fachmann wird diese Veröffentlichung aber gleichwohl schon deshalb in seine Überlegungen einbeziehen, weil er, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, beim Studium dieser Schrift erkennt, daß er die mit der Teilung des Stent verbundenen Schwierigkeiten dadurch vermeiden kann, daß er die für die erstrebte Kurventauglichkeit erforderliche Flexibilität des Stents in das Verbindungsglied legt. Er entnimmt dem Beitrag von Wallace et al., daß auch hier das Problem der Kurventauglichkeit angesprochen wird und daß die vorgeschlagene Lösung durch eine flexible Verbindung von zwei aneinander angrenzenden Stents unabhängig von der Arbeitsweise des Stents angewendet werden kann. Um einen selbstexpandierenden Gianturco-Doppelstent einzusetzen, muß dieser nämlich in komprimierter Form mit Hilfe eines Katheters in die aufzuweitende und sodann abzustützende Stenose gebracht werden. Auch ein plastisch deformierbarer, ballonexpandierbarer Stent wie der Palmaz-Stent wird in komprimierter Form in einem Katheter bis zum Einsatzort geführt. In beiden Fällen müssen lange Stents so flexibel sein, daß sie Krümmungen und Biegungen der Gefäße einfach passieren können. Erst am Einsatzort ergibt sich für den Palmaz-Stent gegenüber dem Gianturco-Stent die Besonderheit, daß jener durch einen Ballon aufgeweitet werden muß, um in Wirkeingriff mit den Wandungen des Gefäßes zu gelangen, während der Gianturco-Stent sich von selbst aufweitet, nachdem er aus dem Katheter herausgepreßt worden ist.
Waren demnach aus der Fachliteratur Erfahrungen bei der Anwendung von mehreren hintereinander angeordneten Stents bekannt, so lag es für den Fachmann am Prioritätstag ohne erfinderisches Bemühen nahe, das bei dem Gianturco-Stent angewandte, bekannte Prinzip biegsamer Verkettung biegesteifer Glieder auch auf den aus der europäischen Patentschrift 0 221 570 bekannten, durch Dilatation aufweitbaren, plastisch deformierbaren Palmaz-Stent anzuwenden und die einzelnen angrenzenden Stentglieder durch eine biegbare (irgendwie geartete) Verbindung miteinander zu verketten, um diese Stents auch in gebogenen und gewundenen Gefäßen verwenden zu können.
Das Streitpatent ist daher im Umfang seines Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung durch das angefochtene Urteil zu Recht für nichtig erklärt worden. Insoweit ist die Berufung der Beklagten unbegründet.
III. Hingegen hat die Berufung Erfolg, soweit mit ihr das Streitpatent in seiner Fassung nach dem ersten Hilfsantrag verteidigt wird.
1. Die Beklagte verteidigt Anspruch 1 des Streitpatents in der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Fassung in zulässiger Weise.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung dieses Hilfsantrages unterscheidet sich von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung – abgesehen davon, daß gegenüber der deutschen Übersetzung des erteilten Anspruchs berichtigend der Begriff „vaskuläres Gewebe” durch „vaskuläres Implantat” und im Kennzeichen das Wort „biegbar” durch „flexibel” ersetzt worden sind – dadurch daß Patentanspruch 2 der erteilten Fassung in Patentanspruch 1 aufgenommen worden ist, so daß über die Merkmale des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung hinaus ein Verbindungsteil zwischen aneinander angrenzenden rohrförmigen Teilen beansprucht wird, „wobei zumindest ein Verbindungsteil (100) in einer nicht-parallelen Anordnung bezüglich der Längsachse der rohrförmigen Teile (71) angeordnet ist”.
2. Der Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents in der hilfsweise verteidigten Fassung ist neu. Der Senat kann nicht feststellen, daß dieser Gegenstand nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Insoweit hat der Senat aufgrund des Gutachtens des gerichtlichen Sachverständigen und dessen Erläuterung, des Vorbringens der Parteien und des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung nicht die Überzeugung gewinnen können, daß eine nicht-parallele Verbindung zwischen aneinander angrenzenden rohrförmigen Teilen eines Stents mit diesen Merkmalen am Prioritätstag dem einschlägigen Fachmann nahegelegt war (Art. 52, 56 EPÜ).
Nach Patentanspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung weist das vaskuläre Implantat oder die vaskuläre Prothese mehrere rohrförmige Teile und zumindest ein Verbindungsteil auf, das zwischen aneinander angrenzenden Teilen angeordnet ist und diese flexibel miteinander verbindet, wobei zumindest ein Verbindungsteil in einer nicht-parallelen Anordnung bezogen auf die Längsachse der rohrförmigen Teile angeordnet ist. Der Fachmann versteht diese Anordnung dahin, daß die biegbare Verbindung in einem Winkel zur Längsachse der rohrförmigen Teile stehen soll. Durch diese Anordnung wird zum einen sichergestellt, daß sich die bei der Aufweitung auftretenden starken Verkürzungen der Einzelrohrelemente eines Palmaz-Stents nicht addieren und zu einer erheblichen Verkürzung des Gesamtstents führen, sondern der Verkürzungsausgleich durch die Verbindung erreicht wird; dadurch befinden sich die miteinander verbundenen Stentteile in allen Aggregatszuständen in einem definierten Abstand zueinander. Des weiteren gewährleistet diese Anordnung, daß es auch bei starker Beanspruchung des Verbindungsteils durch Torsion, Verbiegungen oder Verwindungen beim Führen durch ein Gefäß nicht zu einem Herausknicken wenigstens eines der Stege kommen kann, wie dies nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen bei einer längsachsenparallelen Position des Verbindungsteils zwangsläufig der Fall sein würde.
Anregungen dahin, ein flexibles Verbindungsteil zwischen den rohrförmigen Stentteilen in einer nicht-parallelen Anordnung vorzusehen, ergeben sich nicht aus den in das Verfahren eingeführten Druckschriften. Die wissenschaftlichen Beiträge, die über Erfahrungen mit dem Gianturco-Stent berichten, zeigen zwar Drahtverbindungen zwischen zwei Stents in unterschiedlichen Gestaltungen. Die bereits erwähnten Veröffentlichungen von Charnsangavej et al. und von Wallace et al. schlagen Drahtstreben zwischen zwei Stents als Verbindungsteile vor, die bei der Anwendung auch nicht-parallel zur Längsachse der Stents verlaufen können. Diese Drahtstreben garantieren aber keine definierte Lage der Stentglieder und schützen auch nicht vor nachteiligem Herausknicken. Rösch et al. beschreiben in ihrem Aufsatz „Gianturco Expandable Wire Stents in the Treatment of Superior Vena Cava Syndrome Recurring After Maximum-Tolerance Radiation” (Radiologie, September 1987 S. 1243) einen Stent, der sich aus zwei mit einer Monofilamentlinie verbundenen Körpern zusammensetzt. Dieses Monofilament ist, wie Figur 1 B verdeutlicht, senkrecht zur Längsachse der Stentglieder und damit nicht-parallel angeordnet. Es wird ausgeführt, diese Verbindung sei weniger steif und ermögliche eine gewisse Beweglichkeit, die besser sei als ein langer, nur aus einem Körper bestehender Stent. Ob diese Verbindung den Fachmann veranlaßt hätte, sich näher mit ihr zu beschäftigen, ist schon deshalb zweifelhaft, weil diese Verbindung nicht die für die Lösung des Problems erforderliche Flexibilität garantiert. Zwar hat der gerichtliche Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, die nicht längsachsenparallele Anordnung der Verbindungsstege liege für den einschlägigen Fachmann nahe, weil er den seit langem bekannten Hauptnachteil der Stentkonstruktion nach Palmaz, die starke Verkürzung des Stents bei der Aufweitung, kenne. Zudem würde der Fachmann bei der Anordnung von zwei Verbindungsstegen beim Biegen in der Achse der Hauptsteifigkeit zwangsläufig auf die Notwendigkeit gestoßen, die Stege nicht längsachsenparallel anzuordnen, weil durch eine längsachsenparallele Anordnung der Zweck der Verbindung, eine gelenkige Anbindung zu schaffen, in der Hauptsteifigkeitsachse verfehlt würde. Im Hinblick darauf, daß sich trotz Kenntnis dieser Nachteile in den entgegengehaltenen Schriften kein Hinweis in Richtung auf die in Patentanspruch 1 in der verteidigten Fassung beanspruchte Lösung findet, hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung seine Aussage relativiert. Da die eingehende Befragung des gerichtlichen Sachverständigen auch keine weiteren Anhaltspunkte ergeben hat, aus denen auf ein Naheliegen des Gegenstandes des Anspruchs 1 in der verteidigten Fassung geschlossen werden könnte, ist nicht erwiesen, daß die Lehre des Streitpatents in dieser Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3. Die Unteransprüche 2 und 3 des Streitpatents in der hilfsweise verteidigten Fassung betreffen zweckmäßige Weiterbildungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 und haben mit diesem Bestand. Gleiches gilt für den Nebenanspruch 4 (Gerät zum intraluminalen Verstärken) und den auf diesen zurückbezogenen Anspruch 5.
IV. Die Berufung der Beklagten hat daher in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg, so daß das angefochtene Urteil unter Abweisung der weitergehenden Klage und Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abzuändern ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem nach Art. 29 des 2. PatGÄndG weiterhin anwendbaren § 110 Abs. 3 PatG i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 i.V.m. § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Melullis, Jestaedt, Scharen, Mühlens, Meier-Beck
Fundstellen