Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe des Verzugsschadens bei Ansprüchen auf Zahlung von Arbeitsentgelt. Anwendbarkeit der Pauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Die Neuregelung des § 288 Abs. 5 BGB findet auch auf arbeitsrechtliche Entgeltansprüche Anwendung.
2. Eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht ist nicht aufgrund der Wertung des§ 12a ArbGG geboten. Es fehlt an einer für eine Analogie zu § 12a ArbGG erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.
3. Die systematische Einordnung des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB im Zusammenhang mit den - unzweifelhaft auch auf Arbeitsentgeltansprüche anwendbaren - gesetzlichen Regelungen zum Verzugszins sowie dem weitergehenden Verzugsschaden gebietet eine Anwendung auch auf Arbeitsentgeltansprüche.
4. Gleiches gilt für den Zweck der Vorschrift des § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB, den Druck auf potentiell säumige Schuldner zu erhöhen, ihren Zahlungsverpflichtungen pünktlich und vollständig nachzukommen. Diese Zweckrichtung besteht gerade auch bei Arbeitsentgeltansprüchen.
5. Die Ausnahmevorschrift des § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB betrifft nur den - bei Arbeitsentgeltforderungen nicht bestehenden - außergerichtlichen Kostenerstattungsanspruch für Rechtsverfolgungskosten, nicht aber einen - nach dem Arbeitsgerichtsgesetz im zweitinstanzlichen Berufungsverfahrenbestehenden - prozessualen Kostenerstattungsanspruch.
Normenkette
BGB § 288 Abs. 5; ArbGG § 12a
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 26.04.2016; Aktenzeichen 1 Ca 2772/15 h) |
Tenor
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 26.04.2016, 1 Ca 2772/15 h, teilweise abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger über den erstinstanzlichen Tenor hinaus weitere 40.- Euro netto Pauschal-Schadenersatz nach § 288 Abs. 5 BGB nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (07.08.2015) zu zahlen.
- Im übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
- Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger zu 36 Prozent und die Beklagte zu 64 Prozent.Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu93 Prozent und die Beklagte zu 7 Prozent.
- Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über Ansprüche auf Branchenzuschläge und Pauschal-Schadensersatz nach § 288 Abs. 5 BGB.
Der am . .19 geborene Kläger war vom 15.10.2014 bis 30.06.2015 bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Er wurde hierbei im Wege der Arbeitnehmerüberlassung beim Kunden C in A , einem CD- und DVD-Hersteller, eingesetzt. Ausweislich des zur Gerichtsakte gereichten Arbeitszeugnisses (Anlage K9, Bl. 208 d. A.) war er hierbei mit der manuellen Konfektionierung (Einlegen von CDs in Verpackungen), der Kommissionierung von Ware, allgemeinen Lagertätigkeiten und internen Warentransporten betraut.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) und den DGB-Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche Anwendung. Aufgrund des Einsatzes des Klägers bei C ist hierbei grundsätzlich auch der Tarifvertrag über Branchenzuschläge für Arbeitnehmerüberlassungen in der chemischen Industrie (TV BZ Chemie) anwendbar.
Dieser sieht in § 2 Absatz 3) einen grundsätzlich mit zunehmender Einsatzdauer ansteigenden Branchenzuschlag als prozentualen Zuschlag auf das Stundentabellenentgelt des Entgelttarifvertrages Zeitarbeit vor. Die Höhe des Zuschlags beträgt für die Entgeltgruppen 1 und 2 nach der sechsten vollendeten Woche 15 Prozent, nach dem dritten vollendeten Monat 20 Prozent, nach dem fünften vollendeten Monat 30 Prozent, nach dem siebten vollendeten Monat 45 Prozent und nach dem neunten vollendeten Monat 50 Prozent des Stundentabellenentgelts.
Alsdann regelt jedoch § 2 Absatz 4 TV BZ Chemie:
"Der Branchenzuschlag ist auf die Differenz zum laufenden regelmäßig gezahlten Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebes beschränkt. Von diesem Stundenentgelt wird ein Eingliederungsabschlag von 10 Prozent vorgenommen. Der Kundenbetrieb hat das regelmäßig gezahlte Stundenentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers nachzuweisen."
In der Protokollnotiz zu § 2 Abs. 4 TV BZ Chemie heißt es:
"§ 2 Abs. 4 TV BZ Chemie ist eine Ausnahmeregelung, die die individuelle Ermittlung des laufenden, regelmäßig gezahlten Stundenentgeltes eines vergleichbaren Arbeitnehmers des Kundenbetriebes erfordert. Sie ermöglicht im Einzelfall eine Beschränkung des Branchenzuschlages, wenn der Kundenbetrieb eine entsprechende Deckelung geltend macht."
Wegen der Einzelheiten wird auf den zur Gerichtsakte gereichten Volltext des TV BZ Chemie Bezug genommen (Bl. 104 ff. d. A.).
Der tariflich geschuldete Stundenlohn des Klägers betrug 8,50 Euro bis einschließlich 31.03.2015 Euro und alsdann 8,80 Euro ab dem 01.04.2015. Dies entspricht der Entgeltgruppe 1. Dass der Kläger nach einer höheren Entg...