1 Um was geht es in diesem Fall?
Bekanntlich wehrt sich Claudia Pechstein seit Jahren gegen eine Verbandssperre wegen eines angeblichen Dopingverstoßes und hat Schadensersatzansprüche gegen die betreffenden Verbände über mehrere Instanzen geltend gemacht. Der Fall und die Hintergründe sind sehr komplex und sollen hier nicht im Detail dargestellt werden.
Interessant ist die Entscheidung des BVerfG allerdings unter einem besonderen Gesichtspunkt, der hier dargestellt werden soll. Das BVerfG hat nämlich in seiner u. a. Entscheidung der Verfassungsbeschwerde von Pechstein wegen Verletzung des sog. Justizgewährungsanspruchs stattgegeben. Der Kern dieser Entscheidung betrifft damit jedes Schiedsgerichtsverfahren eines Vereins oder Verbands.
2 Kernaussage der Entscheidung
- Die angegriffene Entscheidung des Bundesgerichtshofs verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Justizgewährungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG).
- Der Bundesgerichtshof hat die Bedeutung des Anspruchs auf Öffentlichkeit des Verfahrens verkannt.
3 Sachverhalt
In dem Ausgangsverfahren vor den deutschen Zivilgerichten machte Pechstein unter anderem Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen zwei Sportverbände geltend, die gegen Pechstein eine Dopingsperre verhängt und umgesetzt hatten. Der Bundesgerichtshof hielt die Klage von Pechstein wegen einer zugunsten des Internationalen Sportschiedsgerichtshofs in Lausanne (Court of Arbitration for Sport [CAS]) vereinbarten Schiedsklausel für unzulässig.
4 Die Entscheidung
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das angegriffene Urteil des Bundesgerichtshofs verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Justizgewährungsanspruch, weil der Bundesgerichtshof die Bedeutung des Anspruchs auf Öffentlichkeit des Verfahrens verkannt hat.
Im Kern ging es bei dem Verfahren um die Frage, ob die CAS-Statuten für das Schiedsgerichtsverfahren überhaupt rechtmäßig sind.
Der BGH hat bei seiner Prüfung nicht berücksichtigt, dass die Statuten des CAS keinen Anspruch auf eine öffentliche Verhandlung vorsahen, die Pechstein bereits im vorangegangenen Schiedsverfahren erfolglos beantragt hatte.
Der Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und geht in seiner Bedeutung damit über einzelne Verfahrensregelungen weit hinaus. Auch entspricht er dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie.
Bei dem Verstoß gegen den rechtsstaatlich zwingend zu beachtenden Öffentlichkeitsgrundsatz handelt es sich auch nicht nur um einen Verstoß gegen eine bloße Verfahrensklausel.
5 Hinweis für die Vorstandsarbeit
Die Entscheidung des BVerfG zeigt, wie hoch die Anforderungen an die Wirksamkeit einschlägiger Verbandsregelungen bei Sanktionen gegen Mitglieder oder Sportler sind. Dies gilt insbesondere für Verbände, die ihre Rechts- und Verfahrensordnungen als echtes Schiedsgericht ausgestaltet haben.
Gleichermaßen hoch sind aber auch die satzungsmäßigen Anforderungen an die Regelungen zu unechten Schiedsgerichten.
Verbände sollten daher diese Entscheidung des BVerfG einmal zum Anlass nehmen, ihre einschlägigen Regelungen in Satzungen und Ordnungen rechtlich prüfen zu lassen.
Fundstellen
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Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss v. 03.06.2022, Az.: 1 BVR 2103/16 |