Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzneimitteleigenschaft eines Mittels zur Behandlung von Verdauungsbeschwerden infolge Lactose-Intoleranz
Leitsatz (amtlich)
Ein zur Verhütung und Linderung von durch Fructose-Malabsorbtion bedingten Verdauungsbeschwerden bestimmtes Mittel mit dem Enzym ..., welches dafür sorgt, dass die Fructose im Dünndarm in gut resorbierbare Glucose umgewandelt wird, ist kein zulassungspflichtiges Funktionsarzneimittel.
Normenkette
AMG § 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.06.2017; Aktenzeichen 2-6 O 77/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.06.2017 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Der Kläger betreibt mehrere Apotheken im ...-Gebiet, u.a. die A-Apotheke im X-Zentrum. Die Beklagte vertreibt über Apotheken das Produkt "Marke1". Es enthält den Wirkstoff "...". Auf der Produktverpackung sowie in der Packungsbeilage und auf den Internetseiten der Beklagten ist das Produkt mit der Aussage "Zur Verhütung/Linderung von durch Fruktosemalabsorption bedingte Verdauungsbeschwerden" als Medizinprodukt gekennzeichnet.
Der Kläger ist der Auffassung, bei dem Produkt handele es sich um ein Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG, da es auf den menschlichen Metabolismus einwirke. Er verlangt deshalb von der Beklagten, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, das Produkt "Marke1" in den Verkehr zu bringen oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne dass dieses als Arzneimittel zugelassen ist und darüber hinaus das Produkt "Marke1" mit der Aussage "Zur Verhütung/Linderung von durch Fruktosemalabsorption bedingte Verdauungsbeschwerden" in den Verkehr zu bringen oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne dass dieses als Arzneimittel zugelassen ist.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es liege kein Funktionsarzneimittel vor, weil physiologische Funktionen des Körpers nicht beeinflusst würden. Ebenso wenig liege kein Präsentationsarzneimittel vor, da das Produkt ausdrücklich als Medizinprodukt gekennzeichnet sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
Der Kläger ist der Auffassung, es handele sich um ein Funktionsarzneimittel, weil das Produkt metabolisch wirke. Auch die Einordnung als Präsentationsarzneimittel könne nicht verneint werden, weil das Produkt wie ein Arzneimittel aufgemacht sei. Dies zeige sich auch darin, dass das Produkt laut Beipackzettel verabreicht werde.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,- EUR, falls dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstecken an ihrem Geschäftsführer, zu verurteilen,
das Produkt "Marke1" in den Verkehr zu bringen oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne dass dieses als Arzneimittel zugelassen ist
und/oder
das Produkt "Marke1" mit der Aussage "Zur Verhütung/Linderung von durch Fruktose-Malabsorption bedingte Verdauungsbeschwerden" in den Verkehr zu bringen oder in den Verkehr bringen zu lassen, ohne dass dieses als Arzneimittel zugelassen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Die von dem Kläger geltend gemachten Unterlassungsansprüche bestehen nicht, weil es sich bei dem von der Beklagten vertriebenen Produkt "Marke1" nicht um ein Arzneimittel gemäß § 2 AMG handelt, das der Zulassungspflicht nach § 21 AMG unterläge, weshalb es an einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß § 3a UWG fehlt.
"Marke1" ist nicht als Funktionsarzneimittel einzustufen. Dabei ist entgegen der Auffassung des Landgerichts davon auszugehen, dass "Marke1" die physiologischen Funktionen des Körpers beeinflusst, nicht jedoch durch eine metabolische Wirkung. Insoweit kann auf die Ausführungen des Senats im Eilverfahren (...) Bezug genommen werden, wo es heißt:
"Nach Art. 1 Nr. 2 b) der Richtlinie 2001/83/ EG sind Funktionsarzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verabreicht werden, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch ...