1 Grundsätzliche Bedeutung der Entscheidungen
Die Entscheidungen betreffen die Frage der Abgrenzung zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit und einem Arbeitsverhältnis. Es geht also um die praktisch sehr wichtige Frage, wann ein formal ehrenamtlich Tätiger rechtlich eigentlich als Arbeitnehmer anzusehen ist. Zu dieser Problematik gibt es bisher kaum gerichtliche Entscheidungen. Die beiden oben zitierten Entscheidungen betreten daher Neuland und haben die Grundsätze klar festgelegt.
2 Leitsatz
Die Annahme eines Arbeitsverhältnisses scheidet bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die dauerhaft nicht auf die Erzielung von Entgelt oder die Erlangung einer entgeltlichen Tätigkeit gerichtet ist, generell aus.
3 Zum Sachverhalt der Entscheidungen
Die Klägerin des Verfahrens war ehrenamtlich in der örtlichen Telefonseelsorge tätig. Nach der monatlichen Einteilung des Trägers war sie monatlich für ca. zehn Stunden tätig und erhielt hierfür zuletzt eine monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 30 Euro. Anfang 2010 wurde die Klägerin mündlich von ihrem Dienst entbunden. Dagegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage und verlor das Verfahren in allen Instanzen.
4 Rechtliche Überlegungen zur Abgrenzung zwischen Ehrenamt und Arbeitnehmertätigkeit
Die Abgrenzung zwischen rein ehrenamtlicher Tätigkeit und einem Arbeitsverhältnis bereitet in der Praxis der Vereine und Verbände erhebliche Probleme, vor allem dann, wenn zwar formal von einer ehrenamtlichen Tätigkeit gesprochen wird, gleichwohl aber gewisse Zahlungen von Geldbeträgen vorliegen.
Diese werden häufig als "Auslagenpauschale" oder "Aufwandsentschädigung" bezeichnet und können im Einzelfall sehr wohl eine arbeitsrechtliche Vergütung darstellen und dann zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft und damit zur Annahme eines "verdeckten" Arbeitsverhältnisses führen.
Folge ist dann, dass dem "Ehrenamtlichen" der arbeitsrechtliche Bestandsschutz gegenüber Kündigungen, sonstige Arbeitnehmerrechte, wie Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie in der Konsequenz auch eine angemessene, übliche Vergütung zustehen, vom Kündigungsschutz ganz zu schweigen.
Die Abgrenzung zwischen "echter" ehrenamtlicher Tätigkeit und einem verdeckten Arbeitsverhältnis ist daher für die Vereins- und Verbandspraxis von großer praktischer Bedeutung und kann im Einzelfall sehr schwierig sein.
5 Welche Grundsätze sind aus arbeitsrechtlicher Sicht dabei zu beachten?
- Die Bezeichnung einer Tätigkeit oder die gewählte Überschrift über einen Vertrag ist nicht maßgeblich. Der Begriff des "Ehrenamtes" ist rechtlich nicht bestimmt und unscharf und ist kein Gegenbegriff zum Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne.
- Über die Arbeitnehmereigenschaft entscheiden also nicht die Vorstellungen der Vertragsparteien, sondern die objektiven Umstände, die konkreten Regelungen und die geübte Praxis im Einzelfall, so die Rechtsprechung des BAG. Klar ist weiter, dass selbst bei einer Tätigkeit von wenigen Stunden pro Woche ein Arbeitsverhältnis sehr wohl begründet werden kann. Die Abgrenzung der ehrenamtlichen Tätigkeit vom Arbeitsverhältnis erfolgt also stets nach inhaltlichen Gesichtspunkten.
- Die Grenzziehung zwischen den beiden Rechtsformen folgt nach der Intention der Tätigkeit. Echte ehrenamtliche Tätigkeit ist keine Gefälligkeit, sondern stellt einen Auftrag im Sinne von § 662 BGB dar. Der Beauftragte verpflichtet sich dabei, das übertragene Geschäft für den Auftraggeber unentgeltlich zu besorgen. Der Auftragnehmer (Ehrenamtliche) hat lediglich einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 670 BGB. Dazu gehören jedoch nicht Vergütungen für die Ausführung des Auftrags und für die geleistete Arbeitszeit.
- Demgegenüber setzt der klassische Arbeitsvertrag als Unterfall des Dienstvertrages die Vereinbarung einer Vergütung voraus (§ 611 Abs. 1 BGB). Der zentrale Unterschied zwischen einem Auftrag und einem Arbeitsverhältnis besteht daher in der Unentgeltlichkeit bzw. Entgeltlichkeit des Tätigwerdens.
- Wenn daher eine ehrenamtliche Tätigkeit dauerhaft nicht auf die Erzielung von Entgelt oder die Erlangung einer entgeltlichen Tätigkeit gerichtet ist, liegt nach diesen Kriterien der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls kein Arbeitsverhältnis vor.
Ein Ehrenamtlicher, der unentgeltlich tätig wird, ist also kein Arbeitnehmer. Fraglich ist dann jedoch, ob noch eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung nach § 662 BGB vorliegt, wenn dennoch eine Geldzahlung erfolgt. Gemeint ist dabei nicht der Aufwendungsersatz nach § 670 BGB, der unstreitig nicht zu einer anderen Beurteilung führt.
Auch ein pauschaler Aufwendungsersatz mag noch akzeptabel sein, wenn dieser in der Höhe den erstattungsfähigen Positionen und Aufwendungen des Ehrenamtlichen entspricht.
Die Probleme beginnen jedoch dann, wenn eine "Aufwandspauschale" gezahlt wird, die tatsächlich eine Vergütung für die erbrachte Tätigkeit bzw. für die aufgewendete Zeit darstellt.
Noch problematischer sind die sogenannten Aufwandsentschädigungen, weil diese gerade zur Abgeltung des Zeitaufwandes gewährt werden.
Der Arbeitgeber, der eine Vergütung gewährt, kann sich daher nicht damit entlasten, dass die "Auslagenpauschale" oder "Aufwandsentschädigung" deutlich unter den Marktpreisen für vergleichbare Tätigkeiten liegt. Entscheidend für d...