Prof. Dr. Peter Wollmert, Prof. Dr. Peter Oser
Zusammenfassung
Die ungebrochene Dynamik und Komplexität, mit der Gesetzgeber, Standardsetter sowie die Rechtsprechung die nationale und internationale Rechnungslegung fortentwickeln, stellen Aufsteller, Prüfer, Berater und Enforcer vor enorme Herausforderungen.
Dieses Kapitel widmet sich dem Enforcement auf nationaler und europäischer Ebene.
1 Nationales Enforcement
1.1 Reform der Bilanzkontrolle durch das FISG
Das am 10.6.2021 im BGBl veröffentlichte Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) sieht eine grundlegende Reform des deutschen Bilanzkontrollverfahrens vor. Für dieses ist ab dem 1.1.2022 allein die BaFin als staatliche Stelle mit hoheitlichen Befugnissen zuständig. Die privatrechtlich verfasste DPR stellt ihre Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt ein. Zum Jahresende 2021 bei der DPR anhängige Verfahren werden von der BaFin fortgeführt (§ 141 Abs. 1 WpHG n. F.). Auch für die Beschäftigten der DPR sieht das FISG grundsätzlich eine Übernahme durch die BaFin vor (§ 18b FinDAG n. F.).
Kernaussage
Das bislang zweistufig konzipierte Enforcement-System mit der DPR auf der ersten und der BaFin auf der zweiten Stufe wird zum 1.1.2022 in ein einstufiges Verfahren in der alleinigen Zuständigkeit der BaFin überführt.
Der Kreis der dem deutschen Enforcement unterliegenden Unternehmen ändert sich durch das FISG hingegen nicht. Betroffen sind weiterhin alle Unternehmen, die als Emittenten von zugelassenen Wertpapieren i. S. d. § 2 Abs. 1 WpHG die Bundesrepublik Deutschland als Herkunftsstaat haben (§ 106 Satz 1 WpHG n. F.). Bei konkreten Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften können nunmehr jedoch auch die Abschlüsse und Berichte der 2 Vorjahre (bisher: 1 Vorjahr) Prüfungsgegenstand sein; Stichprobenprüfungen sind insoweit unverändert nicht zulässig (§ 107 Abs. 2 WpHG n. F.).
Mit dem FISG stattet der Gesetzgeber die BaFin mit erweiterten hoheitlichen Befugnissen im Bilanzkontrollverfahren aus. So erhält die BaFin etwa die Befugnis zur Ladung und Vernehmung von Organmitgliedern und Beschäftigten des geprüften Unternehmens wie auch von dessen Abschlussprüfer (§ 107 Abs. 5 Satz 2 WpHG n. F.). Wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen, gelten diese Befugnisse gegenüber jedermann (z. B. Geschäftspartnern und Banken des geprüften Unternehmens). Ferner kann die BaFin Durchsuchungen von Geschäfts- und Wohnräumen durchführen und dabei Gegenstände sicherstellen bzw. beschlagnahmen, sofern dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben i. R. d. Bilanzkontrolle erforderlich ist (§ 107 Abs. 7 WpHG n. F.).
Stellt die BaFin eine fehlerhafte Rechnungslegung fest, kann sie auch feststellen, wie sich die Rechnungslegung ohne den Fehler dargestellt hätte (§ 109 Abs. 1 Satz 2 WpHG n. F.). Die Bekanntmachung festgestellter Fehler erfolgt künftig durch die BaFin selbst auf ihrer Internetseite, im Bundesanzeiger und in einem überregionalen Börsenpflichtblatt oder über ein elektronisch betriebenes Informationssystem (§ 109 Abs. 2 Satz 1 WpHG n. F.). Zusätzlich kann die BaFin im Einklang mit den materiellen Rechnungslegungsvorschriften anordnen, dass der Fehler unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der BaFin unter Neuaufstellung des Abschlusses oder Berichts für das geprüfte Geschäftsjahr oder im nächsten Abschluss oder Bericht zu berichtigen ist (§ 109 Abs. 2 Satz 4 WpHG n. F.). Die Behebung bekannt gemachter Fehler durch das Unternehmen wird ebenfalls durch die BaFin bekannt gemacht (§ 109 Abs. 2 Satz 5 WpHG n. F.). Ferner wird die BaFin auch zur Weitergabe von Entscheidungen zur Veröffentlichung durch die ESMA ermächtigt (§ 111 WpHG n. F.).
Änderungen ergeben sich auch in Hinblick auf die Bekanntmachung von Enforcement-Verfahren. So kann die BaFin eine Prüfungsanordnung unter Nennung des betroffenen Unternehmens und den Grund im Bundesanzeiger und auf ihrer Internetseite bekannt machen, soweit hieran ein öffentliches Interesse besteht (§ 107 Abs. 1 Satz 6 WpHG n. F.); in diesem Fall macht die BaFin auch das Prüfungsergebnis bekannt (§ 109 Abs. 3 Satz 2 WpHG n. F.). Ferner kann die BaFin auf ihrer Internetseite auch wesentliche Verfahrensschritte und im Laufe des Verfahrens gewonnene Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Rechnungslegung unter Nennung des betroffenen Unternehmens bekannt machen, soweit hieran ein öffentliches Interesse besteht (§ 107 Abs. 8 WpHG n. F.).
Soweit der BaFin, der APAS, dem BMF, dem BMJV oder dem BMWi i. R. d. Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben Informationen, Tatsachen oder Bewertungen bekannt werden, die von der BaFin durchgeführte Prüfungen oder die Rechnungslegung von zu prüfenden Unternehmen betreffen, dürfen die genannten Behörden diese Informationen untereinander austauschen; es gelten insoweit keine gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten (§ 109a WpHG n. F.).
1.2 Prüfungsschwerpunkte für Abschlüsse 2021
Die ESMA wird die gemeinsamen europäischen Enforcement-Prioritäten für Abschlüsse des Jahres 2021 voraussichtlich Ende Oktober 2021 veröffentlichen. Ob darüber hinaus die BaFin – wie in der Vergangenheit die DPR – auch noch nationale Ergänzungen veröffent...