Leitsatz (amtlich)

a) Wird einem Gesellschafter die Teilnahme an einer in der allgemeinen Urlaubszeit anberaumten Gesellschafterversammlung, in der ihn persönlich betreffende Beschlüsse gefasst werden sollen, unmöglich gemacht oder erschwert und sein urlaubsbedingter Wunsch um Terminsverlegung ohne anerkennenswerten Grund ignoriert, ist den dort gefassten Beschlüssen die Anerkennung zu versagen.

b) Der Umstand, dass der Arbeitnehmeranstellungsvertrag eines bei einer GmbH & Co KG beschäftigen Gesellschafters wegen Verletzung der ihm ggü. der Geschäftsleitung obliegenden Loyalitätspflicht gekündigt wurde, führt nicht ohne Weiteres dazu, dass der betreffende Gesellschafter als Geschäftsführer für die Gesellschaft untragbar ist.

c) In einer aus Gesellschaftern zweier Familienstämme bestehenden GmbH & Co KG setzt ein sachlicher Grund für die Abberufung des von einem Stamm benannten Geschäftsführers nach § 38 Abs. 1 GmbHG wegen "tiefgreifender Zerwürfnisse" mit den Gesellschaftern seines Stammes nicht voraus, dass die Differenzen ihre Ursachen im Geschäftsverhältnisse der GmbH & Co KG haben. Es genügt ein Vertrauensschwund, der auf schwer wiegenden Verstößen des Geschäftsführers gegen die Satzung einer Stimmbindungs-GbR beruht, in der sich die Mitglieder seines Familienstammes zur gemeinsamen Rechtswahrung zusammengeschlossen haben.

d) Eine Verurteilung zu künftiger Stimmabgabe (§ 259 ZPO) aufgrund einer Stimmbindungsvereinbarung ist nur möglich, wenn im Klageantrag auf konkrete Beschlussfassungen Bezug genommen wird und das Gericht beurteilen kann, ob die beabsichtigten Beschlüsse rechtmäßig sind.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen 3 O 281/04)

 

Tenor

Auf die Erstberufung der Beklagten wird das am 29.6.2005 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - Az. 3 O 281/04 - unter Ziff. 6 des Urteilsausspruchs dahin abgeändert, dass der dortige Feststellungsausspruch entfällt und die Klage auch insoweit abgewiesen wird.

Im Übrigen verbleibt es bei der landgerichtlichen Entscheidung .

Die weiter gehende Erstberufung der Beklagten und die Zweitberufung des Klägers werden zurückgewiesen .

Die Kosten des Rechtsstreits fallen zu 23 % dem Kläger und zu 77 % der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer übersteigt sowohl für den Kläger als auch für die Beklagte 20.000 EUR.

 

Gründe

A. Der Kläger begehrt als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Feststellung der Nichtigkeit von Beschlüssen, die in Gesellschafterversammlungen gefasst wurden. Die Beklagte, bei der es sich ebenfalls um eine Gesellschafterin und die Geschäftsführerin der GbR handelt, nimmt den Kläger widerklagend auf künftige einheitliche Ausübung des Stimmrechts entsprechend einer Stimmbindungsvereinbarung in Anspruch, der sich die Gesellschafter der GbR unterworfen haben. Dem liegt im Einzelnen folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien sind Geschwister. Der Kläger ist einer von drei Söhnen, die Beklagte ist die Tochter des im März 2003 verstorbenen A.A. Der Kläger und die Beklagte sind Gesellschafter der A.A. und Nachfolger GdbR mit Sitz in D. (im Folgenden GbR). Der Kläger, die Beklagte sowie deren Geschwister M., T. und M1 A. halten jeweils 20 % der Geschäftsanteile der GbR. Zweck der GbR ist es, den Einfluss des Familienstammes A.A. in der Gebr. A. GmbH & Co KG (nachfolgend KG) und in deren Komplementär - GmbH, der Gebr. A. Geschäftsführungs mbH (GmbH), durch einheitliche Wahrnehmung der Gesellschafterrechte in wesentlichen Fragen sicherzustellen. Nach § 11 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages der GbR sind die Gesellschafter verpflichtet, in Gesellschafterversammlungen der GmbH so abzustimmen, wie dies zuvor in Gesellschafterversammlungen der GbR mit in der Satzung festgelegten qualifizierten Mehrheiten beschlossen wurde.

Die Gesellschafter der GbR sind zu jeweils 10 % Anteilseigner der KG und der GmbH. Die restlichen 50 % halten die Mitglieder des Familienstammes J1 A. Nach § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages der GmbH hat jeder Stamm das Recht, einen Geschäftsführer zu benennen. § 6 Abs. 3 bestimmt, dass zur Bestellung von Geschäftsführern alle zur Abstimmung berechtigten Stimmen erforderlich sind.

Der Kläger ist neben M2 A. vom Stamm J1 A. Geschäftsführer der GmbH.

Ende 2002 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kläger und den Mitgesellschaftern seines Familienstammes. Diese entzündeten sich daran, dass der Kläger und der Mitgeschäftsführer M2 A. den Anstellungsvertrag des Bruders des Klägers, T.A., der als Abteilungsleiter in der KG tätig war, mit Schreiben vom 21.12.2002 fristlos kündigten. Der Kläger hatte die Kündigung...

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