1 Der Fall

Die Opposition im Verein – genannt "Arbeitskreis" – hatte im Rahmen eines Minderheitenbegehrens die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung gefordert. Ziel war die Neuwahl des Vorstandes. Der Vorstand des e. V. hatte dies abgelehnt, sodass die Opposition vor das Amtsgericht zog. Dieses ermächtigte den Arbeitskreis zur Einberufung nach § 37 BGB. Die Opposition berief danach mit dem Schreiben v. 15.6.2002 eine außerordentliche Mitgliederversammlung für den 20.7.2002 ein. Der amtierende Vorstand des e. V. zog nach und berief seinerseits mit einem Schreiben v. 17.7.2002 die Mitgliederversammlung für den 27.7.2002 ein.

Beide Versammlungen wurden durchgeführt, es fanden auch die Vorstandsneuwahlen – freilich mit unterschiedlichen Ergebnissen – statt. Die Opposition beantragte daraufhin die Eintragung des in ihrer Versammlung gewählten neuen Vorstands, was vom Registergericht abgelehnt wurde.

2 Das Urteil

In der zweiten Instanz kam das OLG Stuttgart zunächst zu dem Ergebnis, dass beide Mitgliederversammlungen (MV) wirksam einberufen worden sind. Die Befugnis zur Einberufung des Arbeitskreises ergab sich aus der Entscheidung des Amtsgerichts gem. § 37 Abs.2 BGB und die des Vorstandes aus der Satzung des e. V.

Von Bedeutung war zunächst die Klarstellung, dass das Minderheiteneinberufungsrecht des Arbeitskreises das Recht des Vorstandes nicht ersetzt und nur ein zusätzliches Einberufungsrecht darstellt. Die Einberufungsberechtigten können unabhängig voneinander von ihrer Befugnis Gebrauch machen.

Das Gericht stellt des weiteren klar, dass der Arbeitskreis durch seine vorrangige Einberufung nicht den Anspruch herleiten kann, dass diese MV vorrangig zu beurteilen war.

Ergebnis

Das OLG bewertete den vorliegenden Konflikt gleichzeitiger Einladungen zu örtlich und zeitlich versetzten MV mit fast gleicher Tagesordnung nach dem Grundsatz, dass solche Einladungen die Mitglieder verwirren und deshalb unwirksam sind. Beide Versammlungen konnten danach keine wirksamen Beschlüsse fassen.

 
Hinweis
  • Wessen Einberufung zuerst die Mitglieder erreicht, hat Vorrang, weil damit das Ziel des § 37 BGB erreicht ist und die verlangte MV stattfinden kann.
  • Wenn dagegen zwei Einladungen gleichzeitig die Mitglieder erreichen, sind beide konkurrierenden Einladungen wegen der ausgelösten Verwirrung der Mitglieder unwirksam.
  • Maßgebend ist nicht das Datum der Einladungen, sondern der Zeitpunkt des Zugangs der Einladungen bei den Mitgliedern.

3 Hinweise für den Vorstand

Der Fall des OLG Stuttgart wurde erstmalig in der Rechtsprechung entschieden und ist für die Praxis der Vereinsarbeit vor allem dann interessant, wenn es im Verein interne Grankämpfe gibt.

Folgende Konstellationen sind denkbar:

  • Wie im o. a. Fall setzt eine Minderheit des Vereins nach § 37 BGB eine außerordentliche MV durch, der Vorstand will der Opposition zuvor kommen und beruft ebenfalls ein.
  • Zwei sich intern bekämpfende Vorstandsmitglieder berufen jeweils unabhängig eine MV ein.
  • Der alte – zurückgetretene – Vorstand, der noch im Vereinsregister eingetragen ist und der neue amtierende Vorstand berufen jeweils eine MV ein.

Diese Fälle zeigen, dass – welcher Fall auch immer – der Verein dadurch in erhebliche Schwierigkeiten kommen kann und auch Fehlentscheidungen nicht ausgeschlossen sind.

Letztlich vermeiden kann man diese Situation nicht, vor allem dann, wenn – wie oben ausgeführt – gerade keine konkurriende Einberufung vorliegt. Es kommt dann die Einberufung zum Zuge, die zeitlich vorrangig war.

Auf jeden Fall ist der Vorstand gefragt:

  • Minderheitenbegehren nach §§ 36, 37 BGB müssen ernst genommen werden. Signale und Stimmungen im Verein sollten nicht unterschätzt werden.
  • In der Satzung sollte klar geregelt sein, wer das zuständige Einberufungsorgan des Vereins ist und welche Voraussetzungen vorliegen müssen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass es nicht zu "Konkurrenzsituationen" zwischen mehreren Berechtigten kommen kann.
  • Ein Vorstand, der noch im Vereinsregister eingetragen ist, obwohl er aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr im Amt ist, kann noch nach außen wirksam für den Verein handeln. Also: ein neuer Vorstand muss unverzüglich dafür sorgen, dass das Vereinsregister geändert wird.
 
Hinweis

Einschlägige Hinweise in Rechtsvorschriften

§§ 32, 36, 37 Abs.1 BGB

Fundstellen

OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.7.2003, Az.: 8 W 20/03

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