1 Vorbemerkung

Mit dem Urteil des OLG Hamm liegt die erste gerichtliche Entscheidung zur Frage der Zulässigkeit einer virtuellen Mitgliederversammlung vor. Das OLG hat die nachfolgend vorgestellte Satzungsregelung eines Vereins als zulässig angesehen und die Voraussetzungen für eine Mitgliederversammlung "im Netz" konkretisiert.

2 Die Satzungsregelung

Ein Verein hatte folgende Satzungsänderung beschlossen:

Zitat

§ xx Mitgliederversammlung

(1) Der Vorstand lädt ein, unter Angabe der vorläufigen Tagesordnung, mit einer Frist von vier Wochen zur Mitgliederversammlung per E-Mail an die letzte vom Mitglied dem Vorstand mitgeteilte E-Mail-Adresse bzw. auf ausdrücklichen Wunsch des Mitglieds, das über keinen eigenen Internetzugang verfügt, per einfachen Brief postalisch. Für die ordnungsgemäße Ladung genügt jeweils die Absendung der E-Mail bzw. des Briefes.

(2) Die Mitglieder können binnen zwei Wochen die Aufnahme weiterer Tagesordnungspunkte beantragen; in eiligen Fällen kann der Vorstand eine Tagesordnung festsetzen, ohne Gelegenheit zur Aufnahme weiterer Tagesordnungspunkte zu geben. Verspätet eingegangene Anträge finden keine Berücksichtigung. Der Vorstand kann hiervon Ausnahmen machen, wenn die Verspätung genügend entschuldigt wird oder andere Gründe, insbesondere die Verfahrensökonomie die Aufnahme des Punktes rechtfertigen. Der Vorstand entscheidet nach billigem Ermessen.

(3) Die Mitgliederversammlung erfolgt entweder real oder virtuell (Onlineverfahren) in einem nur für Mitglieder mit ihren Legitimationsdaten und einem gesonderten Zugangswort zugänglichen Chat-Raum.

(4) Im Onlineverfahren wird das jeweils nur für die aktuelle Versammlung gültige Zugangswort mit einer gesonderten E-Mail unmittelbar vor der Versammlung, maximal drei Stunden davor, bekannt gegeben. Ausreichend ist dabei die ordnungsgemäße Absendung der E-Mail an die letzte dem Vorstand bekannt gegebene E-Mail-Adresse des jeweiligen Mitglieds. Mitglieder, die über keine E-Mail-Adresse verfügen, erhalten das Zugangswort per Post an die letzte dem Vorstand bekannt gegebene Adresse. Ausreichend ist die ordnungsgemäße Absendung des Briefes zwei Tage vor der Mitgliederversammlung.

(5) Sämtliche Mitglieder sind verpflichtet, ihre Legitimationsdaten und das Zugangswort keinem Dritten zugänglich zu machen und unter strengem Verschluss zu halten.

(6) Vorstandsversammlungen und Versammlungen der ordentlichen Mitglieder können ebenfalls online oder in Schriftform erfolgen.

3 Der Fall

Das Registergericht lehnte die Eintragung dieser Satzungsregelung u.a. mit der Begründung ab, dass es bei der Mitgliederversammlung aufgrund der Bedeutung der Angelegenheiten eben darauf ankommt, dass die Mitglieder persönlich anwesend sein müssen und dass auch das vorgesehene Verfahren zu unsicher sei. Dagegen klagte der Verein und bekam Recht.

4 Die Entscheidung des OLG

(1) Grundsätzliches zur Zulässigkeit der Online-Versammlung

  • Zwar sieht § 32 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich die sog. Präsenzversammlung ("Versammlung der Mitglieder") vor. Aber bereits § 32 Abs. 2 BGB lässt auch die schriftliche Abstimmung zu. Ferner sieht § 40 BGB vor, dass die Verfahrensvorschriften des § 32 BGB grundsätzlich disponibel sind und die Satzung abweichende Regelungen treffen kann. Dabei ist zu beachten, dass nicht die Mitgliederversammlung als zwingendes Organ des Vereinsrechts disponibel ist, wohl
    aber die mit ihr zusammenhängenden Verfahrensvorschriften. Hier hat die Satzung einen weiten Gestaltungsspielraum.
  • Die Mitgliederversammlung eines e. V. kann zwar nicht abgeschafft, das Verfahren der Willensbildung kann jedoch durch die Satzung frei ausgestaltet werden, sodass auch das virtuelle Verfahren grundsätzlich – in Abweichung von § 32 Abs. 1 S. 1 BGB – zulässig ist.
  • Das OLG zieht zur Begründung Parallelen zu anderen Gesellschaftsformen:

    • § 118 Abs. 1 S. 2 sieht bei der Aktiengesellschaft die elektronische Stimmabgabe vor.
    • § 43 Abs. 7 GenG sieht bei der Genossenschaft dieses Verfahren ebenfalls vor.
  • Als Gegenargument war ins Feld geführt worden, dass der Leiter einer virtuellen Versammlung die Geschäftsfähigkeit der teilnehmenden Mitglieder nicht prüfen kann. Dies ließ das OLG nicht gelten, da der Versammlungsleiter zunächst immer von der Geschäftsfähigkeit der Teilnehmer ausgehen kann und dies nicht ständig prüfen kann und muss. Dieses Problem stellt sich bereits im schriftlichen Verfahren nach § 32 Abs. 2 BGB.
  • Schließlich hatte das Registergericht § 13 Abs. 1 S. 2 UmwG herangezogen. Danach muss bei der Beschlussfassung über den Verschmelzungsvertrag z. B. bei der Verschmelzung von Vereinen nach dem Gesetz ausdrücklich eine Präsenzversammlung stattfinden. Auch die Berufung auf diese Spezialvorschrift überzeugte nicht, da die oben zitierte Satzungsregelung ja neben der virtuellen auch die reale Mitgliederversammlung weiterhin vorsieht.

(2) Konkrete Probleme bei der Ausgestaltung der Satzungsregelung

a) Zugang Chat-Raum

Nach Auffassung des OLG wird durch die Zugangsbeschränkung mittels Passwort gewährleistet, dass nur Mitglieder an der Versammlung teilnehmen können. Auch das Verfah...

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