Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 12.11.2009; Aktenzeichen 1 D 24/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. November 2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
Rz. 2
1. Als Verletzung rechtlichen Gehörs rügen die Antragsteller, dass das Oberverwaltungsgericht ihren Vortrag im Schriftsatz vom 8. August 2008, die geplante Wendeanlage sei überdimensioniert, nicht berücksichtigt habe.
Rz. 3
Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt sich daraus nicht. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist in der Regel davon auszugehen, dass das Gericht bei seiner Entscheidung die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Das gilt auch für Vorbringen, das in den Entscheidungsgründen nicht erörtert ist. Das Gericht muss sich in seinem Urteil nicht mit jedem Vorbringen auseinandersetzen. Es darf sich auf die Gründe beschränken, die für seine Entscheidung leitend gewesen sind (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪146≫; BVerwG, Beschluss vom 25. November 1999 – BVerwG 9 B 70.99 – Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 64).
Rz. 4
Das Oberverwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen festgestellt, dass sich der Stadtrat der Antragsgegnerin mit allen von den Antragstellern im Lauf des Bebauungsplanverfahrens vorgetragenen Einwänden umfänglich auseinandergesetzt habe. Er sei dabei auch bestrebt gewesen, durch mehrfach vorgenommene Veränderungen an der Wendeanlage den Belangen der Antragsteller Rechnung zu tragen (UA S. 16). Das Oberverwaltungsgericht ist mithin davon ausgegangen, dass auch die Dimensionierung der Anlage im Planaufstellungsverfahren fehlerfrei geprüft worden ist. Der Hinweis darauf, dass der Wendeanlagentyp 5 gemäß EAE 85/95 einen Durchmesser von nur 16 m habe, die im Plan festgesetzte Wendeanlage aber 24 m breit sei, stellt diese Annahme schon deshalb nicht in Frage, weil die geplante Anlage nicht dem Wendeanlagentyp 5 gemäß EAE 85/95 entspricht; sie ist kein Wendekreis, sondern ein den örtlichen Gegebenheiten angepasster Wendehammer.
Rz. 5
2. Die Antragsteller rügen ferner eine mangelnde Sachaufklärung. Das Oberverwaltungsgericht habe – wie im Schriftsatz vom 8. August 2008 beantragt – ein Sachverständigengutachten zu der Frage einholen müssen, ob bei der Ausbildung eines Wendehammers, der für das Befahren eines dreiachsigen LKW geeignet sei, eine wesentlich größere Ausdehnung und Flächeninanspruchnahme erforderlich sei als bei einem Wendekreis gemäß Wendeanlagentyp 5 nach EAE 85/95.
Rz. 6
Damit ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Hierfür muss u.a. dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, entweder auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Denn die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen den Anforderungen nicht (stRspr; vgl. Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265). In der mündlichen Verhandlung haben die Antragsteller einen Beweisantrag nicht gestellt. Sie legen auch nicht dar, warum sich dem Oberverwaltungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen und wie innerhalb des Plangebiets ein Wendekreis hätte realisiert werden sollen.
Rz. 7
3. Die Antragsteller machen schließlich geltend, das Oberverwaltungsgericht sei verfahrensfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin die alternative Errichtung der Wendeanlage auf dem angrenzenden Feldgrundstück (Flurstück 186) in ihre Planung aufgenommen hatte; vielmehr habe die Antragsgegnerin von vornherein angenommen, dass eine Festsetzung der Wendeanlage auf diesem Grundstück nicht zulässig sei. Das Oberverwaltungsgericht habe insoweit einen falschen Akteninhalt zu Grunde gelegt.
Rz. 8
Die Verfahrensrüge, das Gericht habe den Sachverhalt “aktenwidrig” festgestellt, betrifft den Grundsatz der freien Beweiswürdigung und das Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffs (vgl. § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Sie erfordert den schlüssigen Vortrag, dass zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt ein Widerspruch gegeben sei. Der Widerspruch muss offensichtlich sein. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (Beschluss vom 2. November 1999 – BVerwG 4 BN 41.99 – UPR 2000, 226). Das Beschwerdevorbringen genügt den dargelegten Anforderungen nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass sich der Stadtrat der Antragsgegnerin bei der Abwägung mit dem Einwand der Antragsteller, dass alternative Standorte vorhanden seien, auseinandergesetzt habe. Die Antragsgegnerin habe hierbei jedoch berücksichtigt, dass die vorgeschlagene Wendeanlage auf dem benachbarten Feldgrundstück Flurstück 186 zu Lasten eines privaten Grundstücks außerhalb des Plangebiets realisiert werden müsste, obwohl dies durch den Bebauungsplan weder ein Baurecht erhalte noch durch den Kiesweg erschlossen werde; auch sei die vorgeschlagene alternative Lösung nicht kostengünstiger oder umweltschonender; es werde vielmehr eine weitere – zusätzliche – Außenbereichsfläche in Anspruch genommen (UA S. 20). Gestützt hat das Oberverwaltungsgericht diese Feststellungen auf II-2-2-4 und II-2-2-5 der Abwägungsentscheidung. Für ihre Auffassung, dass eine Abwägung insoweit nicht stattgefunden habe, sondern die Antragsgegnerin eine Festsetzung der Wendeanlage auf dem Flurstück 186 als von vornherein unzulässig angesehen habe, berufen sich die Antragsteller auf Nr. 9.4 der Planbegründung. Dort heißt es, die Errichtung der Wendeanlage außerhalb des Plangebiets auf dem Flurstück 186 komme “nicht in Betracht”, da es sich hier um ein privates Grundstück handele, welches durch den Bebauungsplan weder Baurecht erhalte noch auf eine Erschließung durch den Kiesweg angewiesen sei. Dass die Antragsgegnerin eine Erweiterung des Plangebiets und eine Festsetzung der Wendeanlage auf dem Flurstück 186 als von vornherein unzulässig angesehen hat, ergibt sich daraus nicht oder jedenfalls nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit. Die Antragsgegnerin dürfte insoweit lediglich das Ergebnis ihrer Abwägung zusammengefasst haben.
Rz. 9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Rubel, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen