Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebungsvertrag aus Anlaß eines Betriebsübergangs
Normenkette
BGB §§ 613a, 133, 157, 313
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 2. August 1995 – 2 Sa 443/95 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses. Des weiteren beansprucht der Kläger Zahlung einer Abfindung.
Der Kläger war seit dem 1. Juli 1993 bei der W. V. KG. (im folgenden: V. KG) zu einem Arbeitsentgelt von monatlich 8.500,00 DM brutto beschäftigt. Im Januar 1994 wurde der Gesellschaftsvertrag zur Gründung der W. V. S. GmbH (im folgenden: V. GmbH) notariell beurkundet, deren Gegenstand u.a. der Güterfernverkehr sein sollte. Anfang Mai 1994 wurden die Güterfernverkehrsgenehmigungen, die für die V. KG bestanden, auf die V. GmbH umgeschrieben. In der Zeit von Mai bis einschließlich August 1994 erhielt der Kläger sein Gehalt von der V. GmbH. Durch Übernahmevertrag vom 13. August 1994 erwarb die Beklagte mit Wirkung vom 1. September 1994 von der V. GmbH deren Betriebsteil Güterfernverkehr. Sie übernahm die zugehörigen Lastkraftwagen und Güterfernverkehrsgenehmigungen und beschäftigte die in einer Personalliste aufgeführten ehemaligen Arbeitnehmer der V. GmbH weiter. Unter dem 15. August 1994 schlossen der Kläger und die durch Herrn W. V. vertretene V. GmbH einen Vertrag folgenden Inhalts:
„Aufhebungsvertrag zum Angestelltenvertrag vom 1.7.93
Die Parteien W. V. GMBH., E., hier Herr W. V. sowie Herr N. G., E. vereinbaren zu dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis folgenden Aufhebungsvertrag, da Hr. G. bei dem anstehenden Verkauf der Fernverkehrsabteilung an die Fa. J. GmbH., T. nicht weiterbeschäftigt werden kann.
Herr G. beendet zum 31.8.94 das bestehende Arbeitsverhältnis.
Hierfür erhält Herr G. von der Fa. W. V. GmbH bzw. dessen persönlich haftenden Gesellschafter Herrn W. V., Kaufmann, E. folgende Abfindung: 6 Monatsbruttogehälter als Nettoauszahlung in Höhe von DM 51.000,00, sowie den von ihm genutzten Firmen-PKW Marke BMW 318 i, amtl. Kennz. PI-HV 22, kostenfrei, als weiterer Bestandteil der getroffenen Abfindungsvereinbarung. Der PKW ist von der Fa. V., spätestens zum 15.09.94 aus dem bestehenden Leasingvertrag der Fa. A., H., Bestands-No.: … auszulösen und Herrn G. zum genannten Termin zusammen mit dem KFZ-Brief, Kostenlos zu übergeben.
Der persönlich haftende Gesellschafter der Spedition V., Herr W. V. erklärt hiermit rechtsverbindlich die Einhaltung obiger Vereinbarungen zum 15.9.94. Diese Frist verlängert sich längstens bei evtl. Verzögerung des anstehenden Verkaufes bis zum 30.9.94. Andernfalls erklärt hiermit Herr V. an Eidesstatt eine Befriedigung der geschlossenen Vereinbarung aus dem Verkauf des Firmengrundstückes der Firma W. V. KG., E. vorzunehmen, ggf. durch notariell beglaubigte Eintragung als Grundschuld auf das Grundstück.
Durch die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen endet das Beschäftigungsverhältnis von Herrn G., weitere gegenseitige Forderungen und Verpflichtungen bestehen dann nicht mehr. W. V. N. G.”
Die am 1. September 1994 in das Handelsregister eingetragene V. GmbH zahlte aufgrund dieses Vertrages an den Kläger 30.000,00 DM. Im Oktober 1994 wurde über das Vermögen der V. GmbH das Konkursverfahren eröffnet.
Mit Schreiben vom 19. September 1994 forderten die jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers die Beklagte zur Erfüllung der restlichen Verpflichtungen aus dem Aufhebungsvertrag auf. Vorsorglich boten sie die Arbeitskraft des Klägers an.
Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten erklärten mit Schreiben vom 26. September 1994 namens ihrer Mandantin eine vorsorgliche fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Mit Schreiben vom 12. Januar 1995 kündigte die Beklagte erneut vorsorglich betriebsbedingt zum nächstzulässigen Termin.
Der Kläger macht die Unwirksamkeit der Kündigungen geltend und fordert Zahlung der nach dem Aufhebungsvertrag noch ausstehenden 21.000,00 DM Abfindung sowie weiterer 30.000,00 DM als Wertersatz für den nicht erhaltenen Pkw.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, sein Arbeitsverhältnis mit der V. GmbH sei gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch die fristlose Kündigung noch durch eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 26. September 1994 und auch nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 12. Januar 1995 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zu zahlen in Höhe von netto DM 51.000,00 zzgl. 4 % Zinsen p.a. seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, bei ihr sei für einen Betriebsleiter kein Arbeitsplatz vorhanden.
Das Arbeitsgericht hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 26. September 1994 zum 31. Oktober 1994 beendet worden sei und hat die Klage im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und die Revision zugelassen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn zwischen den Parteien hat kein Arbeitsverhältnis bestanden.
I. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist durch den Aufhebungsvertrag vom 15. August 1994 mit Wirkung vom 31. August 1994 aufgelöst worden und nicht gemäß § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen.
1. Der Aufhebungsvertrag vom 15. August 1994 ist unbedingt geschlossen worden.
a) Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist gemäß § 133 BGB der wirkliche Wille zu erforschen. Verträge sind gemäß § 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Daher sind sämtliche Umstände, die von Bedeutung sein könnten, zu berücksichtigen (BAG Urteil vom 17. April 1970 – 1 AZR 302/69 – AP Nr. 32 zu § 133 BGB).
b) Der Aufhebungsvertrag vom 15. August 1994 enthält in seinem ersten Absatz die Begründung dafür, daß der Kläger wegen des anstehenden Verkaufs der Fernverkehrsabteilung der V. GmbH an die Beklagte nicht weiterbeschäftigt werden kann. Der zweite Absatz regelt uneingeschränkt und unbedingt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 1994. In den folgenden Sätzen werden die dem Kläger zu erbringenden Leistungen festgesetzt. Im Schlußsatz des Vertrages wird klargestellt, daß weitere gegenseitige Forderungen und Verpflichtungen nicht mehr bestehen.
c) Der Vertrag sollte bereits mit seinem Abschluß bindende Wirkungen entfalten. Während die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses per 31. August 1994 vereinbart wurde, einigten sich die Parteien hinsichtlich der zu erbringenden Gegenleistungen auf den 15. September 1994 als Termin. Die damit der V. GmbH eingeräumte Leistungsfrist sollte sich ohne weiteres bis zum 30. September verlängern. Die Parteien bedachten und regelten auch den Fall, daß die Voss GmbH bis zu diesem Termin nicht leisten würde. Für diesen Fall wurde dem Kläger eine Befriedigung aus dem Verkaufserlös des Betriebsgrundstücks bzw. eine Sicherung durch Bestellung einer Grundschuld versprochen.
War somit von vornherein die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu einem Termin vorgesehen, zu dem die Gegenleistungen der V. GmbH noch gar nicht fällig waren, steht dies der Annahme einer aufschiebenden oder auch einer auflösenden Bedingung entgegen.
d) Soweit das Landesarbeitsgericht vermutet, der Kläger habe nur dann aus den Diensten der V. GmbH ausscheiden wollen, wenn die Abfindungsleistungen erbracht werden, berücksichtigt es nicht, daß für ein solches Interesse weder Anhaltspunkte im Vertrag vorliegen noch entsprechende Begleitumstände vorgetragen sind. Die Vertragsparteien gingen vielmehr im ersten Satz ihres Vertrages übereinstimmend davon aus, daß der Kläger wegen des anstehenden Verkaufs der Fernverkehrsabteilung nicht weiterbeschäftigt werden könne. Weiter läßt die vereinbarte persönliche Leistungsverpflichtung des Herrn W. V. darauf schließen, daß der Kläger auf jeden Fall aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und dafür die vereinbarten Abfindungsleistungen erhalten wollte.
Andernfalls ließe sich keine Erklärung dafür finden, warum der Kläger sich mit der Eintragung einer Grundschuld begnügen wollte, durch die er zunächst nur eine Sicherung seiner Forderung, nicht aber die Erfüllung erlangt hätte.
2. Der Aufhebungsvertrag vom 15. August 1994 ist nicht unwirksam.
a) Soweit der Vertrag die Erklärung des Herrn V. „an Eidesstatt” enthält, „eine Befriedigung der geschlossenen Vereinbarung aus dem Verkauf des Firmengrundstückes … vorzunehmen”, liegt kein Verstoß gegen das Formerfordernis des § 313 BGB vor.
Eine bindende und durchsetzbare Verpflichtung zum Verkauf des Grundstücks ist darin schon deshalb nicht enthalten, weil der Vertragspartner weder bestimmt wurde noch bestimmbar ist. Herr V. hat sich mit dieser Formulierung gegenüber dem Kläger nicht verpflichtet, das Grundstück an ihn oder einen bestimmten bzw. von ihm zu bestimmenden Dritten zu veräußern.
Die versprochene „Eintragung als Grundschuld auf das Grundstück” ist ebenfalls formfrei möglich gewesen. Die Verpflichtung zur Belastung eines Grundstücks unterfällt nicht dem Formerfordernis des § 313 BGB.
b) Der Aufhebungsvertrag ist nicht wegen Umgehung von § 613 a BGB nichtig. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Aufhebungsvertrag gem. § 134 BGB nichtig sein, wenn er objektiv der Umgehung der zwingenden Rechtsfolgen des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB dient (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 11. Juli 1995 – 3 AZR 154/95 – AP Nr. 56 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Dies kann anzunehmen sein, wenn Arbeitnehmer mit dem Hinweis auf eine geplante Betriebsveräußerung und bestehende Arbeitsplatzangebote des Betriebserwerbers veranlaßt werden, ihre Arbeitsverhältnisse mit dem Betriebsveräußerer selbst fristlos zu kündigen oder Auflösungsverträgen zuzustimmen, um dann mit dem Betriebserwerber neue Arbeitsverträge abschließen zu können (vgl. nur BAG Urteil vom 11. Februar 1992 – 3 AZR 117/91 – AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung). Jedenfalls werden mit einer solchen Vertragsgestaltung verbundene Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen nicht ohne weitere Prüfung ihrer Berechtigung hinzunehmen sein (vgl. BAG Urteil vom 12. Mai 1992 – 3 AZR 247/91 – AP Nr. 14 zu § 1 BetrAVG Betriebs Veräußerung).
Hiervon zu unterscheiden sind jedoch Vereinbarungen, die zwischen dem Arbeitnehmer und dem alten oder dem neuen Betriebsinhaber geschlossen werden und auf ein endgültiges Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet sind. Solche Verträge werden von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ohne Rücksicht auf ihre sachliche Berechtigung als wirksam angesehen (vgl. nur BAG Urteil vom 29. Oktober 1975 – 5 AZR 444/74 – BAGE 27, 291 = AP Nr. 2 zu § 613 a BGB; BAG Urteil vom 11. Juli 1995 – 3 AZR 154/95 – AP Nr. 56 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel). Damit trägt die Rechtsprechung dem Umstand Rechnung, daß der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber widersprechen und damit den Eintritt der Rechtsfolgen des § 613 a BGB verhindern kann (vgl. BAG Urteil vom 11. Juli 1995, a.a.O., unter Hinweis auf BAG Urteil vom 22. April 1993 – 2 AZR 313/92 – AP Nr. 102 zu § 613 a BGB).
II. Ist somit der Aufhebungsvertrag des Klägers wirksam zustande gekommen, hat das Arbeitsverhältnis des Klägers im Zeitpunkt des Betriebsübergangs nicht mehr bestanden und ist nicht auf die Beklagte übergegangen. Die von der Beklagten vorsorglich erklärten Kündigungen sind rechtlich ins Leere gegangen. Die Beklagte schuldet dem Kläger keine Abfindung und keinen Wertersatz für den Pkw.
III. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Unterschriften
Dr. Wittek, Müller-Glöge, Mikosch, Schömburg, Hickler
Fundstellen
Haufe-Index 917943 |
NZA 1999, 262 |
ZInsO 1998, 191 |