1 Der Fall
Ein Bundesverband hatte auf einem außerordentlichen Verbandstag einen Landesverband mit sofortiger Wirkung ausgeschlossen. Grund war, dass der ausgeschlossenen Landesverband zusammen mit einem anderen Vorstandswahlen manipuliert haben soll. Über den Ausschluss war auf dem Verbandtag in offener Abstimmung abgestimmt worden. Gegen den Ausschluss klagte der Landesverband.
2 Das Urteil
Vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen unterliegen nur in bestimmten Grenzen der Kontrolle der staatlichen Gerichte. Grund ist, dass aufgrund der Vereinsautonomie (Art. 9 Abs.1 GG) ein Verein weitgehend frei ist, sein Innenleben zu gestalten. Dieser Maßstab verändert sich jedoch, wenn es sich – wie im vorliegenden Fall – um Maßnahmen eines sog. Monopolverbandes handelt. In diesen Fällen, wenn also die Maßnahme z. B. eines Vereinsausschlusses besonders gravierende Folgen haben kann, sind die Gerichte befugt, die Voraussetzungen für die Maßnahme umfassend zu prüfen.
Der vom Bundesverband gefasste Ausschließungsbeschluss war schon wegen diverser Verfahrensfehler unwirksam, da er nicht in satzungsgemäßer Weise zustande gekommen ist.
Antrag auf geheime Abstimmung
Ein Delegierter hatte Antrag auf geheime Abstimmung gestellt. In der Satzung des Bundesverbandes war geregelt, dass eine Abstimmung geheim durchzuführen ist, wenn die Beschlussfassung "personelle Angelegenheiten" betrifft, falls ein Mitglied dies verlangt.
Der Beschluss zum Ausschluss des Landesverbandes betraf nach Auffassung des Gerichts eine personelle Angelegenheit, da nach den Grundsätzen des Vereinsrechts alle Fragen, die das Mitgliedschaftsverhältnis betreffen, personenbezogene Fragen sind. Dies gilt auch bei Mitgliedern, die juristische Personen sind.
Stimmrechtsausschluss wegen Befangenheit?
Der Delegierte des ausgeschlossenen Landesverbandes war auch nicht wegen Befangenheit von seinem Stimmrecht ausgeschlossen. Die Satzung des Bundesverbandes enthielt dazu keine Regelung.
Nach § 34 BGB ist ein Mitglied nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft. In Betracht kam hier allenfalls die zweite Alternative, die jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht erfüllt war, da es im vorliegenden Fall allein um eine vereinsinterne mitgliedschaftliche Angelegenheit ging.
Die Aufzählung der Befangenheitsgründe in § 34 BGB ist abschließend, lässt aber dem Verein den Raum, in der Satzung weitere Ausschlussgründe beim Stimmrecht festzuschreiben, was hier jedoch nicht der Fall war.
Dieses Ergebnis des KG Berlin ist schwer verständlich und entspricht auch nicht der überwiegenden Meinung, die zu diesem Problem vertreten wird. Die überwiegende Meinung geht davon aus, dass ein Mitglied vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, wenn es um das "Richten in eigener Sache" geht.
Das Stimmverbot ergibt sich daraus, dass niemand mitstimmen darf, wenn es um die Billigung oder Missbilligung eigenen Verhaltens geht. Es gilt der Grundsatz, dass kein Mitglied durch seine Stimme in Maßnahmen des Vereins eingreifen soll, die sich aus wichtigem Grund gegen sich richten.
Lag ein wichtiger Grund für den Vereinausschluss vor?
Das Gericht vertrat die Auffassung, dass die zugrunde liegende Manipulation der Vorstandswahlen kein wichtiger Grund für einen Vereinsausschluss war.
Die Ausschließung aus einem Verein ist die einschneidenste Maßnahme, die ein Verein gegen ein Mitglied verhängen kann. Grundsätzlich darf die Ausschließung nur das letzte und äußerste Mittel sein. Sie kommt dann nicht in Frage, wenn andere gangbare Wege zur Beseitigung des Missstandes vorhanden sind. Dies war hier der Fall.
Die Manipulation der Wahlen war eine bislang einmalige Verfehlung, die auch nur den Vorstand des Landesverbandes betroffen hatte und allenfalls eine "Ausstrahlung" auf den Bundesverband hatte. Die Mitglieder des Landesverbandes hätten die Vorstandswahlen gerichtlich überprüfen lassen können, wenn sie mit dem Ergebnis nicht einverstanden waren.
Ein solches "vereinsinternes" Klärungs- und Reinigungsverfahren ist grundsätzlich vorrangig vor Sanktionen von Dritten, die außerhalb des Vereins stehen. Wenn die Mitglieder des Landesverbandes die Wahl vor Gericht erfolgreich beanstandet hätten, wäre der Streitpunkt geklärt und ein "ausstrahlender Makel" beseitigt worden.
Verhältnismäßigkeit gegeben?
Nach Auffassung des Gerichts war der Ausschluss auch unverhältnismäßig. Der Ausschluss betraf alle Mitglieder des Landesverbandes, d. h. auch diejenigen, die keinen Anteil an der Manipulation hatten.
3 Hinweise für den Vorstand
Dieses Verfahren zeigt einmal mehr, wie wichtig für einen Vorstand die Kenntnis der eigenen Satzung ist, vor allem dann, wenn es um die Vorbereitung von gravierenden Vereinsmaßnahmen, wie den Ausschluss eines Mitglieds geht. Bereits bei der Vorbereitung der Mitgliederversammlung und dann bei der Durchführung können erhebliche Verfahrens- und Formfehler unterlaufen, die vermeidbar wären.
Nicht jeder Verstoß gegen die Satzung ...