Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrung der Stellungnahmefrist des Betriebsrates
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anhörungsfrist für den Betriebsrat wird auch dann gewahrt, wenn die Arbeitgeberin am letzten Tag der Frist vor Fristablauf ein Kündigungsschreiben an einen Kurierdienst zur Zustellung am folgenden Tag übergibt.
2. Das Kündigungsschreiben hat den Machtbereich der Arbeitgeberin durch die Übergabe an den Kurierdienst noch nicht verlassen, wenn der Kurierdienst telefonisch erreichbar und die Zustellung der Sendung noch verhinderbar ist.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Oberhausen (Urteil vom 22.02.2002; Aktenzeichen 2 Ca 2143/01) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 22.02.2002 – 2 Ca 2143/01 – abgeändert.
2. Die Klage wird unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 07.12.2001 abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebeninter vention trägt der Kläger mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten im Termin am 07.12.2001 entstandenen Mehrkosten, die die Beklagte zu tragen hat.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten.
Der 44-jährige Kläger war seit dem 02.05.2001 als Mitarbeiter auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 27.04.2001, wegen dessen genauen Inhalts auf Bl. 14 – 16 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Bestimmungen des geltenden Rahmentarifvertrages für die Arbeitnehmer der B. B. Schutz & Service GmbH sowie die ihn ergänzenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Die tarifvertragliche Arbeitszeit beträgt 173 Stunden im Monat, der Stundenlohn des Klägers belief sich auf 20,12 DM brutto, was 10,29 EUR entspricht.
Mit Schreiben vom 15.08.2001 (Bl. 96 der Gerichtsakte) teilte der gemäß Zuordnungstarifvertrag als Übergangsbetriebsrat für die Beklagten zuständige Betriebsrat der Niederlassung Frankfurt am Main, mit, dass „im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Intensivierung mit der Niederlassungsleitung” ein Betriebsausschuss Niederlassung Baustellenservice gebildet worden ist, dem u. a. Herr H. G. als Vorsitzender und Herr M. M. als Schriftführer/Protokollant angehörten. In diesem Schreiben heißt es außerdem:
„Des weiteren wurden durch den Betriebsrat F. (gem. ZuordTV Übergangsbetriebsrat der Niederlassung Baustellenservice) diesem Ausschuss folgende Kompetenzen übertragen:
Alle Beteiligungstatbestände die den Baustellenservice betreffen, sind vom Arbeitgeber dem Betriebsausschuss Niederlassung Baustellenservice zuzuleiten, der auch gleichzeitig direkter Ansprech- und Verhandlungspartner in allen baustellenservicerelevanten Angelegenheiten ist.”
Mit Schreiben vom 31.08.2001 (Bl. 17 der Gerichtsakte), das Herrn G. am 03.09.2001 für den Betriebsrat zuging (vgl. Empfangsbestätigung Bl. 82 der Gerichtsakte) hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers innerhalb der Probezeit an.
Am 10.09.2001 um 17:00 Uhr übergab die Personalleiterin der Beklagten, Frau T., dem Kurierdienst U. das Kündigungsschreiben mit dem Auftrag, dieses am 11.09.2001 um 10:00 Uhr dem Kläger zuzustellen. Mit Schreiben vom 05.06.2002 (Bl. 149 der Gerichtsakte) teilte der Kurierdienst U. der Beklagten zur Abwicklung seiner Aufträge folgendes mit:
„Bei telefonischer Auftragserteilung wird Ihr Auftrag zur Abholung mit entsprechender Abholungszeit auf einen Tourenplan übertragen. In Ihrem Fall war das wohl 17:00 Uhr.
Ihre Sendung kommt dann nach Beenden der Tour ca. 20 – 20.30 Uhr in unsere Abfertigung und wird dann wie alle anderen geroutet und für den weiteren Versand zum Hauptumschlag vorbereitet.
Bis zur Verladung ins Nachtlinienfahrzeug ca. 23:30 Uhr, können wir die Sendung zurückhalten. Ab dann ist sie im Nachtliniensystem und könnte frühestens morgens nach ihrer telefonischen Order von uns zwischen 7:00 – 8:00 Uhr, in der jeweiligen Auslieferstation zurückgehalten werden.”
Mit Schreiben vom 10.09.2001 (Bl. 2 a der Gerichtsakte), das dem Kläger am 11.09.2001 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 25.09.2001. Gegen diese Kündigung, die das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig nicht vor dem 15.10.2001 beendet hat, wendet sich der Kläger mit seiner am 12.09.2001 bei dem Arbeitsgericht Oberhausen eingegangenen und der Beklagten am 17.09.2001 zugestellten Klage.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei nicht gerechtfertigt und somit unwirksam. Kündigungsgründe seien nicht gegeben. Der Kläger hat bestritten, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist. Er hat gemeint, die im Anhörungsschreiben mitgeteilten Kündigungsgründe seien wenig bis gar nicht substantiiert. Er habe sich zum Zeitpunkt seiner Kündigung nicht mehr in der Probezeit befunden. A...