1 Der Fall
Der Fall betrifft eine GmbH, ist in den Grundsätzen nach der Rechtsprechung auch auf einen Vorstand im e. V. zu übertragen.
Die Geschäftsleitung bestand aus einem technischen und kaufmännischen Geschäftsführer (GF) mit klar voneinander getrennten Aufgabengebieten. Die GmbH kam in Zahlungsschwierigkeiten und führte die einbehaltenen Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (SV) nicht an die klagende Einzugsstelle ab. Die Kläger erhob daher Schadensersatzklage wegen Verletzung der Geschäftsführungspflichten. Beklagter war der technische GF, der vertraglich für diesen Aufgabenbereich nicht zuständig war.
2 Das Urteil
Das OLG bestätigte das Urteil der Vorinstanz, wonach der beklagte GF zum Schadensersatz wegen Verletzung der Pflichten eines Geschäftsführers verurteilt worden war.
- Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur SV vorenthält, ist der Einzugsstelle zum Schadensersatz verpflichtet (§ 823 Abs.2 BGB i.V.m. 266a Abs.1 StGB), so auch die ständige Rechtsprechung des BGH.
- Ist Arbeitgeber eine juristische Person, so ist straf- und haftungsrechtlich verantwortlich das vertretungsberechtigte Organ, im Falle eines e. V. der Vorstand nach § 26 BGB.
- "Vorenthalten" sind erarbeitete Arbeitnehmerbeiträge zur SV dann, wenn sie bei Fälligkeit nicht an die zuständige Einzugsstelle abgeführt werden.
- Die Haftung nach § 266a Abs. StGB setzt Vorsatz des Vorstands voraus. D. h. das Wissen und Wollen des Vorstands, die Beiträge nicht abzuführen.
- Nach der Rechtsprechung ist von Vorsatz auszugehen, wenn das Bewusstsein und der Wille beim Vorstand vorhanden ist, die Abführung der Beiträge bei Fälligkeit zu unterlassen.
Im vorliegenden Fall lag das Problem darin, dass der Beklagte trotz seiner Kenntnis über die wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und darüber, dass die Beiträge zur SV nicht mehr abgeführt wurden, stillgehalten und dadurch seine Geschäftsführungspflichten verletzt hatte. Seine deliktische, d. h. haftungsrechtliche Verantwortung war damit auf die Überwachungspflicht des anderen Geschäftsführers beschränkt, der durch die interne Regelung der kaufmännische GF für diesen Bereich verantwortlich war.
Der BGH hat dazu in seinem Grundsatzurteil v. 9.1.2001 entschieden, dass eine solche Aufteilung der Geschäfte ("Ressortprinzip") straf- und haftungsrechtlich grundsätzlich zu beachten ist, da der GF seinen Handlungspflichten für die Gesellschaft auf unterschiedliche Weise, so auch durch die Mitwirkung an einer Regelung nachkommen darf, durch die jedem GF bestimmte Aufgaben zugewiesen werden.
Auch wenn Sie im Verein das Ressortprinzip eingeführt haben, verbleiben bei jedem Vorstandsmitglied Überwachungspflichten, die dazu führen, dass das Vorstandsmitglied eingreifen muss, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass die Pflichten des Vereins durch das intern zuständige Vorstandsmitglied nicht mehr erfüllt werden. Denn nach außen sind die Vorstandsmitglieder insgesamt verantwortlich.
Was hätte der Beklagte also tun müssen?
Es wäre nach den obigen Grundsätzen seine Pflicht gewesen, zu überprüfen, ob und dass aus den liquiden Mitteln der Gesellschaft zunächst die SV-Beiträge abgeführt werden. Notfalls hätte er sich darüber bei der Einzugsstelle rückversichern müssen, ob Verbindlichkeiten offen sind. Denn sozialversicherungsrechtliche Verbindlichkeiten müssen durch die Arbeitgeber vorrangig bedient werden.
3 Hinweise für den Vorstand
Der Fall ist äußerst lehrreich, denn er zeigt auf, welche Verantwortung die Mitglieder des Vorstands nach § 26 BGB insgesamt und gemeinsam tragen und dafür auch die haftungsrechtliche Verantwortung – vor allem bei der Erfüllung gesetzlicher Pflichten – haben.
Wesentliche Erkenntnisse für den Vorstand sind:
- Alle Vorstandsmitglieder sind gleichberechtigt und gleichermaßen verantwortlich für die Erfüllung der Pflichten des Vereins nach außen.
- Jedes Vorstandsmitglied haftet für das Handeln der anderen Vorstandsmitglieder mit.
- Eine Statistenrolle als Vorstand kann und darf es nicht geben!
- Eine interne Aufgabenverteilung (Ressortprinzip) wird von der Rechtsprechung allgemein anerkannt und ist damit ein wirksames Instrument zur internen Haftungsbeschränkung.
- Diese interne Zuteilung von Verantwortung hat nach außen seine Grenzen in der gegenseitigen Überwachungspflicht der Vorstandsmitglieder, vor allem dann, wenn sich der Verein in der finanziellen Schieflage befindet, bzw. Erkenntnisse vorliegen, dass eines der Vorstandsmitglieder seine Aufgaben und Pflichten für den Verein nicht mehr ordnungsgemäß erfüllt.
Einschlägige Hinweise in Rechtsvorschriften
Fundstellen
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OLG Frankfurt/M., Urteil v. 23.1.2004, Az.: 24 U 135/03 |