1 Neues Grundsatzurteil
In diesem Urteil hat sich der BGH erstmals seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes mit der Frage beschäftigt, ob die Regelung des § 314 Abs.2 BGB auch für eine außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers einer Gesellschaft gilt. Diese Frage hat auch Bedeutung im Vereinsrecht und zwar für Vorstände und Geschäftsführer, die hauptamtlich im Verein und Verband arbeiten.
2 Worum geht es in § 314 BGB?
- § 314 BGB betrifft die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen (z. B. damit auch Arbeits- und Dienstverträge) aus wichtigem Grund (= fristlose Kündigung).
- Nach Absatz 2 ist eine solche Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe des fehlerhaften Verhaltens bestimmten Frist oder nach erfolgter Abmahnung zulässig.
- Dies gilt ausdrücklich auch für den Fall, dass eine Vertragspartei ein Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund kündigen will und der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht.
Ohne vorherige Abmahnung ist eine fristlose (!) Kündigung eines Arbeits- oder Dienstvertrages grundsätzlich nicht möglich.
3 Kernfrage: Gilt dieser Grundsatz auch für den Vorstand eines Vereins?
- Der BGH hat betont, dass ein Geschäftsführer einer GmbH nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft ist, sondern er eine besondere organschaftliche Aufgabe wahrzunehmen hat. Ihm obliegen Leitungsaufgaben, in deren Rahmen er für die Ordnungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Gesellschaft und der für diese handelnden Personen nach außen die Verantwortung trägt und im Innenverhältnis die Arbeitgeberfunktion ausübt. Dieser Aufgabe und Funktion entsprechend versteht es sich nach Auffassung des Gerichtes von selbst, dass sich der Geschäftsführer an die Gesetze, die Satzung und die in seinem individuellen Vertrag vereinbarten Pflichten hält.
- In dieser Beschreibung der Stellung eines Geschäftsführers (und damit übertragen eines Vorstands nach § 26 BGB) sieht der BGH einen besonderen Umstand, der die Ausnahmevorschrift nach § 323 Abs.2 Nr.3 BGB zur Anwendung kommen lässt: § 314 Abs.2 BGB gilt danach nicht, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen.
- Daher lautet die Entscheidung des BGH: Auch vor dem Hintergrund des neuen § 314 Abs.2 BGB bedarf es vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung des Dienstverhältnisses mit einem organschaftlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft keiner Abmahnung.
4 Bedeutung für die Praxis?
Organschaftliche Vertreter von Gesellschaften unterliegen damit dem besonderen Risiko, bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auch ohne vorherige Abmahnung eine wirksame (fristlose) Kündigung zu erhalten.
5 Anwendung auf Besondere Vertreter nach § 30 BGB?
Im Vereinsrecht stellt sich die Frage, ob die o. g. Grundsätze des BGH auf den Besonderen Vertreter nach § 30 BGB anzuwenden sind. Häufig befinden sich gerade hauptamtliche Geschäftsführer nicht im Vorstand nach § 26 BGB (was denkbar wäre), sondern fungieren als Besondere Vertreter und sind damit auch in einer organschaftlichen Leitungsfunktion des Vereins.
Die oben dargestellte Rechtsprechung und die grundsätzlichen Feststellungen des BGH sind im Einzelfall entsprechend auch auf die Besonderen Vertreter anzuwenden, wenn dieser nach der Ausgestaltung der Satzung und des Vertrages mit dem Verein entsprechende Aufgaben – wie oben vom BGH beschrieben – wahrzunehmen hat.
Fundstellen
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Bundesgerichtshof, Urteil v. 2.07.2007, Az.: II ZR 71/06 |