Prof. Dr. Friedrich Vogelbusch
Zusammenfassung
Seit vielen Jahren ist zu beobachten, dass mit neudeutschen Begriffen wie Corporate Governance, Compliance oder Corporate Social Responsibility über die Strukturen und Tätigkeiten der Unternehmen diskutiert wird. Meist reagiert der Gesetzgeber auf erkannte Missstände, Gesetze werden reformiert und Anforderungen an die in der Geschäftsführung und in Aufsichtsgremien tätigen Personen erhöht.
Jüngst hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Transparenz- und Compliance-Standards herausgegeben und deren Einhaltung als Vorbedingung für den Erhalt staatlicher Zuschüsse vorgeschlagen.
Mit diesem Beitrag soll die Entwicklung im gewerblichen Bereich nachgezeichnet werden. Dabei ergibt sich die überraschende Feststellung, dass in einigen Bereichen des Dritten Sektors ebenfalls Corporate Governance-Leitlinien entwickelt wurden und ein ausgebauter Bestand an Regelwerken besteht, die auch für gemeinnützige Vereine aus anderen Branchen zur Verbesserung der Geschäftsführung und Tätigkeit der Aufsichtsgremien genutzt werden können.
Unter einem breiten Blickwinkel sind die anderen Elemente des Risikomanagements, der Transparenzkultur, der Nachhaltigkeit und der ethisch ausgerichteten Geldanlage und Wirtschaftsführung von Vereinen zur Kenntnis zu nehmen und als Prüfschnur für die eigene Betätigung zu nutzen.
1 Überblick über die Entwicklung
Zunächst wurde das Thema der Corporate Governance und Compliance im Bereich der gewerblichen Wirtschaft diskutiert. In den letzten Jahren ist aber zu erkennen, dass auch im Dritten Sektor und bei gemeinnützigen Vereinen die verbesserte Geschäftsführung und Beaufsichtigung sowie damit zusammenhängende Aspekte erörtert werden.
Als zeitlichen Beginn der Überlegungen zur Corporate Governance können in Europa die 1990er-Jahre benannt werden. Zunächst wurde in Großbritannien nach spektakulären Unternehmenspleiten aufgrund von Managementfehlern und unwirksamer Aufsicht eine Kommission an der Börse eingesetzt, um die systemischen Ursachen zu ermitteln und Vorschläge für eine verbesserte Governance zu erarbeiten. Der Vorschlag aus dem sogenannten Cadbury Report mit einer strikten Trennung zwischen executive und non-executive Directors wurde ab 1992 für die Börsenzulassung in Großbritannien verbindlich.
Abbildung 1: Entwicklung der internationalen und nationalen Corporate Governance
In Deutschland wurde wegen einer ähnlichen Problemlage die Deutsche Corporate Governance Kommission einberufen. Der Deutsche Corporate-Governance Kodex (DCGK) wurde in seiner ersten Fassung im Jahr 2002 verabschiedet. Er erlangt seine Wirksamkeit durch eine Selbstverpflichtungserklärung des Unternehmens.
Abbildung 2: Corporate Governance, Transparenzinitiativen und Compliance im NPO-Sektor
Neben der Governance wurden aber auch die Themen des Risikomanagements, der Gesetzestreue (Compliance), Transparenz und Nachhaltigkeit in den Blick genommen. Mittlerweile liegen mehrere umfassende Regelwerke in Form von Kodizes und Standards vor.
Darüber hinaus wird das Thema der Transparenz diskutiert. Seit 2010 haben die beiden kirchlichen Wohlfahrtsverbände sogenannte Transparenzstandards herausgegeben. Im gleichen Jahr startete Transparency International Deutschland e. V. eine Initiative, um allen zivilgesellschaftlichen Akteuren ein abgestimmtes Vorgehen bei der Veröffentlichung der eigenen Statuten und Finanzen zu ermöglichen.
Der Dachverband VENRO der Entwicklungshilfeorganisationen hat in seinen Mitgliederversammlungen 2008 und 2010 einen Verhaltenskodex Transparenz, Organisationsführung und Kontrolle beschlossen. Mit diesem Kodex werden die bereits vorhandenen Leitlinien für die entwicklungsbezogene Öffentlichkeitsarbeit (1998) und zu Kinderrechten (2009) ergänzt.
Die folgende Übersicht zeigt, wie sich die Regularien zur guten Geschäftsführung und Beaufsichtigung in drei Phasen mit jeweils unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten herausgebildet haben.
Abbildung 3: Drei Phasen der Entwicklung der Leitlinien für eine gute Geschäftsführung und Beaufsichtigung
Corporate Governance-Leitlinien werden im Wege der Selbstverpflichtung über eine Entsprechenserklärung bekannt gegebenen. Dabei werden geeignete Kanäle der Unternehmenskommunikation genutzt.
2 Definition und Inhalte
Die Begriffe Compliance und Corporate Governance klingen ähnlich und werden häufig nicht präzise verwendet. Die Corporate Governance ist auf die Unternehmensverfassung gerichtet und richtet sich vornehmlich an externe Adressaten. Die Compliance hingegen orientiert sich auf die Befolgung und Einhaltung von Regeln und ist unternehmensintern ausgerichtet. Beide Systeme haben gemein, dass sie der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und dem korrekten und angemessenen Verhalten im Unternehmen dienen.
Der Unterschied liegt in der Perspektive:
- die Corporate Governance geht von der Sichtweise einer regulierenden Funktion aus (Vertrauen der Investoren), Transparenz (Schutz der Öffen...