Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstrechtliches Begleitgesetz. personelle Maßnahmen. Teilverlegung. Umsetzung. Verlagerung nach Berlin. Verlegungen von Verfassungsorganen, obersten Bundesbehörden und sonstigen Einrichtungen des Bundes. Wechsel des Dienstortes
Leitsatz (amtlich)
Das Dienstrechtliche Begleitgesetz ist auf die Nachbesetzung eines frei gewordenen Dienstpostens in Berlin, der dort schon vor dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 vorhanden war, auch dann nicht anwendbar, wenn auf diesen Dienstposten ein zuvor nicht in Berlin verwendeter Bundesbeamter umgesetzt wird.
Normenkette
Berlin/Bonn-Gesetz § 1 Abs. 2 Nr. 7, § 8; Dienstrechtliches Begleitgesetz § 1
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist als Berufssoldat (Hauptbootsmann) beim Bundesnachrichtendienst tätig und war zuletzt in Madrid eingesetzt. Mit Wirkung vom 18. Oktober 1999 wurde er auf einen Dienstposten in Berlin umgesetzt.
Im Zusammenhang mit der Finanzierung eines Hauskaufs bat der Kläger schriftlich um die Bestätigung, dass das Dienstrechtliche Begleitgesetz auf ihn Anwendung finde. Die Beklagte lehnte diese Bestätigung mit der Begründung ab, der Kläger sei auf einen Dienstposten umgesetzt worden, der sich bereits seit Jahren in Berlin befinde. Die Umsetzung stehe in keinem kausalen Zusammenhang mit der teilweisen Verlagerung des Bundesnachrichtendienstes nach Berlin.
Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus: Für die Anwendung des Dienstrechtlichen Begleitgesetzes sei nicht erforderlich, dass er einen von München nach Berlin verlagerten Dienstposten besetze. Es genüge, innerhalb einer Einrichtung des Bundes nach Berlin umgesetzt zu werden, die im Zusammenhang mit der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes nach Berlin umziehe. Eine engere Auslegung würde zu unbilligen Ergebnissen führen, weil es keinen sachlichen Grund gebe, Mitarbeiter, die nach Berlin umgesetzt würden, unterschiedlich zu behandeln je nachdem, ob sich ihr Dienstposten bereits vorher in Berlin befunden habe oder erst jetzt verlagert worden sei. Nur durch die weite Auslegung könne auch eine Umgehung des Gesetzes verhindert werden, indem Beamte aus München zunächst in die Berliner Abteilung I und erst von dort aus in weitere Abteilungen des Bundesnachrichtendienstes umgesetzt würden.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 14. Juni 1999 und vom 9. März 2000 aufzuheben und festzustellen, dass das Dienstrechtliche Begleitgesetz auf seine Umsetzung von Madrid nach Berlin anwendbar ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erwidert: Die Außenstelle, zu der der Kläger versetzt worden sei, befinde sich seit 1968 in Berlin. Die Teilverlegung des Bundesnachrichtendienstes von Pullach nach Berlin beruhe auf der vom Bundeskanzler am 17. Dezember 1998 geäußerten Überzeugung, dass der Bundesnachrichtendienst am Regierungssitz stärker vertreten sein müsse, als dies in Bonn der Fall gewesen sei.
Der Oberbundesanwalt beteiligt sich am Verfahren. Er hält die Klage mangels Rechtschutzbedürfnisses für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und die in der mündlichen Verhandlung übergebenen Unterlagen, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage, über die gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, ist zulässig. Die beantragte Feststellung, das Dienstrechtliche Begleitgesetz sei auf die Umsetzung des Klägers von Madrid nach Berlin anzuwenden, ist nach § 43 Abs. 1 VwGO (erste Alternative) statthaft. Die Klage ist auf die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses im Sinne dieser Vorschrift gerichtet. Die Beteiligten streiten über die Bedeutung und Tragweite einer Norm des öffentlichen Rechts und deren Anwendung auf einen konkreten Sachverhalt (vgl. u.a. Urteil vom 26. Januar 1996 – BVerwG 8 C 19.94 – BVerwGE 100, 262 ≪265≫ m.w.N.; stRspr).
Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO). Es ergibt sich daraus, dass die von ihm begehrte Familienheimförderung des Bundes nach den „Sonderregelungen” für Umzüge aufgrund des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands nur sog. „Umzugsbetroffenen” gewährt wird. Umzugsbetroffen im Sinne der besonderen Förderungsbestimmungen sind jedenfalls diejenigen, auf die das Dienstrechtliche Begleitgesetz Anwendung findet. Dies ist für die Familienheimförderung bedeutsam, wenn die Umzugsbetroffenheit des Förderungsbewerbers für die Bewilligungsbehörde nicht sonstwie eindeutig erkennbar ist. Das trifft insbesondere dann zu, wenn nicht seine gesamte Behörde verlegt wird. Die Anwendung des Dienstlichen Begleitgesetzes auf den Förderungsbewerber durch dessen Dienststelle belegt für die Bewilligungsstelle seine Eigenschaft als Umzugsbetroffener. Sie ist im Zweifelsfall ausschlaggebend für seine Einbeziehung in den Kreis der nach den Sonderregelungen Förderungsberechtigten. Diese tatsächliche Handhabung der Förderungsrichtlinien durch die Bewilligungsbehörden bestätigt der vom Oberbundesanwalt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat überreichte Vermerk des zuständigen Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 18. Januar 2001. Die Umzugsbetroffenheit des Klägers ist zweifelhaft. Die begehrte gerichtliche Feststellung würde die Zweifel beseitigen und seine rechtliche Situation in Bezug auf die erstrebte Familienheimförderung verbessern. Ein rechtsschutzwürdiges Interesse daran kann ihm nicht abgesprochen werden.
Der Kläger kann auch nicht wegen der Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) darauf verwiesen werden, Leistungs(Verpflichtungs-)klage auf Erteilung einer Bescheinigung des Dienstherrn, er sei „Umzugsbetroffener”, oder auf Gewährung von Familienheimförderung für Umzugsbetroffene zu erheben. Die in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO angeordnete Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage greift bei gegen den Staat gerichteten Klagen nur dort ein, wo andernfalls die für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden besonderen Vorschriften über Fristen und Vorverfahren unterlaufen würden (vgl. u.a. Urteile vom 6. Juli 1994 – BVerwG 11 C 12.93 – Buchholz 310 § 40 VwGO Nr. 271 S. 12 und vom 29. April 1997 – BVerwG 1 C 2.95 – Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 127 S. 9, jeweils m.w.N.; stRspr). Das ist hier nicht der Fall.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Das „Dienstrechtliche Begleitgesetz im Zusammenhang mit dem Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands (Dienstrechtliches Begleitgesetz – DBeglG)” (BGBl I S. 1183) ist auf die Umsetzung des Klägers von Madrid nach Berlin nicht anwendbar.
§ 1 des Gesetzes lautet:
Anwendungsbereich
Dieses Gesetz trifft Regelungen im Zusammenhang mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands. Es gilt für alle personellen Maßnahmen, die in bezug zu Verlegungen von Verfassungsorganen, obersten Bundesbehörden und sonstigen Einrichtungen des Bundes stehen, die
- im Zusammenhang mit der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes von Bonn nach Berlin oder
- als Ausgleich für die Region Bonn oder
- entsprechend den Vorschlägen der Föderalismuskommission
erfolgen.
Die Anwendung des Gesetzes setzt einen zweifachen Bezug der dienstrechtlichen Maßnahme voraus. Zum einen muss diese Maßnahme einen Bezug zur Verlegung einer Behörde oder sonstigen Einrichtung des Bundes aufweisen. Dieser Bezug ist nur dann gegeben, wenn der Dienstposten, der Gegenstand der Personalmaßnahme ist, von der Verlegung der Behörde oder Einrichtung betroffen ist und an ihr teilnimmt. Zum anderen muss die Verlegung der Behörde oder Einrichtung im Zusammenhang mit der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes von Bonn nach Berlin stehen oder dem Ausgleich für die Region Bonn dienen oder den Vorschlägen der Föderalismuskommission entsprechen. Fehlt es an einem der beiden Bezüge, so ist das Dienstrechtliche Begleitgesetz auf die Maßnahme nicht anwendbar.
Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestätigt dies. Ausgangspunkt ist der in der Gesetzesbezeichnung genannte Beschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991, dass sein Sitz Berlin sei. Der Beschluss der vom Deutschen Bundestag angeregten Unabhängigen Föderalismuskommission vom 27. Mai 1992 sieht die Verlagerung von Bundesinstitutionen in die neuen Länder und nach Bonn vor; die Verlagerung von Bundeseinrichtungen nach Berlin betrifft er nicht. Auch das jedenfalls teilweise der Umsetzung des Beschlusses des Bundestages dienende Berlin/Bonn-Gesetz vom 26. April 1994 (BGBl I S. 918) bestimmt, wie es in der Präambel heißt, Grundsätze für die Verlagerung der Verfassungsorgane Bundestag und Bundesregierung in die Bundeshauptstadt Berlin und enthält insbesondere die Maßgabe, entstehende Nachteile für die betroffenen Mitarbeiter auszugleichen, soweit dies erforderlich und angemessen ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 7). § 8 (Dienstrechtliche Maßnahmen) sieht vor, dass „für die von diesem Gesetz betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesverwaltung … dienstrechtliche oder sonstige Regelungen getroffen (werden), die sowohl der Funktionsfähigkeit der Verfassungsorgane und der sonstigen betroffenen Bundeseinrichtungen Rechnung tragen als auch einen Ausgleich von verlagerungsbedingten Belastungen, soweit dies erforderlich und angemessen ist, schaffen sollen”. Nach § 8 Abs. 2 werden hierzu erforderliche gesetzliche Regelungen „außerhalb dieses Gesetzes” getroffen. Das zu diesem Zweck erlassene Dienstrechtliche Begleitgesetz findet nach der Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/2377 S. 5) „Anwendung auf die Verlegung von Behörden im Zusammenhang mit dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991. Es gilt für die Verlegung von Verfassungsorganen, obersten Bundesbehörden und sonstigen Einrichtungen des Bundes, die im Zusammenhang mit der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes von Bonn nach Berlin oder als Ausgleich für die Region Bonn oder entsprechend den Vorschlägen der Föderalismuskommission erfolgen.” Zu § 1 heißt es, die Vorschrift stelle klar, dass die dienstrechtlichen Regelungen dieses Gesetzes nicht nur die von der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes von Bonn nach Berlin betroffenen Verfassungsorgane, obersten Bundesbehörden und sonstigen Einrichtungen betreffen, sondern auch die, die zum Ausgleich für die Region Bonn verlegt werden oder deren Verlegung zur Vollendung der Einheit Deutschlands entsprechend den Vorschlägen der Föderalismuskommission erfolgt. Es fehlt jeglicher Anhalt für die Annahme, das Dienstrechtliche Begleitgesetz solle sich auch auf Maßnahmen beziehen, die weder einen Bezug zu einer Behördenverlegung noch zur Verlegung des Sitzes der Bundesregierung aufweisen.
Die Umsetzung des Klägers von Madrid nach Berlin fällt danach nicht unter das Dienstrechtliche Begleitgesetz. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Verlegung eines Teiles des Bundesnachrichtendienstes von Pullach nach Berlin den vom Gesetz geforderten Zusammenhang mit der Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes aufweist. Der schwerpunktmäßig in Pullach ansässige Bundesnachrichtendienst befand sich bisher nicht in räumlicher Nähe der Bundesregierung. Wenn dies nach der Anordnung des Bundeskanzlers künftig in verstärktem Maße der Fall sein soll, so beruht diese organisatorische Entscheidung jedenfalls nicht unmittelbar auf der Verlegung des Sitzes der Bundesregierung von Bonn nach Berlin.
Ob damit von vornherein die Anwendung des Dienstrechtlichen Begleitgesetzes auf Maßnahmen ausscheidet, die Angehörige des Bundesnachrichtendienstes betreffen, kann offen bleiben, weil es im Falle des Klägers jedenfalls an der weiteren gesetzlichen Voraussetzung fehlt, dass die Maßnahme einen Bezug zur Verlegung des Bundesnachrichtendienstes haben muss. Der Dienstposten, auf den der Kläger umgesetzt worden ist, wurde nicht im Zuge der teilweisen Verlegung des Bundesnachrichtendienstes von Pullach nach Berlin verlagert. Dieser gegenwärtig unter der Dienstpostennummer … geführte und mit A8 – 9m bewertete Dienstposten befand sich bereits vor der Verlegung in Berlin. Er ist vakant geworden und war dort nachzubesetzen. Die Außenstelle der Abteilung, zu der der Kläger umgesetzt worden ist, hat bereits seit 1968 ihren Dienstsitz in Berlin.
Unerheblich ist, ob der Kläger auf dem Dienstposten, den er in Berlin besetzt, auch mit Aufgaben betraut ist, die mit der teilweisen Verlegung des Bundesnachrichtendienstes nach Berlin zusammenhängen und ob es andere Dienstposten mit vergleichbarem Aufgabenbereich gibt, die erst nach der Verlegung eingerichtet worden sind. Auf den Inhalt der konkreten Tätigkeit am neuen Dienstort stellt das Gesetz nicht ab. Andernfalls könnten auch solche Beamte die Anwendbarkeit des Gesetzes fordern, die ohne Wechsel des Dienstortes mit verlegungsbezogenen Aufgaben betraut werden. Der im Gesetz geforderte Zusammenhang der Maßnahme mit der Verlegung der Behörde oder Einrichtung kann sich nicht aus dem Inhalt der Tätigkeit ergeben, sondern nur aus dem „verlagerungsbedingten” Ortswechsel (vgl. § 8 Berlin/Bonn-Gesetz). Entscheidend ist allein, ob die von dem Beamten besetzte Stelle im organisatorischen Sinne selbst an der Verlagerung der Dienststelle teilgenommen hat oder nicht. Bis zur Grenze eines Missbrauchs organisatorischer Gestaltungsmöglichkeiten ist die Beklagte nicht verpflichtet, den Kläger ebenso zu behandeln wie andere Bedienstete, die nach dem Wechsel des Dienstortes einen von Pullach nach Berlin verlagerten Dienstposten einnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.01.2001 durch Grubert Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 600490 |
NVwZ 2001, 928 |
ZTR 2001, 286 |
DÖD 2001, 172 |
DÖV 2001, 876 |
RiA 2002, 195 |