1 Leitsatz
Grundsätzlich ist auch die Sportlehrertätigkeit geschlechtsunabhängig zu sehen. Einem allein wegen des Geschlechts abgelehnten männlichen Bewerber steht daher eine Entschädigung zu.
2 Hinweis zu den Vorinstanzen
Das BAG hob mit seinem u. a. Urteil die Entscheidungen der Vorinstanzen in diesem Fall auf (ArbG Nürnberg, Urteil v. 01.02.2018, Az.: 16 Ca 3627/17 und LAG Nürnberg, Urteil v. 20.11.2018, Az.: 7 Sa 95/18), die jeweils die Entschädigungsklage abgewiesen hatten.
3 Um was geht es in diesem Fall?
Eine bayerische Waldorfschule suchte ausdrücklich eine Sportlehrerin, um Mädchen in der Oberstufe zu unterrichten. Einen männlichen Bewerber lehnte die Schule ab. Zu Unrecht, so das BAG – auch ein Sportlehrer könne Mädchen unterrichten.
Eine Waldorfschule im Raum Nürnberg hatte im Juni 2017 verschiedene Stellen für Lehrer ausgeschrieben, einige davon ausdrücklich für Lehrerinnen und Lehrer ("Fachlehrer/-in Eurythmie [m/w]") oder "Klassenlehrer/-in [m/w]"), eine hingegen nur für eine Sportlehrerin ("Fachlehrerin Sport [w]"). Auf diese Stelle bewarb sich ein seit 13 Jahren als Sportlehrer tätiger Pädagoge. Prompt erhielt er von der Schule eine ausdrücklich auf sein "falsches" Geschlecht rekurrierende Absage.
Die Schule hatte die Ablehnung des Sportlehrers damit begründet, die gesuchte Lehrerin solle nur im Sportunterricht der Mädchenoberstufenklassen eingesetzt werden. Dort erlaube bereits der Lehrplan für bayerische Schulen grundsätzlich nur den Einsatz von Sportlehrerinnen. Männliche Bewerber seien daher nicht zu berücksichtigen.
Dies wollte der Lehrer nicht hinnehmen. Er berief sich auf die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) und machte eine Entschädigung wegen seiner Nichteinstellung gemäß § 15 Abs. 2 AGG geltend. Hiernach ist eine Geldentschädigung zuzusprechen, wenn eine unzulässige Diskriminierung nach dem AGG erfolgt ist.
§ 15 AGG: Entschädigung und Schadensersatz
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. …
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei beteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) …
- Das AGG verbietet ausdrücklich Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts (§ 1 AGG) und verlangt von Arbeitgebern, Stellenausschreibungen diskriminierungsfrei zu verfassen (§ 11 AGG).
- Ein infolge einer derartigen Stellenausschreibung und der Ablehnungsentscheidung diskriminierter Bewerber kann dann eine Entschädigung von bis zu drei Monatsgehältern allein wegen der erfolgten Diskriminierung geltend machen, selbst wenn er aufgrund seiner objektiven Eignung nicht der am besten geeignete Bewerber gewesen und ohnehin nicht eingestellt worden wäre.
4 Wie hat das Gericht entschieden?
Das AGG erlaubt Ausnahmen bei der Stellenausschreibung
Die entscheidende Frage des Falles drehte sich darum, ob die erfolgte Ungleichbehandlung womöglich ausnahmsweise gerechtfertigt war?
Hierzu kennt das AGG einige Rechtfertigungsgründe, wie etwa den der zulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen beruflicher Anforderungen nach § 8 AGG. Danach scheidet eine Diskriminierung aus, wenn das eigentlich unzulässige Merkmal "wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist".
Das BAG ließ sich von der Schule nicht überzeugen
Das BAG sah dies anders. Dem Kläger stehe dem Grunde nach eine Entschädigung nach dem AGG zu. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts habe die Waldorfschule nicht darlegen können, dass für die Stelle das weibliche Geschlecht eine wesentliche und entscheidende sowie angemessene berufliche Anforderung i. S. v. § 8 Abs. 1 AGG darstelle.
Die Entscheidung zeigt zum einen, wie eng das BAG die Vorgaben für beruflich notwendige Anforderungen steckt. Zum anderen fügt sich das Urteil auch bei Fragen des "notwendigen" Geschlechts in aktuelle Entwicklungen ein, hat doch das Bundesverfassungsgericht erst vor rund einem Jahr (BVerfG, Urteil v. 10.10.2017, Az.: 1 BvR 2019/16) festgestellt, dass neben dem männlichen oder weiblichen Geschlecht auch Personen zu schützen sind, die sich keinem dieser Geschlechter zugehörig fühlen und damit das "dritte" Geschlecht ausdrücklich anerkannt.
Wenn aber das Geschlecht sich nicht nur in "männlich" oder "weiblich" festlegen lässt, kann auch eine darauf gestützte Argumentation zur Begründung einer Betreuung einer weiblichen Schülergruppe nur durch weibliche Lehrer schwer Bestand haben. Dies mögen Verfechter einer "traditionellen" Geschlechtersicht kritisieren, es dürfte aber zwischenzeitlich gesellschaftlichen Realitäten entsprechen.
5 Hinweis für die Vorstandsarbeit
Bei Stellenausschreibungen und Verträgen mit Personen im Verein sollte der Vorstand immer darauf achten, dass er "geschlechtsneutrale" Formulierungen verwend...