Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Richtlinien 78/686/EWG und 78/687/EWG. Zahnärzte
Beteiligte
Kommission der Europäischen Gemeinschaften |
Tenor
Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 und 19b der Richtlinie 78/686/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr in der Fassung der Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 und aus Artikel 1 der Richtlinie 78/687/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Zahnarztes in der Fassung der Richtlinie 2001/19 verstoßen, indem sie den österreichischen Dentisten in den §§ 4 Absatz 3 und 6 des Dentistengesetzes die Möglichkeit eröffnet,
- unter der Bezeichnung “Zahnarzt” bzw. “Zahnarzt (Dentist)” ihre Tätigkeit auszuüben sowie
- die Ausnahmeregelung des Artikels 19b der Richtlinie 78/686 in Anspruch zu nehmen,
obwohl sie nicht die Mindestvoraussetzungen des Artikels 1 der Richtlinie 78/687 erfüllen, um unter die Regelungen dieser Richtlinien zu fallen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Republik Österreich und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 16. Oktober 2003,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Schmidt und C. Tufvesson sowie durch A. Manville als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Schiemann (Berichterstatter), der Richterin N. Colneric sowie der Richter K. Lenaerts und E. Juhász,
Generalanwalt: A. Tizzano,
Kanzler: R. Grass,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. März 2005
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass
– die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 und 19b der Richtlinie 78/686/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 für die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes und für Maßnahmen zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des Niederlassungsrechts und des Rechts auf freien Dienstleistungsverkehr (ABl. L 233, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 (ABl. L 206, S. 1; im Folgenden: Anerkennungsrichtlinie) und aus Artikel 1 der Richtlinie 78/687/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Zahnarztes (ABl. L 233, S. 10) in der Fassung der Richtlinie 2001/19 (im Folgenden: Koordinierungsrichtlinie) verstoßen hat, indem sie den österreichischen Dentisten in den §§ 6 und 4 Absatz 3 des Dentistengesetzes (BGBl. 90/1949) die Möglichkeit eröffnet, unter der Bezeichnung “Zahnarzt” bzw. “Zahnarzt (Dentist)” ihre Tätigkeit auszuüben sowie die Ausnahmeregelung des Artikels 19b der Koordinierungsrichtlinie in Anspruch zu nehmen, obwohl die Dentisten nicht die Mindestvoraussetzungen des Artikels 1 der Anerkennungsrichtlinie erfüllen, um unter die Regelungen der Anerkennungs- und der Koordinierungsrichtlinie zu fallen;
– die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 1 und 19b der Anerkennungsrichtlinie verstoßen hat, indem sie, gemäß §§ 17 und 23 des Ärztegesetzes vom 10. November 1998 (BGBl. I 169/1998) den österreichischen “Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde” erlaubt, unter Verstoß gegen Artikel 19b der Anerkennungsrichtlinie weiterhin unter dieser Bezeichnung ihre Tätigkeit auszuüben, und eine Gleichstellung jener Fachärzte mit den Zahnärzten insoweit fehlt, dass die Fachärzte berechtigt sind, ihre Tätigkeiten unter denselben Bedingungen auszuüben wie die Inhaber der Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstigen Befähigungsnachweise gemäß Anhang A dieser Richtlinie (Zahnärzte).
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Allgemeine Vorschriften
2 Die Anerkennungs- und die Koordinierungsrichtlinie wurden u. a. auf der Grundlage der Bestimmungen des EG-Vertrags erlassen, die darauf abzielen, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu verwirklichen und die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs aufzuheben.
3 Ziel der erstgenannten Richtlinie ist ihrer vierten Begründungserwägung zufolge die Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise des Zahnarztes, die den Zugang zur zahnärztlichen Tätigkeit e...