Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 05.06.2007; Aktenzeichen 82 D 1.06) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 5. Juni 2007 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Das Berufungsgericht hat im Disziplinarklageverfahren die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis bestätigt. Die hiergegen gerichtete, allein auf Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 69 BDG) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Beschwerde genügt bereits nicht den Begründungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 69 BDG.
Der Beklagte macht geltend, das Urteil sei unter Missachtung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, § 3 BDG) ergangen, als sowohl er und auch sein Rechtsvertreter erkrankt gewesen seien und das Gericht um eine Verlegung des Verhandlungstermins ersucht hätten. Die Ansicht des Gerichts impliziere, dass er nicht am Morgen des 5. Juni 2007 in die Erste-Hilfe-Station des Krankenhauses habe verbracht werden müssen, wie er über den, seinen gleichfalls erkrankten Rechtsvertreter, vertretenden Rechtsanwalt dem Gericht bekannt gegeben habe. Der vertretende Anwalt sei auf Bitten des Gerichts an Gerichtsstelle erschienen, um diese Problematik zu schildern und darzulegen. Anstatt eine lückenlose Klärung dieser Situation zu ermöglichen, sei das Urteil ergangen. Durch die Anberaumung des Verhandlungstermins habe das Gericht gezeigt, dass es noch Klärungsbedarf gesehen habe, so dass es sich zugleich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch gesetzt habe.
Für diesen Vortrag des Beklagten findet sich weder in dem Berufungsurteil noch in den Akten ein Anhalt; der Beklagte hat offenbar die beiden Verhandlungstage verwechselt. Ausweislich der Gerichtsakten ist der Beklagte am Morgen des 24. Mai 2007 in ein Krankenhaus eingewiesen worden, nicht aber am Morgen des 5. Juni 2007. Dieser Fortsetzungstermin ist vom Berufungsgericht gerade wegen der Abwesenheit des Beklagten am 24. Mai 2007 anberaumt worden, um die von der Beschwerde geforderte “lückenlose Klärung” der Verhandlungsfähigkeit des Beklagten zu ermöglichen. Auch ist zu dem Termin am 24. Mai 2007 ein Vertreter seines Rechtsanwalts erschienen, nicht aber zum Fortsetzungstermin am 5. Juni 2007. Zum Fortsetzungstermin ist für den Beklagten niemand erschienen. Mit einem Faxschreiben vom 5. Juni 2007 hat zwar der Vertreter des Rechtsanwalts des Beklagten eine weitere Vertagung beantragt und – wie schon zuvor – allgemein und ohne nähere Darlegung die Verhandlungsunfähigkeit des Beklagten geltend gemacht, nicht aber, dass dieser am Morgen des 5. Juni 2007 erneut in ein Krankenhaus eingeliefert worden sei. Auch ist in dem Faxschreiben keine Erkrankung seines Rechtsanwalts mitgeteilt worden, sondern der Umstand, dass dieser “aufgrund eines besonders schweren Diebstahls in sein Dienstfahrzeug in den heutigen Morgenstunden” nicht den Termin um 14:00 Uhr wahrnehmen könne. Die Abwesenheit des Beklagten am 5. Juni 2007 ist nicht erklärt worden.
Soweit der Beklagte mit der “lückenlosen Klärung der Situation” sinngemäß die Auffassung vertritt, das Berufungsgericht hätte von Amts wegen ermitteln müssen, ob er verhandlungsunfähig war, wird ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, § 69 BDG erforderlichen Weise bezeichnet. Danach muss ein Verfahrensmangel sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan werden (vgl. Beschlüsse vom 10. November 1992 – BVerwG 3 B 52.92 – Buchholz 303 § 314 ZPO Nr. 5 und vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26. Bei einem behaupteten Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO, § 58 Abs. 1, § 3 BDG) muss dementsprechend nicht nur substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, sondern auch, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschlüsse vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 und vom 19. August 1997 a.a.O.). Daran fehlt es hier. Das Beschwerdevorbringen enthält bereits keinen Hinweis auf den Gesundheitszustand des Beklagten am 5. Juni 2007. Der Beklagte hat zwar schriftsätzlich einen Beweisantrag zu seiner Verhandlungsunfähigkeit angekündigt, es aber unterlassen, einen solchen Antrag in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Den Aufforderungen des Gerichts zur Beibringung von Nachweisen (zuletzt im Beschluss vom 24. Mai 2007 und im Schreiben vom selben Tag) ist er ebenfalls nicht nachgekommen. Insoweit ist weder vom Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich, dass der ablehnende Beschluss des Berufungsgerichts vom 5. Juni 2007 (unter Ziffer 4) rechtsfehlerhaft sein könnte.
Soweit der Beklagte außerdem geltend machen will, dass das Gericht nicht ohne seine Anwesenheit habe entscheiden können, wird hiermit ein Verfahrensfehler ebenfalls nicht dargelegt. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass der Beklagte zum Termin ordnungsgemäß geladen war, darauf hingewiesen worden war, dass das Gericht im Falle seines Ausbleibens auch ohne ihn verhandeln und entscheiden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO, § 3 BDG), er eine Verhandlungsunfähigkeit nicht dargetan hat und erhebliche Gründe für eine Vertagung (§ 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 1 ZPO, § 3 BDG) nicht bestanden. Auch hiermit setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.
Sollte die Beschwerde mit den Ausführungen zu der dem Beklagten benachteiligenden Vorgehensweise des Berufungsgerichts die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs im Schriftsatz vom 5. Juni 2007 durch das Berufungsgericht rügen, so wäre diese Verfahrensrüge unzulässig. Die mit der Beschwerde nicht anfechtbare Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch das Berufungsgericht stellt eine gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 46 Abs. 2, § 557 Abs. 2 ZPO, § 3 BDG der Überprüfung in einem Revisionsverfahren entzogene unanfechtbare Vorentscheidung dar, so dass die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags grundsätzlich nicht als Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemacht werden kann (vgl. Urteil vom 16. April 1997 – BVerwG 6 C 9.95 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 382; Beschlüsse vom 6. Oktober 1989 – BVerwG 4 CB 23.89 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 42, vom 24. April 1990 – BVerwG 7 B 20.90 – Buchholz 11 Art. 101 GG Nr. 16, vom 3. Februar 1992 – BVerwG 2 B 11.92 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 305, vom 14. Mai 1999 – BVerwG 4 B 21.99 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 20, vom 9. November 2001 – BVerwG 6 B 59.01 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 29 und vom 21. Dezember 2004 – BVerwG 1 B 66.04 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 65). Die Rüge einer unrichtigen Ablehnung eines Befangenheitsantrags ist nur ausnahmsweise in dem Maße beachtlich, als mit ihr die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, § 138 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht wird (vgl. Beschlüsse vom 9. November 2001 a.a.O. und vom 21. Dezember 2004 a.a.O.). Das setzt voraus, dass willkürliche oder manipulative Erwägungen für die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs bestimmend gewesen sind. Die lediglich unrichtige Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch führt noch nicht zur vorschriftswidrigen Besetzung des Gerichts (vgl. Urteil vom 10. November 1999 – BVerwG 6 C 30.98 – BVerwGE 110, 40 ≪46≫ m.w.N.; Beschlüsse vom 31. Oktober 1994 – BVerwG 8 B 112.94 – Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 51, vom 9. November 2001 a.a.O. und vom 21. Dezember 2004 a.a.O.). Von einer auf Willkür beruhenden Entscheidung kann im Einklang mit den zum verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf den gesetzlichen Richter entwickelten Grundsätzen nur gesprochen werden, wenn die Entscheidung des Gerichts bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. Beschlüsse vom 13. Juni 1991 – BVerwG 5 ER 614.90 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 28, vom 25. September 1987 – BVerwG 9 CB 59.87 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 72, vom 9. November 2001 a.a.O. und vom 21. Dezember 2004 a.a.O.). Davon kann hier nicht die Rede sein.
Die bloße Tatsache, dass das Gericht den Vortrag einer Partei anders wertet, als diese es für richtig hält, begründet für sich allein nicht die Besorgnis der Befangenheit. Daraus, dass der Beklagte sämtliche beteiligten Richter des Berufungsgerichts wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat und hierfür lediglich die kurze Stellungnahmefrist, die die für den zuvor gestellten Ablehnungsantrag zuständige Vertreterkammer gesetzt hat, als Begründung benannt hat, durfte das Berufungsgericht die Schlussfolgerung ziehen, dass ein rechtsmissbräuchliches und damit unwirksames Befangenheitsgesuch vorliegt (vgl. Beschlüsse vom 25. November 1997 – BVerwG 4 B 179.97 – NVwZ-RR 1999, 74 = juris Rn. 7 und vom 16. Oktober 2007 – BVerwG 2 B 101.07, 2 B 20.07 – juris).
Schließlich ist der Beklagte der Auffassung, dass das Berufungsgericht seine Einlassungen nicht in das richtige Verhältnis gesetzt habe zu den ihm vorgeworfenen Taten, die nur einen geringen zeitlichen Anteil seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit umfasst hätten und in den von ihm als krankheitsbedingt bezeichneten Zeitraum fielen. Hiermit greift die Beschwerde pauschal die rechtliche Würdigung (Maßnahmebestimmung gemäß § 13 BDG) durch das Berufungsgericht an, ohne einen Revisionszulassungsgrund darzulegen.
Im Übrigen orientiert sich das Berufungsgericht bei der Maßnahmebemessung an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Fallgruppe des innerdienstlichen Betrugs. Danach kann bei einem Gesamtschaden von über 5 000 € die Entfernung aus dem Dienst ohne Hinzutreten weiterer Erschwerungsgründe gerechtfertigt sein (Urteile vom 4. Mai 2006 – BVerwG 1 D 13.05 – juris Rn. 29 und vom 20. September 2006 – BVerwG 1 D 8.05 – juris Rn. 86; Beschluss vom 14. Juni 2005 – BVerwG 2 B 108.04 – Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 1 = NVwZ 2005, 1199 ≪1200≫).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 Abs. 4 BDG. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei (§ 78 Abs. 1 Satz 1 BDG).
Unterschriften
Herbert, Dr. Heitz, Thomsen
Fundstellen