Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezeichnung eines Autors als "Antisemit" als nicht rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.08.2021; Aktenzeichen 2-03 O 372/20) |
Tenor
Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.
Die Berufung gegen das am 26.08.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 3. Zivilkammer, wird zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 1) 5/8 und der Kläger zu 2) 3/8 zu tragen. Im Hinblick auf die außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben von der Verfahrensgebühr die Klägerin zu 1) 5/8 und der Kläger zu 2) 3/8 zu tragen, die Terminsgebühr hat der Kläger zu 2) zu tragen. Im Übrigen haben die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000,00 EUR festgesetzt, davon 25.000,00 EUR hinsichtlich der Berufung der Klägerin zu 1) und 15.000,00 EUR hinsichtlich der Berufung des Klägers zu 2).
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Unterlassung von Äußerungen in einem Presseartikel und auf Anwaltskostenersatz in Anspruch.
Die Klägerin zu 1) ist Journalistin. Sie war als Beruf2 und Beruf3 bei der Nachrichtensendung1 tätig. Mittlerweile lebt sie mit ihrem (...), dem Kläger zu 2) - jetzt dem alleinigen Kläger -, (in) (...).
Der Kläger ist für die Organisation "X" mit Sitz in Stadt1 tätig, die deutschsprachige Seminarreisen nach (...) anbietet. Bestandteil der Veranstaltungen sind Informationen zu einer möglichen Auswanderung nach (...). Die Klägerin zu 1) ist Medienbeirätin der X.
Die Beklagte ist für die Internetseite www.(...).de verantwortlich. Dort erschien am XX.XX.2020 der (...)-Artikel (...) von Y (Anlage K1, Bl. 23 ff.).
Die Kläger ließen die Beklagte wegen diverser Äußerungen in diesem Artikel mit Anwaltsschreiben vom 11.09.2021 erfolglos abmahnen.
Einen Eilantrag gegen die Z GmbH & Co. KG haben die Kläger nach gerichtlichem Hinweis auf deren fehlende Passivlegitimation zurückgenommen (Az. 2-34 O 75/20).
In erster Instanz waren insgesamt vier Äußerungen in dem Artikel hinsichtlich beider Kläger und vier weitere Äußerungen nur hinsichtlich des Klägers zu 2) streitgegenständlich.
Unter anderem begehrte der Kläger zu 2) Unterlassung der folgenden Äußerung, die als einzige noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist:
"Wie jeder ordentliche Antisemit verweist er jedoch stets darauf, dass er viele jüdische Freunde habe. W leugnet zwar nicht explizit den Holocaust, den Begriff vermeidet er aber. Lieber spricht er verharmlosend von den 'ethnischen Grausamkeiten gegen die jüdische Bevölkerung' in der NS-Zeit."
Hinsichtlich der weiteren nur in erster Instanz streitgegenständlichen Äußerungen sowie der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage vollständig abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass den Klägern kein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und damit auch kein Anspruch auf Abmahnkostenersatz zustehe.
(Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wird abgesehen - die Red.)
II. Die zulässige, insbesondere statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger keinen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der hier noch im Streit stehenden Äußerung gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG gegen die Beklagte geltend machen kann.
Zwar greift die Äußerung "W leugnet zwar nicht explizit den Holocaust, den Begriff vermeidet er aber. Lieber spricht er verharmlosend von den 'ethnischen Grausamkeiten gegen die jüdische Bevölkerung in der NS-Zeit'." in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht ein, jedoch ist dieser Eingriff nicht rechtswidrig.
1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger in der streitgegenständlichen Passage nicht als Holocaustleugner bezeichnet wird, sondern ihm vorgeworfen wird, diesen Begriff zu vermeiden, indem er ihn verharmlosend mit "ethnischen Grausamkeiten gegen die jüdische Bevölkerung in der NS-Zeit" umschreibt.
Hinsichtlich der einzelnen Äußerung kommt es für die zutreffende Einordnung darauf an, den Sinngehalt der Äußerung zu ermitteln. Hierzu hat der Bundesgerichtshof unter anderem ausgeführt (BGH, Urteil vom 10. Januar 2017 - VI ZR 561/15 -, juris Rn. 11):
"Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Ziel der Deutung ist stets, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingeno...