1 Leitsatz
Ein Mann, der in einer Kletterhalle von einem abstürzenden Kletterer schwer verletzt wird, hat Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Betreiber der Kletteranlage.
2 Um was geht es in diesem Fall?
Der Unfall ereignete sich in einem Durchgangsbereich zwischen zwei Kletterhallen. In diesem befanden sich damals an beiden Seitenwänden Klettervorrichtungen, auf der einen Seite zum Seilklettern, auf der anderen Seite insbesondere für Kinder und Jugendliche zum Bouldern. Der Kläger, der zum Unfallzeitpunkt selbst weder kletterte noch sicherte, wurde durch einen herabstürzenden Kletterer getroffen und erlitt dabei mehrfache Frakturen der Wirbelsäule und ist seither querschnittsgelähmt.
Der Kläger hat deswegen den herabstürzenden Kletterer und die diesen mit Seil und Sicherungsgerät sichernde Frau sowie die Betriebsführerin der Kletteranlage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt mehr als 600.000 Euro verklagt.
Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass gegen den kletternden Mann kein Anspruch bestehe. In der Berufung ging der Kläger dann gegen das erstinstanzliche Urteil vor, wonach die Betreiberin der Kletteranlage ihm gegenüber nicht hafte.
3 Wie hat das Gericht entschieden?
Das OLG hat die Klage des Verletzten gegen die einen anderen Kletterer sichernde Beklagte abgewiesen und zugleich der Klage gegen die Betreiberin der Kletteranlage dem Grunde nach zu 75 % für berechtigt erklärt.
Hat die Sicherungsperson einen Fehler gemacht?
Dem Kläger war es im Prozess nicht gelungen, ein fahrlässiges Fehlverhalten der sichernden Frau zu beweisen. Dass die beklagte Frau – die sich in erster Linie auf den Kletterer zu konzentrieren hatte – erkannte, dass der Kläger im Sturzbereich stand, war im vorliegenden Fall nicht festzustellen.
Betreiber der Kletteranlage hat Verkehrssicherungspflicht verletzt
Das OLG kam – entgegen der 1. Instanz – zu dem Ergebnis, dass der Betreiber der Kletteranlage durch die damalige Anlage von zahlreichen Kletter- und Boulderrouten in dem relativ engen und häufig stark frequentierten Durchgang zwischen zwei Kletterhallen seine Verkehrssicherungspflicht fahrlässig verletzt hat.
Für den Betreiber war es vorhersehbar und vermeidbar, dass durch die räumliche Enge in dem Durchgangsbereich Personen viel häufiger als an anderen Stellen der Anlage in den Sturzraum von Kletterern geraten.
- Derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält, hat die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen (Sicherungsmaßnahmen) zu treffen, um Schäden Dritter zu verhindern.
- Die Verkehrssicherungspflicht eines Anlagenbetreibers hat ihre Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB und ist eine Verhaltenspflicht zur Abwehr von Gefahrenquellen, die zu einem Schadenersatzanspruch führen können.
- Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann u. a. für den Vorstand auch strafrechtliche Folgen haben (§§ 222, 230 StGB).
Aber: Mitverschulden des Klägers i. H. v. 25 %
Allerdings ist das OLG davon überzeugt, dass auch der Kläger, selbst ein Kletterer, die Gefahrensituation hätte erkennen und vermeiden können, und dass ihn deswegen ein Mitverschulden an dem Unfall trifft.
§ 254 BGB: Mitverschulden
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) …
In Abwägung der Verursachungsbeiträge des Betreibers der Kletterhalle und des Klägers ging das OLG allerdings von einer überwiegenden Haftung des Betreibers aus, so dass das Mitverschulden des Klägers lediglich mit 25 % bewertet wurde.
4 Hinweis für die Vorstandsarbeit
Für die Vereinsarbeit gelten die gleichen Grundsätze. Der Verein hat die Pflicht, die Benutzer vor Gefahren zu schützen, die über das übliche Risiko bei der Benutzung einer Sportanlage hinausgehen und vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne Weiteres erkennbar sind.
Nach § 31 BGB muss sich der Verein die schuldhafte Pflichtverletzung seiner Organe und Organmitglieder zurechnen lassen. Sollte also ein Repräsentant im Dienst des Vereins dessen Verkehrssicherungspflichten verletzt haben, ist der Verein schadensersatzpflichtig. Seine Schadensersatzpflicht tritt neben die der verantwortlich handelnden Person, sofern diese schuldhaft (mindestens) fahrlässig ihre Pflicht nicht erfüllt hat.
Fundstellen
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OLG Stuttgart, Urteil vom 17.03.2020, Az.: 6 U 194/18 |