1 Der Fall
Ein Verein klagte gegen seinen ehemaligen Vorsitzenden und Schatzmeister auf Schadensersatz, da bei einer späteren Prüfung durch den Verein festgestellt wurde, dass ein Fehlbestand von ca. 14.500 Euro in der Kasse vorlag und keine Belege und Unterlagen vorhanden waren.
Der Verein hatte allerdings dem Vorsitzenden Entlastung erteilt und die Kassenprüfer hatten die Kassenführung als "gewissenhaft und übersichtlich" bezeichnet. Durch Freistellungsbescheid wurde dem Verein für 2001 bis 2003 die Gemeinnützigkeit erteilt. In den Erläuterungen war angemerkt, dass die Einnahmen und Ausgaben zukünftig detailliert aufzuschlüsseln sind. Eine spätere Prüfung durch das FA brachte Ungereimtheiten und den Fehlbestand ans Licht.
Der Vorstand hatte die Buchungsunterlagen für die Jahre 1995 bis 2000 (14 Ordner) nicht an den Verein herausgegeben.
Das Landgericht hatte in der 1. Instanz die Klage abgewiesen, der Verein ging mit Erfolg in die Berufung. Der Rechtsstreit wurde vom OLG an das LG zurückverwiesen, da die Sache nicht entscheidungsreif war. Das OLG hat sich jedoch grundsätzlich zu den rechtlichen Fragen des Verfahrens geäußert, sodass das Urteil für die vereinsrechtliche Praxis sehr interessant ist.
2 Das Urteil
1. Schadensersatzanspruch des Vereins auf Erstattung des Fehlbestandes
Sollte der Fehlbestand zu Recht bestehen, hat der Verein gegen den ehemaligen Vorsitzenden einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Geschäftsführungspflichten (§§ 280 Abs. 1 i. V. m. 26, 27 Abs. 3 BGB).
Voraussetzung ist, dass der Verein die pflichtwidrige Amtsführung des Vorstands darlegen und beweisen kann. Die Voraussetzungen der Darlegungs- und Beweislast bei solchen Schadensersatzklagen hat der Bundesgerichtshof (BGH) grundsätzlich nach den gesetzlichen Regelungen des § 93 Abs. 2 AktG und § 34 Abs.2 S. 2 GenG für den Geschäftsführer einer GmbH entwickelt (Grundsatzurteil des BGH v. 4.11.2002, Az.: II ZR 224/00). Diese Grundsätze wendet die Rechtsprechung analog auf den Vorstand eines Vereins an, sodass jeder Vorstand damit vertraut sein sollte.
Grundsätze für die Darlegungs- und Beweislast nach § 93 Abs. 2 AktG gilt:
Der Verein muss
- Eintritt und Höhe des Schadens beweisen können.
- Ferner muss die schädigende Handlung des Vorstandsmitglieds und
- schließlich die Kausalität zwischen Handlung und Schaden bewiesen werden.
Das Vorstandsmitglied muss
- beweisen, dass es die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers angewandt hat (= fehlende Pflichtwidrigkeit)
- beweisen, dass ihn insoweit kein Verschulden tritt.
2. Wirkung der Entlastung?
Welche Wirkung hat dabei die Entlastung, die dem Vorstand durch den Verein bis 2005 erteilt worden war? Entfällt dadurch die Haftung des Vorsitzenden?
Der BGH hat bereits in seinem Urteil v. 14.12.1987 (Az.: II ZR 53/87) darauf hingewiesen, dass die Entlastung nicht ohne weiteres zur Haftungsfreistellung im Innenverhältnis führt.
Denn die Entlastung greift nur bei den Ansprüchen, die dem entlastenden Organ (in der Regel die Mitgliederversammlung) bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein konnten.
BGH: Ansprüche des Vereins gegen den Vorstand, die aus den Rechenschaftsberichten des Vorstandes und den der Mitgliederversammlung bei der Rechnungsprüfung unterbreiteten Unterlagen nicht oder in wesentlichen Punkten nur so unvollständig erkennbar sind, dass die Mitglieder die Tragweite der ihnen abverlangten Entlastungsentscheidung bei Anlegung eines lebensnahen vernünftigen Maßstabes nicht zu überblicken vermögen, werden von der Verzichtswirkung der Entlastung nicht erfasst.
Nach den Feststellungen des Gerichts waren von den eingeklagten ca. 14.500 Euro lediglich 620 Euro von der Entlastung nicht erfasst, für den restlichen Betrag hatte die Mitgliederversammlung trotz Kenntnis des Fehlbetrages in den Jahren jeweils Entlastung erteilt!
Im Verfahren hat der Verein die Kassenführung und die Belegpraxis des Vorsitzenden beanstandet und ihm vorgeworfen, Ausgaben nur mit allgemeinen Angaben belegt zu haben ("Unkostenerstattung", "Kostenerstattung", "allgemeine Kosten") und diese nicht hinreichend beschrieben und nachgewiesen zu haben. Dem hielt das Gericht entgegen, dass die Kassenprüfer diese Belegführung nicht beanstandet hätten.
- Bei kleinen Vereinen können nicht allzu hohe Maßstäbe an die Kassenführung gestellt werden.
- Eigenbelege müssen grundsätzlich als ausreichend angesehen werden, zumal dann, wenn dies der bisherigen Praxis des Vereins entspricht.
- Wenn der Vorstand eine Ausgabe getätigt hat, ohne diese belegt zu haben, liegt noch lang kein Schaden für den Verein vor. Dies wäre nur dann der Fall, wenn das Verhalten des Vorstands zu einem Schaden geführt hat.
3 Hinweise für den Vorstand
Das Urteil ist für die Arbeit eines Vorstands sehr lehrreich und zeigt deutlich die Anforderungen und Grenzen auf, vor allem, wenn es um die Fragen der Kassenführung geht. Interessant ist in diesem Urteil die Frage, wie genau und bestimmt die Belege aussehen müssen, vor allem dann, wenn es um die Ausgaben geht. Problematisch waren hier di...