Zusammenfassung
Worum geht es?
Der Bundestag hat am 09.02.2023 das "Gesetz zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht" beschlossen, das im Kern eine Änderung des § 32 BGB beinhaltet (Bundestags-Drucksache 20/5585 v. 08.02.2023).
Die Änderung betrifft aber nicht nur die Durchführung von Mitgliederversammlungen (wie man nach dem Namen des Gesetzes meinen könnte), sondern auch Vorstandssitzungen sowie die Sitzungen der anderen Vereinsorgane in einem Verein und den dazugehörigen Untergliederungen.
In dem neu eingefügten Absatz 2 des § 32 BGB, der im Detail nachfolgend vorgestellt wird, geht es konkret um die Frage der Durchführung von hybriden und rein virtuellen Sitzungen, ohne dass es einer Satzungsgrundlage des Vereins bedarf.
Mit dem Gesetz wird eine Regelung geschaffen, aufgrund derer dem Einberufungsorgan die Einberufung einer sogenannten "hybriden" Mitgliederversammlung gestattet wird, bei der dem einzelnen Mitglied die Möglichkeit einer Teilnahme an der Mitgliederversammlung ohne physische Anwesenheit am Versammlungsort mittels elektronischer Kommunikation eröffnet wird. Ferner sieht das Gesetz vor, dass die Mitglieder beschließen können, künftige Versammlungen rein virtuell durchzuführen.
Nachfolgend werden die Einzelheiten erläutert und Hinweise zur Anwendung gegeben. Ferner wird aufgezeigt, ob und welche Auswirkungen dies auf bestehende Vereinssatzungen hat und ob sich von Fall zu Fall eine Satzungsänderung dennoch notwendig macht.
1 Ab wann kann die Gesetzesänderung angewendet werden?
Die Änderung in § 32 BGB ist am 20. März 2023 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2023 Nr. 72) veröffentlicht worden und damit am 21. März 2023 in Kraft getreten.
Die Verkündung im Bundesgesetzblatt kann nachgelesen werden unter www.recht.bund.de.
Auf bestehende Satzungsregelungen hat die Gesetzesänderung keine Auswirkungen.
2 Bisherige BGB-Regelung
In § 32 Absatz 1 Satz 1 BGB a. F. ist geregelt, dass die Beschlüsse der Mitglieder in einer Versammlung gefasst werden. Darunter ist nach herrschender Meinung im Vereinsrecht zu verstehen, dass eine solche Versammlung der Mitglieder deren physische Anwesenheit am Versammlungsort voraussetzt (vgl. z. B. OLG Hamm, Urteil vom 20.06.2001, Az.: 8 U 77/01).
§ 32 BGB: Beschlussfassung der Mitgliederversammlung |
(1) |
1Die Angelegenheiten des Vereins werden, soweit sie nicht von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Mitglieder geordnet. … |
Eine elektronische oder virtuelle oder hybride Mitgliederversammlung war nach dieser (alten) Regelung also nur zulässig, wenn die Satzung des Vereins dies ausdrücklich regelt (§ 40 S. 1 BGB).
3 Sonderregelung während der Corona-Pandemie: § 5 Abs. 2 Nr. 1 COVID-19-Gesetz
Während der Corona-Pandemie hatte der Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Nr. 1 COVID-19-Gesetz eine Sonderregelung erlassen, um sicherzustellen, dass auch Mitgliederversammlungen ohne die persönliche Anwesenheit der Mitglieder stattfinden konnten und so die Funktionsfähigkeit der Vereine in dieser Zeit aufrechterhalten werden konnte.
§ 5 Vereine, Parteien und Stiftungen |
(1) |
… |
(2) |
Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 BGB kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder, |
1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können oder müssen, |
…. |
- § 5 COVID-19-Gesetz galt jedoch nur vom 27.02.2020 bis zum 31.08.2022.
- Seit dem 01.09.2022 kann auf diese Regelungen nicht mehr zurückgegriffen werden, es sei denn, dass diese Regelungen in die eigene Satzung übernommen worden sind.
4 Was bringt die Gesetzesänderung an Neuerungen?
In § 32 wird nach Absatz 1 – der nicht geändert wurde – folgender neuer Absatz 2 eingefügt:
(2) |
1 Bei der Berufung der Versammlung kann vorgesehen werden, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und andere Mitgliederrechte ausüben können (hybride Versammlung). 2 Die Mitglieder können beschließen, dass künftige Versammlungen auch als virtuelle Versammlungen einberufen werden können, an der Mitglieder ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen und ihre anderen Mitgliederrechte ausüben müssen. 3 Wird eine hybride oder virtuelle Versammlung einberufen, so muss bei der Berufung auch angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. |
Der bisherige Absatz 2 – der ebenfalls nicht verändert wurde – wird nunmehr Absatz 3.
Auch die Neuregelung in § 32 Abs. 2 BGB ist nach § 40 S. 1 BGB disponibel, das heißt, die Satzung kann davon abweichende Regelungen treffen.
Merke!
- Die Neuregelung entfaltet allerdings keine Rückwirkung. Beschlüsse in der Mitgliederversammlung oder in sonstigen Versammlungen des Vereins in hybrider oder virtueller Form zwischen dem 01.09.2022 und dem Inkrafttreten der Neuregelung am 21.03.2023 sind daher unwirksam, wenn die Satzung des Vereins die Möglichkeit solcher alternativer Versammlungsformen nicht ausdrücklich erlaubt hat.
- Die Neufassung des § 32 Abs. 2 BGB...