1 Der Fall
Ein Mehrspartenverein mit ca. 1.000 Mitgliedern und 18 Abteilungen hatte eine Ruderabteilung. Der Verein war lt. Grundbuch Eigentümer eines Grundstücks an einem Gewässer, das mit einem Clubhaus bebaut war, das die Ruderabteilung nutzte. Der Verein wollte dieses Grundstück an den Nachbarverein für 720.000 Euro verkaufen.
Mit Schreiben v. 27.12.2002 berief der Verein die Mitglieder für den 30.1.2003 zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung ein. In der Tagesordnung wurde der TOP "Verkauf Clubhaus" angekündigt. Nachdem die Absicht des Verkaufs durch den Vorstand bekannt wurde, formierte sich der Widerstand im Verein, vor allem in der Ruderabteilung. Mit einem weiteren Schr. v. 23.1.2003 informiert daraufhin der Vorstand die Mitglieder über die Details des geplanten Verkaufs.
In der Mitgliederversammlung am 30.1.2003 wurde dem Verkauf mit 247 Ja-Stimmen gegen 163 Nein-Stimmen zugestimmt. Mit Schr. v. 3.2.2003 teilte die Ruderabteilung dem Vereinsvorstand mit, dass der Beschluss v. 30.1.2003 unwirksam sei und dass sie dagegen gerichtlich vorgehen werde. Am 13.2.2003 verkaufte der Verein das Grundstück.
Die Ruderabteilung und zahlreiche Mitglieder der Ruderabteilung klagten daraufhin gegen den Verein. Im Kern ging es in diesem vier Jahre dauernden Rechtsstreit um die Frage, ob der Vorstand das Grundstück wirksam verkaufen konnte.
Vorbemerkung
Dieses Urteil des BGH beschäftigt sich grundsätzlich mit dem Thema Untergliederungen/Abteilungen eines Mehrspartenvereins und mit deren Rechten und Pflichten. Dabei handelt es sich um einen "Dauerbrenner" im Vereinsrecht.
Der BGH entwickelt in diesem Urteil seine bisherige Rechtsprechung zum Thema Untergliederungen fort. In diesem Zusammenhang ist auf zwei wichtige – ältere – Urteile des BGH hinzuweisen, die in diesem Zusammenhang gesehen werden müssen:
- (1) BGH-Urteil v. 19.3.1984 (Az.: II ZR 168/83 - DLRG-Urteil), in dem der BGH seine Kriterien, wann ein nicht rechtsfähiger Verein vorliegt, festgelegt hat und
- (2) BGH-Urteil v. 29.1.2001 (Az.: II ZR 331/00), in dem der BGH seine Rechtsprechung zur aktiven und passiven Parteifähigkeit der sog. (Außen-) Gesellschaft in Form einer BGB-Gesellschaft geändert hat und diese nunmehr anerkennt. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereine nach § 54 BGB.
2 Das Urteil
(1) Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Untergliederung eines Mehrspartenvereins als nicht rechtsfähiger Verein anzusehen, wenn die Abteilungen
- auf Dauer
- Aufgaben nach außen
- im eigenen Namen
- durch eine eigene handlungsfähige Organisation wahrnehmen, und
- über eine körperschaftliche Verfassung verfügen,
- einen Gesamtnamen führen
- und vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig sind
- und neben ihrer unselbstständigen Tätigkeit für den Hauptverein auch eigenständige Aufgaben wahrnehmen.
Diese Voraussetzungen waren nach der Satzung des Hauptvereins durch die klagende Ruderabteilung erfüllt.
- (2) Die Ruderabteilung war nach § 50 Abs. 2 ZPO aktiv parteifähig, d. h., sie konnte gegen den eigenen Hauptverein Klage erheben. Der BGH hat in dieser Frage in den letzten Jahren seine Rechtsprechung geändert und die Rechte von nicht rechtsfähigen Vereinen immer mehr gestärkt, was sich damit auch auf Mehrspartenvereine auswirkt.
(3) Der BGH hat ausdrücklich offengelassen, ob und inwieweit Untergliederungen eines Vereins – wenn sie schon rechtlich selbstständig sind und ihre Rechte auch einklagen können – eigenes Vermögen haben können.
Der BGH spricht in seinem Urteil von getrennten "Vermögenssphären" des Hauptvereins und der Untergliederung. So ist es also durchaus denkbar, dass die Abteilungen eines Vereins eigenes Vermögen erwerben können, wenn diese Vermögensgegenstände von der Untergliederung eigenständig erworben und finanziert worden sind.
(4) Der Beschluss in der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 30.1.2003 unter dem TOP "Verkauf Clubhaus" war nichtig.
Grund ist, dass die Ankündigung in der Tagesordnung gegen § 32 Abs. 1 S. 2 BGB verstößt. Die Mitglieder müssen sich aufgrund der Ankündigung in der Tagesordnung sachgerecht auf die Versammlung vorbereiten und sich auch im Vorfeld frei entscheiden können, ob sie überhaupt an der Versammlung teilnehmen.
Die Ankündigung des Punktes "Verkauf Clubhaus", obwohl tatsächlich über einen konkreten Verkauf auf der Grundlage eines bereits im Detail ausgehandelten Vertrages abzustimmen war, reicht nicht aus. Die Mitglieder sollten also nicht nur einen "Grundsatzbeschluss" über einen künftig geplanten Verkauf treffen, sondern einer konkreten Veräußerung zustimmen. In diesen Fällen sind der Vertragspartner und der Inhalt des Vertrages schlagwortartig in der Tagesordnung zu beschreiben.
Diese wesentlichen Informationen wurden den Mitgliedern erst mit Schr. v. 23.2.2003 nachgereicht und damit nicht mehr fristgerecht, da die Satzung eine vierwöchige Ladungsfrist vorsah.
(5) Die Gültigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung kann von jedem Vereinsmitglied durch eine Feststellungsklage gerichtlich zur Überprüfung gestellt werden.
In diesem Fall war zu beachte...