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BAG Urteil vom 26.01.2017 - 2 AZR 68/16

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Personenbedingte Änderungskündigung. Unbestimmtes Vertragsangebot

Orientierungssatz

Das mit einer Änderungskündigung verbundene Angebot auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags muss die „versprochenen Dienste” iSv. § 611 Abs. 1 BGB und damit die Art der geschuldeten Arbeitsleistung(en) erkennen lassen.

Normenkette

KSchG § 2; KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 145; BGB § 611; BGB § 623

Verfahrensgang

LAG Nürnberg (Urteil vom 16.06.2015; Aktenzeichen 7 (2) Sa 229/07)

ArbG Weiden (Urteil vom 18.12.2006; Aktenzeichen 5 Ca 468/06 S)

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 16. Juni 2015 – 7 (2) Sa 229/07 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 18. Dezember 2006 – 5 Ca 468/06 S – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 30. März 2006 sozial ungerechtfertigt ist.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Von Rechts wegen!

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung.

Der Kläger war bei der Beklagten, in deren Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, seit März 1997 als Elektrotechniker tätig. Das vertraglich vereinbarte Aufgabengebiet umschloss ua. die Softwareerstellung.

Im November 2001 erlitt der Kläger bei einem Verkehrsunfall schwere Kopfverletzungen. Im Dezember 2005 führte die Beklagte einen Arbeitstest durch, bei dem der Kläger vorhandene Sicherheits-SPS anpassen sollte. Als Ergebnis des Tests hat die Beklagte gemeint, der Kläger könne keine komplexen Programmiertätigkeiten in diesem Bereich mehr durchführen. Unter dem 30. März 2006 erklärte sie eine Änderungskündigung. In dem Kündigungsschreiben heißt es auszugsweise:

„…

Sehr geehrter [Kläger],

hiermit kündigen wir das Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgemäß zum 30.06.2006, gleichzeitig bieten wir Ihnen ein Arbeitsverhältnis an zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen mit folgenden Abweichungen:

Folgende Punkte werden abgeändert:

1. Tätigkeit und Aufgabengebiet

[Der Kläger] (nachfolgend Arbeitnehmer genannt), tritt als Elektrotechniker in das Unternehmen ein. Das Aufgabengebiet umschließt die Software-Erstellung, Projektbetreuung und –abwicklung, Inbetriebsetzung, Kundenschulung usw. In das Aufgabengebiet wird der Arbeitnehmer ca. ein halbes Jahr eingearbeitet. Der Arbeitnehmer erklärt sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit Einsätzen auf Baustellen einverstanden.

3. Bezüge

Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit eine monatliche Vergütung von

brutto EUR 2.709,

und lautet neu:

1. Tätigkeit und Aufgabengebiet

[Der Kläger] (nachfolgend Arbeitnehmer genannt), tritt als Elektrotechniker in das Unternehmen ein. Das Aufgabengebiet umschließt alle Arbeiten im Lager, vorrangig Fahrer- und Kuriertätigkeiten, hierzu gehören ua. das Be- und Entladen von Baustellen- oder sonstigem Material in und von Transportfahrzeugen, Staplerfahren sowie allgemeine Lagertätigkeiten usw.

In das Aufgabengebiet wird [der Kläger] ca. einen Monat eingearbeitet. Der Arbeitnehmer erklärt sich im Rahmen seiner Tätigkeit mit Einsätzen auf Baustellen einverstanden.

3. Bezüge

Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit einen Stundenlohn von

brutto EUR 8,50

…”

Der Kläger hat das mit der Kündigung verbundene Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu neuen Vertragsbedingungen rechtzeitig unter Vorbehalt angenommen und fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Er sei weiterhin in der Lage, den Arbeitsvertrag zu erfüllen. Das mit der Kündigung verbundene Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrags sei nicht hinreichend bestimmt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 30. März 2006 sozial ungerechtfertigt und unwirksam ist.

Beide Vorinstanzen sind dem Klageabweisungsantrag der Beklagten gefolgt. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die mit der Kündigung der Beklagten vom 30. März 2006 erstrebte Änderung der Arbeitsvertragsbedingungen ist sozial nicht gerechtfertigt.

A. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts erweist sich in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft.

I. Das Berufungsgericht hat – erstens – angenommen, der Kläger sei dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Diese Annahme wird von seinen Feststellungen nicht getragen. Dass der Kläger „die an sich geschuldeten Programmierarbeiten nicht (mehr) durchführen” und „auf dem arbeitsvertraglichen Arbeitsplatz” nicht mehr eingesetzt werden kann, besagt für sich genommen lediglich, dass er einen Teilbereich des vereinbarten Leistungsspektrums nicht mehr abzudecken vermag. Ein solcher Sachverhalt ist nicht mit dem einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit vergleichbar, die es dem Arbeitnehmer unmöglich macht, die vertraglich festgelegte Arbeitsleistung überhaupt zu erbringen (BAG 22. Oktober 2015 – 2 AZR 550/14 – Rn. 29; 9. April 2014 – 10 AZR 637/13 – Rn. 24, BAGE 148, 16).

II. Das Landesarbeitsgericht hat – zweitens – nicht geprüft, ob das mit der Kündigung verbundene Vertragsangebot so konkret gefasst war, dass es der Kläger ohne Weiteres annehmen konnte (§ 145 BGB, BAG 17. Februar 2016 – 2 AZR 613/14 – Rn. 18).

III. Das Berufungsgericht hat – drittens – nicht festgestellt, aufgrund welcher Umstände die mit einer Änderung des Aufgabenbereichs einhergehende Absenkung der Vergütung auf einen Stundenlohn von 8,50 Euro brutto sozial gerechtfertigt sein sollte (BAG 3. April 2008 – 2 AZR 500/06 – Rn. 25; 29. März 2007 – 2 AZR 31/06 – Rn. 32).

B. Die Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts zwingen nicht zu einer Zurückverweisung. Der Senat kann abschließend entscheiden, dass die von der Beklagten unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1) erstrebte Änderung der Arbeitsbedingungen sozial nicht gerechtfertigt war. Der Kläger konnte nicht ausreichend erkennen, welche Arbeitsleistung er fortan schulden sollte.

I. Es kann unterstellt werden, dass dem Kläger aufgrund vorangegangener Erläuterungen klar sein musste, er solle überhaupt nicht mehr als Elektrotechniker eingesetzt werden und dass ein solcher Wille der Beklagten in dem Kündigungsschreiben hinreichenden Anklang gefunden hat (§ 623 BGB, BAG 25. April 2013 – 2 AZR 960/11 – Rn. 31; BGH 11. Februar 2010 – VII ZR 218/08 – Rn. 12). Für Tätigkeiten eines Elektrotechnikers wäre ein Stundenlohn von 8,50 Euro brutto nach dem frei ausgehandelten Gehaltsgefüge bei der Beklagten unstreitig deutlich zu niedrig.

11. Jedenfalls war das mit der Kündigung verbundene Fortsetzungsangebot hinsichtlich der ausdrücklich vorbehaltenen „Einsätze auf Baustellen” nicht derart konkret gefasst, dass es der Kläger ohne Weiteres hätte annehmen können. Er konnte insoweit die für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist „versprochenen Dienste” iSv. § 611 Abs. 1 BGB, die Art der geschuldeten Arbeitsleistung(en), nicht ausreichend erkennen.

1. Sollten Tätigkeiten eines Elektrotechnikers überhaupt nicht mehr zugewiesen werden können, musste dies auch für mögliche „Einsätze auf Baustellen” gelten.

2. Dem Kündigungsschreiben ließ sich nicht entnehmen, der Kläger solle auch im Rahmen von „Einsätzen auf Baustellen” mit den aufgeführten Hilfstätigkeiten befasst werden, die ausdrücklich als „Arbeiten im Lager” bzw. „Lagertätigkeiten” bezeichnet sind. Das gilt umso mehr, als nach dem ihm bekannten Sprachgebrauch bei der Beklagten mit „Baustellen” alle auswärtigen Einsätze bei Kunden gemeint sind.

3. Schließlich konnte der Kläger aus dem festgelegten Stundenlohn nicht mittelbar auf die Art der ihm auf „Baustellen” zuzuweisenden Tätigkeiten rückschließen, weil im Betrieb der Beklagten kein kollektives Entgeltschema bestand und damit nicht bestimmte Tätigkeiten oder doch Tätigkeitsmerkmale einer Entgeltgruppe zugeordnet waren (BAG 28. Oktober 2010 – 2 AZR 688/09 – Rn. 19; 13. Juni 2012 – 7 AZR 169/11 – Rn. 20, 21).

4. Entscheidungserheblicher weiterer Vortrag der Beklagten steht nicht zu erwarten. Die Beklagte hat mit ihren auf die Hinweise des Senats vom 16. November 2016 und 9. Januar 2017 eingereichten Schriftsätzen vom 12. Dezember 2016 und 17. Januar 2017 nicht behauptet, dem Kläger sei vor Übergabe des Kündigungsschreibens vom 30. März 2006 erklärt worden, welche Arten von Aufgaben auf „Baustellen” Gegenstand des Fortsetzungsangebots sein sollten. Vielmehr hat sie ausgeführt, dass ihm nach Möglichkeit „abwechslungsreichere und anspruchsvollere Tätigkeiten” (nicht aber solche eines Elektrotechnikers oder gar Programmierers) zugewiesen werden sollten.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Unterschriften

Koch, Berger, Niemann, B. Schipp, Niebler

Fundstellen

  • Haufe-Index 10458563
  • BB 2017, 692
  • NJW 2017, 1837
  • NJW 2017, 10
  • FA 2017, 152
  • NZA 2017, 499
  • AP 2017
  • EzA-SD 2017, 3
  • SPA 2017, 83
  • AUR 2017, 219
  • ArbR 2017, 222
  • ArbRB 2017, 104
  • NJW-Spezial 2017, 274
  • RdW 2017, 341
  • StX 2017, 383
  • RohR 2018, 28

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