Einführung
Der BGH hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen gegen auffällig gewordene Zuschauer von Fußballspielen ein bundesweites Stadionverbot verhängt werden darf.
1 Der Fall
Am 25.3.2006 kam es bei einem Fußballspiel der 1. Bundesliga zwischen dem MSV Duisburg und dem FC Bayern München zu Ausschreitungen zwischen rivalisierenden Fan-Gruppen, bei denen die Polizei einschreiten musste. Mehrere Personen wurden verletzt und ein Auto beschädigt. Der spätere Kläger im Verfahren wurde durch die Polizei in Gewahrsam genommen.
Der gastgebende Verein sprach gegen den Kläger nach den Richtlinien des DFB ein bundesweites, befristetes Stadionverbot aus. Gegen den Kläger wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch eingeleitet, später aber wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO eingestellt. Der Verein hielt auch danach das Stadionverbot aufrecht.
Der Kläger behauptete, an den – angeblich nur kleineren – Auseinandersetzungen nicht beteiligt gewesen zu sein, sondern diese nur aus der Distanz gesehen zu haben, und klagte auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des verhängten Stadionverbots. Ohne Erfolg.
2 Das Urteil
- Der BGH geht davon aus, dass es sich bei einem Stadionverbot rechtlich gesehen um ein Hausverbot handelt, das seine zivilrechtliche Grundlage in einem Unterlassungsanspruch nach §§ 862 Abs.1 S. 2, 1004 Abs.1 S. 2 BGB hat. Der Eigentümer oder Besitzer eines Stadions darf grundsätzlich frei darüber entscheiden, wem er Zutritt gewährt oder nicht. Das gilt auch, wenn der Zutritt aufgrund eines Vertragsverhältnisses (Verkauf einer Eintrittskarte) mit dem Hausrechtsinhaber gewährt wird. Dabei darf nicht willkürlich gehandelt werden, es muss ein sachlicher Grund vorliegen.
- Ein solches Stadionverbot setzt danach voraus, dass eine künftige Störung zu besorgen ist. Konkret geht es darum, potenzielle Störer auszuschließen, die die Sicherheit und den reibungslosen Ablauf eines Spiels beeinträchtigen können. Der Veranstalter eines solches Spiels ist verpflichtet, alle Teilnehmer, vor allem die Zuschauer, vor Gefahren und Risiken zu schützen (Ausfluss aus der Verkehrssicherungspflicht).
- Ein sachlicher Grund für ein Stadionverbot liegt bereits dann vor, wenn aufgrund von objektiven Tatsachen, die Gefahr besteht, dass künftige Störungen durch die betreffende Person zu besorgen sind. Eine solche Gefahr wird regelmäßig dann bereits vermutet, wenn vorangegangene, rechtswidrige Beeinträchtigungen vorliegen. Bei der Annahme der Gefahr von Störungen sind dabei nach Auffassung des BGH keine erhöhten Anforderungen zu stellen.
- Zu beachten ist, dass keine Parallelen zum Strafrecht gezogen werden dürfen, da bei der Verhängung eines Stadionverbotes andere Maßstäbe anzuwenden sind. Im Strafrecht kann nur der bestraft werden, der überführt werden konnte. Wenn eine Tat nicht nachgewiesen werden kann, gilt die Unschuldsvermutung. Bei der Verhängung eines Stadionverbots kann eine präventive Wirkung aber nur dann erzielt werden, wenn dies auch gegen solche Besucher ausgesprochen werden kann, die zwar nicht wegen einer Straftat verurteilt sind, deren bisheriges Verhalten aber besorgen lässt, dass bei künftigen Spielen sicherheitsrelevante Störungen verursacht werden.
- Auf die Einleitung oder gar Durchführung eines Strafverfahrens kommt es daher nicht an. Anknüpfungspunkt für ein Stadionverbot ist nicht die Verwirklichung eines Straftatbestandes, sondern das Verhalten der Person, das Anlass für eine Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegeben hat. Wenn dann Umstände vorliegen, die zu einer Einstellung des Verfahrens geführt haben und es nicht zu einer Bestrafung kommt, hat dies für das Stadionverbot keine Relevanz.
- Die unmittelbare Beteiligung an störenden Handlungen oder Gewalttaten muss also bei der Verhängung eines Stadionverbots nicht nachgewiesen werden. Es spielt auch keine Rolle, ob die Person zufällig in die gewalttätige Gruppe geraten ist. Allein die Tatsache, dass die betreffende Person mit einer ganzen Gruppe in Polizeigewahrsam genommen wurde, reicht aus.
3 Hinweis für Vereine
Die Grundsätze des BGH-Urteils gelten für alle Vereine und Ligen und lassen sich auch auf kleinere Veranstaltungen und Spiele in den untersten Ligen übertragen.
Danach besteht für den Inhaber des Hausrechts (in der Regel der Verein) jederzeit die Möglichkeit, einzelne Personen einer Gruppe, von der Störungen oder Gewalttätigkeiten ausgehen, der Sportstätte zu verweisen sowie Einzelpersonen den Zutritt zur Veranstaltungen oder zum Spiel für eine gewisse Zeit durch Ausspruch eines Hausverbots zu verwehren.
Folgen die Personen dem Verbot nicht, machen sie sich nach § 123 StGB des Hausfriedensbruchs strafbar.
Fundstellen
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BGH, Urteil v. 30.10.2009, Az.: V ZR 253/08 |