1 Kernaussagen der Entscheidung
- Bei einer sportlich angelegten Trainingsfahrt von Radfahrern gibt es keinen generellen Ausschluss der Haftung für gegenseitig verursachte Unfälle.
- Das typische Risiko der Pulkfahrt realisiert sich nicht, wenn es zum Unfall beim Überholvorgang im Rahmen einer "ruhigeren Ausfahrt" kommt.
2 Um was geht es in diesem Fall?
Ein Radsportler nahm mit dem späteren Beklagten des Verfahrens und 15 weiteren Teilnehmern an einer Fahrradtour teil. Auf einem bestimmten Streckenabschnitt wies die Fahrstrecke ein Gefälle auf. Der Kläger fuhr hier neben einem anderen Teilnehmer. Der Beklagte versuchte, diese beiden Teilnehmer zu überholen.
Als er dafür auf den unbefestigten Seitenstreifen ausweichen musste, kam es zur Berührung des Fahrrads des Beklagten mit dem neben dem Kläger fahrenden Teilnehmer. Dieser kollidierte daraufhin mit dem Kläger. Alle Teilnehmer stürzten. Der Kläger wurde gegen einen Baum geschleudert und zog sich erhebliche Verletzungen zu.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadensersatz für Heilbehandlungskosten und Dienstbezüge. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
3 Wie hat das Gericht entschieden?
Schadensersatzanspruch gegeben
Die Berufung des Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wegen des Unfalls zu. Der Beklagte hatte beim Überholen keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und deshalb die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen.
Die Beweisaufnahme hatte ergeben, dass der zum linken Fahrbahnrand vorhandene Raum zum gefahrlosen Überholen nicht ausgereicht hatte. Selbst nach den eigenen Angaben des Beklagten habe der Abstand zum Lenker des zu überholenden Teilnehmers der Gruppe maximal 48 cm betragen. Unter Berücksichtigung, dass die Körperbreite eines erwachsenen Mannes nicht mit der Lenkerbreite eines Rennrades identisch sei, habe tatsächlich ein noch geringerer Abstand vorgelegen.
"Indem der Beklagte trotz des geringen Platzes in dieser Situation überholte, hat er nicht beachtet, dass es wegen möglicher Schlenker zu gefährlichen Berührungen kommen könnte, und damit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und fahrlässig gehandelt.", so das OLG.
Keine Haftungsbeschränkung
Die Haftung des Beklagten war in diesem konkreten Fall auch nicht nach den Grundsätzen beschränkt, die bei der gemeinsamen Ausübung gefährlicher Sportarten zur Anwendung kommen.
Merke!
Grundsätzlich ist bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotenzial davon auszugehen, dass der schädigende Sportler für Schäden eines anderen Sportlers ohne gewichtige Regelverletzung nicht haftet.
Hintergrund hierfür ist, dass jeder Sportler durch die typischen Risiken in gleicher Weise betroffen ist und es mehr oder weniger vom Zufall abhänge, ob er zu Schaden kommt oder anderen Schaden zufügt.
Diese Grundsätze finden auch beim Radfahren im Pulk bei einer Trainingsfahrt Anwendung. Im vorliegenden Fall hat sich jedoch nicht das typische Risiko der gemeinsamen Trainingsfahrt im Pulk, im Windschatten mit geringem Abstand der hintereinander und nebeneinander fahrenden Teilnehmer realisiert.
Zum Unfallzeitpunkt habe sich die Teilnehmergruppe vielmehr bereits auseinandergezogen und "es war eine ruhige Phase der gemeinsamen Ausfahrt eingetreten". Ziel der Trainingsfahrt sei es gewesen, "schnell auf den Berg zu kommen und entspannt wieder herunterzurollen".
4 Wie hat das Gericht entschieden?
Unfälle zwischen Sportlern im Training und erst recht im Spiel oder Wettkampf sind an der Tagesordnung. Bekannt ist auch, dass es dabei zu erheblichen Verletzungen kommen kann, die das private und berufliche Leben und Fortkommen nachhaltig beeinträchtigen können.
Aus diesem Grund ist die versicherungsrechtliche Absicherung sowohl privat als auch über den Verein von zentraler Bedeutung. Vor allem die Versicherung über den Verein im Rahmen der so genannten Sportversicherungsverträge ist hier hervorzuheben. Dies setzt voraus, dass der Sportler Mitglied im Verein ist.
Fundstellen
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OLG Frankfurt a. M., Urteil v. 12.03.2020 – 1 U 31/19 |