Entscheidungsstichwort (Thema)
Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds bei Entscheidung in eigener Sache
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betriebsratsmitglied ist wegen Interessenkollision verhindert, an einer die eigene Umgruppierung betreffenden Beschlußfassung des Betriebsrats und auch an der ihr vorangehenden Beratung teilzunehmen.
2. Für das verhinderte Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu laden. Die Nichtbeachtung dieser Pflicht führt zur Unwirksamkeit des Beschlusses, mit dem der Betriebsrat die Zustimmung zur Umgruppierung verweigert. Mit Ablauf der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG gilt in diesem Fall die Zustimmung mangels wirksamer Verweigerung als erteilt.
Normenkette
BetrVG §§ 25, 29, 33, 99
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 17. Dezember 1997 – 9 TaBV 6/96 – wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Beschlusses, mit dem der Betriebsrat seine Zustimmung zur Umgruppierung des Betriebsratsvorsitzenden verweigert hat.
Die Arbeitgeberin wendet die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen an, darunter den Lohnrahmentarifvertrag vom 28. November 1990/8. März 1991 (LRTV). Sie beschäftigt den Arbeitnehmer E als Montageschlosser. E war zum hier maßgeblichen Zeitpunkt Vorsitzender des im Betrieb gewählten fünfköpfigen Betriebsrats. Nach dem Wahlergebnis standen drei Ersatzmitglieder zur Verfügung. Eines dieser Ersatzmitglieder rückte 1995 für ein ausscheidendes Betriebsratsmitglied nach.
E war als Montageschlosser eingruppiert in Lohngruppe 6 LRTV. Mit Schreiben vom 13. März 1995 beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zur Herabgruppierung in die Lohngruppe 5 LRTV. Die bisherige Eingruppierung sei nicht tarifgerecht und deshalb zu korrigieren. Gleichzeitig beantragte sie die Zustimmung zur Herabgruppierung weiterer vier Arbeitnehmer jeweils von Lohngruppe 7 nach Lohngruppe 5 LRTV. Dabei handelte es sich um zwei Montageschlosser, einen Blechschlosser und einen Elektriker. Auch insoweit bezog sich die Arbeitgeberin auf eine notwendige Korrektur der bisherigen Eingruppierungen.
Der Betriebsrat beschloß in seiner Sitzung am 15. März 1995, den geplanten Umgruppierungen zu widersprechen, und zwar auch der Umgruppierung des Betriebsratsvorsitzenden E. Dieser nahm an der Betriebsratssitzung und der Beratung teil, nicht jedoch an der ihn betreffenden Abstimmung. Ein Ersatzmitglied für E war nicht geladen worden. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin das Ergebnis der Beschlußfassung mit Schreiben vom 17. März 1995 mit, welches von E unterzeichnet war.
Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats sei unwirksam, da ihr ein fehlerhafter Beschluß zugrunde liege. E habe sich wegen seiner persönlichen Betroffenheit nicht an der Beratung beteiligen dürfen. Dem stehe nicht entgegen, daß die Mitbestimmung bei Umgruppierungen keine Regelungsfrage betreffe, sondern nur die Mitbeurteilung einer Rechtsfrage, nämlich der Richtigkeit der vorgesehenen Umgruppierung. Der auch hier entstehende Interessenkonflikt verbiete eine Beteiligung des selbst betroffenen Betriebsratsmitglieds. Deshalb hätte ein Ersatzmitglied geladen werden müssen. Da der Verstoß zur Nichtigkeit des Betriebsratsbeschlusses führe, habe der Betriebsrat innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG seine Zustimmung zur beabsichtigten Umgruppierung nicht wirksam verweigert. Sie gelte daher mit Ablauf der Wochenfrist als erteilt.
Zumindest sei die Zustimmung zu ersetzen, da E tatsächlich nur die Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppe 5 LRTV erfülle.
Die Arbeitgeberin hat beantragt
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge abzuweisen.
Er hält den Beschluß für wirksam. E sei nicht verhindert gewesen, an der Beratung teilzunehmen. Als bloßes Recht zur Mitbeurteilung der richtigen Eingruppierung erfasse das Mitbestimmungsrecht bei Ein-/Umgruppierungen nicht die Person des Arbeitnehmers, sondern nur den Arbeitsplatz. Deshalb liege keine unmittelbare Interessenkollision vor. Jedenfalls führe die bloße Teilnahme an der Beratung noch nicht zur Unwirksamkeit des ohne E gefaßten Beschlusses. Die Eingruppierung in Lohngruppe 6 LRTV sei im übrigen tarifgerecht, die Zustimmungsverweigerung daher sachlich berechtigt.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge der Arbeitgeberin abgewiesen. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht dem Hauptantrag stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die Arbeitgeberin bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Am 3. Mai 1999 ist über das Vermögen der Arbeitgeberin S GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der am Verfahren jetzt beteiligte Insolvenzverwalter bestellt worden. Der Betrieb wird derzeit unverändert forgeführt.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat dem Hauptantrag der Arbeitgeberin zu Recht stattgegeben.
I. Der Antrag ist zulässig. Die Arbeitgeberin hat an der begehrten Feststellung ein rechtliches Interesse, § 256 ZPO. Streiten die Betriebspartner in erster Linie darüber, ob die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme bereits als erteilt gilt oder vom Gericht noch ersetzt werden muß, kann der Arbeitgeber mit dem Hauptantrag Feststellung begehren, daß die Zustimmung als erteilt gilt, und hilfsweise dazu einen Antrag auf Ersetzung der Zustimmung stellen (s. nur Senatsbeschluß vom 18. Oktober 1988 – 1 ABR 33/87 – AP Nr. 57 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II der Gründe).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung des Betriebsratsvorsitzenden E gelte gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, da ein wirksamer Verweigerungsbeschluß innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht gefaßt worden sei.
Das Feststellungsinteresse ist auch nicht etwa durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallen. Das gilt schon deshalb, weil der Betrieb weitergeführt wird.
II. Der Antrag der Arbeitgeberin ist begründet.
Die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung gilt gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Der Betriebsrat hat zwar innerhalb der Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG der Arbeitgeberin die Verweigerung mitgeteilt. Dem lag jedoch kein wirksamer Beschluß zugrunde. Der Betriebsratsvorsitzende war wegen Interessenkollision verhindert, an der Sitzung des Betriebsrats teilzunehmen, soweit über den ihn betreffenden Antrag beraten und abgestimmt wurde. Für ihn wurde aber weder zur Beratung noch zur Beschlußfassung ein Ersatzmitglied herangezogen, obwohl ein solches nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts vorhanden war.
1. Ein Betriebsratsmitglied ist grundsätzlich von seiner Organtätigkeit ausgeschlossen bei Maßnahmen und Regelungen, die es individuell und unmittelbar betreffen.
a) Dies ist zwar im Betriebsverfassungsgesetz nicht ausdrücklich geregelt. Der Ausschluß folgt aber aus dem allgemeinen Grundsatz, daß zur Vermeidung von Interessenkollisionen niemand „Richter in eigener Sache” sein kann. Der Betriebsrat hat als Organ die Interessen der von ihm repräsentierten Belegschaft zu artikulieren. Diese Funktion ist nicht mehr gesichert, wenn bei der Beschlußfassung die Eigeninteressen von Betriebsratsmitgliedern so stark sind, daß diese gegenüber den Interessen der Belegschaft in den Vordergrund treten (s. grundsätzlich zur Problematik etwa Oetker, ZfA 1984, S. 409, 410). Über diesen allgemeinen Grundsatz, der sich auch in vielfältigen gesetzlichen Regelungen niederschlägt, besteht für das Betriebsverfassungsgesetz in Rechtsprechung und Literatur im Ergebnis kein Streit (vgl. nur BAG Urteil vom 26. August 1981 – 7 AZR 550/79 – BAGE 36, 72 = AP Nr. 13 zu § 103 BetrVG 1972, m. zust. Anm. Bickel; BAG Urteil vom 23. August 1984 – 2 AZR 391/83 – BAGE 46, 258 = AP Nr. 17 zu § 103 BetrVG 1972, m. zust. Anm. van Venrooy = AR-Blattei Betriebsverfassung IX Nr. 61 m. Anm. Hanau; Buschmann in Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 6. Aufl., § 25 Rz 24; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 19. Aufl., § 25 Rz 17; GK-Wiese, BetrVG, 6. Aufl., § 33 Rz 23 ff.; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 33 Rz 23 und § 25 Rz 9; ausführl. Oetker, ZfA 1984, 409 ff.; Martin Schmitt, Interessenkonflikte bei der Wahrnehmung des Betriebsratsamtes, 1989, S. 182 ff.; ders. NZA 1987, 78 ff. – alle m.w.N.).
Daß der Betriebsrat dies nicht anders gesehen hat, macht schon der Umstand deutlich, daß E sich an der Beschlußfassung nicht beteiligt hat.
b) Liegt eine derartige Interessenkollision vor, ist das Betriebsratsmitglied zeitweilig verhindert im Sinne des § 25 BetrVG (BAG Urteil vom 23. August 1984, aaO, zu B II 1 a der Gründe; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, aaO, § 25 Rz 17; GK-Wiese/Oetker, aaO, § 25 Rz 25, 26 – alle m.w.N.; a.A. wohl Richardi, aaO, § 33 Rz 8 und § 25 Rz 9).
Die Verhinderung bezieht sich nicht nur auf die Beschlußfassung, sondern auch auf die Beratung. Andernfalls käme es zu dem sinnwidrigen Ergebnis, daß das Ersatzmitglied an der Beschlußfassung zu beteiligen wäre, ohne zuvor an der Beratung über deren Gegenstand teilgenommen zu haben (BAG Urteil vom 23. August 1984, aaO; GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 23 ff., m. ausf. N.). Zwischen Beratung und Beschlußfassung kann insoweit nicht sinnvoll unterschieden werden. Soll der Ausschluß des Betriebsratsmitglieds verhindern, daß persönliche Interessen die Willensbildung des Organs Betriebsrat beeinflussen, kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn sich der Ausschluß auch auf die Beratung erstreckt. In ihr wird die Willensbildung des Betriebsrats nämlich maßgeblich vorbereitet (s. nur GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 24; Oetker, aaO, S. 434 ff.).
c) Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber auf gesetzliche Bestimmungen verweist, die bei Interessenkollisionen zwar einen Ausschluß von der Beschlußfassung, nicht aber von der Beratung vorsehen (§ 34 BGB, § 136 Abs. 1 AktG, § 47 Abs. 4 GmbHG, § 25 Abs. 5 WEG – s. dazu auch Richardi, aaO, § 25 Rz 9), führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Den insoweit betroffenen Mitgliederversammlungen fehlt die repräsentative Stellung des Betriebsrats als eines gewählten Organs der Belegschaft (s. im einzelnen Oetker, aaO, S. 435 ff. unter Hinweis auch auf gesetzliche Regelungen – etwa im Kommunalrecht –, die einen Ausschluß auch bei der Beratung vorsehen). Das schließt insbesondere eine Vertretungsregelung, wie sie § 25 BetrVG für den Fall der Verhinderung enthält, aus. Das Fehlen einer Vertretungsmöglichkeit mag es geboten erscheinen lassen, den Kreis der Verhinderungsfälle eng zu begrenzen. Für die Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern treffen solche Erwägungen indessen nicht zu.
d) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird das Betriebsratsmitglied dadurch gegenüber anderen Arbeitnehmern nicht benachteiligt. Der Ausschluß von der Beratung bedeutet nicht, daß das Betriebsratsmitglied nicht angehört werden kann, soweit der Betriebsrat dies für angemessen oder erforderlich hält. Insoweit gilt nichts anderes als für jedes „normale” Belegschaftsmitglied (vgl. nur BAG Urteil vom 23. August 1984, aaO; GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 25). Diese Anhörung ist jedoch nicht mit der Teilnahme an der Beratung zu verwechseln. Das zeigt schon der Umstand, daß an ihr auf der Seite des Betriebsrats das für das verhinderte Betriebsratsmitglied nachgerückte Ersatzmitglied teilnimmt.
e) Erfolglos wendet die Rechtsbeschwerde weiter ein, die Annahme einer zeitweiligen Verhinderung und das dadurch gebotene Nachrücken eines Ersatzmitglieds könne zu Nachteilen für das betroffene Betriebsratsmitglied führen, etwa wenn der Nachrücker auf einer Konkurrenzliste kandidiert habe. Bei Personenwahl, wie sie hier vorliegt, gibt es keine konkurrierenden Listen (§ 14 Abs. 3 BetrVG). Für den Fall der Listenwahl sieht § 25 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die Möglichkeit der listenübergreifenden Vertretung ausdrücklich vor und nimmt damit die Risiken in Kauf, auf die sich der Betriebsrat beruft. Im übrigen ist es ein normaler demokratischer Vorgang, daß sich unterschiedliche Organisationen an der Betriebsratswahl beteiligen. Unabhängig von der jeweiligen „Herkunft” haben alle Betriebsratsmitglieder, die ins Amt gelangen – sei es auch nur vorübergehend als Ersatzmitglied –, dieses ohne Rücksicht auf eventuelle persönliche Differenzen nach den allgemeinen Grundsätzen des § 75 BetrVG wahrzunehmen. Eine rechtlich greifbare „gegenläufige Interessenkollision”, die es grundsätzlich ausschlösse, bei Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds wegen Kollision mit eigenen Interessen ein Ersatzmitglied zu beteiligen, läßt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hieraus nicht ableiten.
2. Ist das von der Entscheidung unmittelbar betroffene Betriebsratsmitglied als zeitweilig verhindert anzusehen, an Beratung und Beschlußfassung teilzunehmen, so ist ein Ersatzmitglied zu laden. Unterbleibt dies, leidet der Beschluß an einem erheblichen Mangel und ist deshalb unwirksam.
a) Die Ladung aller Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter gleichzeitiger Mitteilung der Tagesordnung ist gem. § 29 BetrVG eine wesentliche Voraussetzung für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses. Wird für ein zeitweilig verhindertes Mitglied ein vorhandenes Ersatzmitglied nicht geladen, so ist der Betriebsrat an einer wirksamen Beschlußfassung gehindert. Hiervon ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn ein Betriebsratsmitglied plötzlich verhindert ist und es dem Betriebsrat nicht mehr möglich ist, das Ersatzmitglied rechtzeitig zu laden (BAG Urteil vom 23. August 1984, aaO, zu B II 1 a der Gründe; Blanke/Wedde in Däubler/Kittner/Klebe, aaO, § 33 Rz 24, 25; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, aaO, § 33 Rz 23; GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 49, 50).
b) Dies gilt auch dann, wenn es sich um die Verhinderung eines Mitglieds wegen persönlicher Betroffenheit handelt; wird für dieses Mitglied ein Ersatzmitglied nicht geladen, ist der Beschluß gleichfalls als nichtig anzusehen (BAG, aaO; Oetker, aaO, S. 439, 440; Schmitt, aaO, S. 206).
Zu Unrecht meint der Rechtsbeschwerdeführer, diese Folgen träten nicht ein, wenn der Fehler – so im vorliegenden Fall – offensichtlich ohne Einfluß auf das Abstimmungsergebnis geblieben sei. Allerdings wird für diesen Fall teilweise die Auffassung vertreten, die Teilnahme eines Nichtberechtigten an der Beschlußfassung des Betriebsrats führe nicht zur Nichtigkeit (vgl. etwa Fitting/Kaiser/Heither/ Engels, aaO, § 33 Rz 54; GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 54; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 6. Aufl., § 33 Rz 27 – jeweils auch für den Fall der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds in eigenen Angelegenheiten; s. allgemein etwa zur Teilnahme eines Vereinsmitglieds an einer Abstimmung entgegen § 34 BGB Staudinger/Weick, BGB, 13. Aufl., § 34 Rz 18). Es kann dahingestellt bleiben, ob dem zu folgen ist, wenn ein Nichtberechtigter zusätzlich zum ordnungsgemäß besetzten Betriebsrat beteiligt wird (etwa das Mitglied der Schwerbehindertenvertretung, ein Gewerkschaftssekretär). Diese Frage ist hier ohne Bedeutung, denn vorliegend besteht der Mangel der Beschlußfassung in der fehlenden Beteiligung eines Ersatzmitglieds. Insoweit ist gar nicht festzustellen, ob das Ergebnis bei ordnungsgemäßer Beteiligung anders ausgefallen wäre. Das Ersatzmitglied hatte überhaupt keine Gelegenheit, seine Meinung in die Beratung einzubringen.
c) Dahingestellt bleiben kann, ob nach dem mit dem Ausschluß des persönlich betroffenen Mitglieds verfolgten Zweck zu verhindern, daß Gründe des Eigeninteresses zu einer ihm günstigen Entscheidung führen, eine Ausnahme von der Nichtigkeitsfolge für den Fall zu machen ist, daß der Beschluß des Betriebsrats zuungunsten dieses Mitglieds ausfällt – wofür allerdings manches spricht – (so etwa Oetker, aaO, S. 440, 441; zust. Schmitt, aaO, S. 206; s. auch Hanau, aaO; ähnl. Richardi, aaO, § 33 Rz 45). Dieser Fall liegt hier nicht vor, da die Zustimmung zur Herabgruppierung verweigert wurde, die Entscheidung also zugunsten des Betriebsratsvorsitzenden E erging.
3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend eine Verhinderung des Betriebsratsvorsitzenden E hinsichtlich der Entscheidung über die ihn betreffende Herabgruppierung bejaht.
a) Eine Verhinderung des Betriebsratsmitglieds wegen persönlicher Betroffenheit liegt vor, wenn es in seiner Stellung als Arbeitnehmer individuell und unmittelbar betroffen ist (s. nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels, aaO, § 25 Rz 17; GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 23). Gerade dann besteht die Gefahr, daß die von dem Organmitglied zu wahrenden kollektiven Interessen von eigenen Interessen überlagert werden. Eine solche Konfliktsituation hat das Bundesarbeitsgericht bei der Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsmitglieds nach § 103 BetrVG gesehen (BAG Urteil vom 23. August 1984, aaO). Eine typische Interessenkollision besteht aber auch bei personellen Einzelmaßnahmen im Sinne des § 99 BetrVG, also bei Versetzungen und Umgruppierungen (s. etwa Buschmann in Däubler/Kittner/Klebe, aaO, § 25 Rz 24; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, aaO, § 25 Rz 17; GK-Wiese, aaO, § 33 Rz 23; Oetker, aaO, S. 429, 430).
b) Um eine solche personelle Einzelmaßnahme geht es hier. Der Betriebsratsvorsitzende E sollte in eine niedrigere Lohngruppe umgruppiert werden. Gegen die Annahme einer Interessenkollision spricht nicht der besondere Inhalt des Mitbestimmungsrechts bei Umgruppierungen. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend gesehen.
aa) Allerdings ist das Mitbestimmungsrecht bei Eingruppierungen und Umgruppierungen kein Mitgestaltungsrecht, sondern lediglich ein Mitbeurteilungsrecht. Das folgt daraus, daß die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung keine konstitutive Maßnahme darstellt, sondern ein Akt der Rechtsanwendung ist. Die Beteiligung des Betriebsrats soll dazu beitragen, daß diese Rechtsanwendung möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt. Sie dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Vergütungsordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen, damit der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz der betrieblichen Vergütungspraxis (s. nur Senatsbeschluß vom 12. August 1997 – 1 ABR 13/97 – AP Nr. 14 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung).
bb) Dies bedeutet jedoch nicht, daß ein Interessenkonflikt nicht entstehen könnte. Ziel der Maßnahme ist eine personenbezogene Einstufung, nicht eine abstrakte Arbeitsplatzbewertung (s. etwa Senatsbeschluß vom 12. Dezember 1995 – 1 ABR 31/95 – AP Nr. 6 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung, zu B 4 a der Gründe). Zu Unrecht meint der Betriebsrat, es gehe letztlich nur um eine richtige Bewertung des „Arbeitsplatzes”, die die Interessen generell aller dort beschäftigten Arbeitnehmer berühre. Die Durchführung eines Eingruppierungsverfahrens hinsichtlich eines bestimmten Arbeitnehmers hat allenfalls Indizwirkung für vergleichbare andere Arbeitnehmer, macht aber deren Eingruppierung nicht überflüssig.
cc) Die Entscheidung des Betriebsrats über die Umgruppierung ist nicht ohne rechtliche Relevanz für das betroffene Betriebsratsmitglied. Dies gilt bereits für die tatsächliche Bedeutung eines zustimmenden oder ablehnenden Beschlusses. Der Arbeitgeber wird möglicherweise bei einer Verweigerung der Zustimmung von der beabsichtigten Umgruppierung ganz absehen, weil er den Konflikt scheut. Will er an der Umgruppierung festhalten, ist er im Falle einer Verweigerung gezwungen, ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen. Auch insoweit sind die persönlichen Interessen des betroffenen Betriebsratsmitglieds berührt. Es erhält eine Möglichkeit, die Richtigkeit seiner Eingruppierung überprüfen zu lassen, ohne selbst einen Prozeß führen zu müssen. Wird die Zustimmung des Betriebsrats nicht ersetzt, kann sich der Arbeitnehmer nach Maßgabe des Senatsbeschlusses vom 3. Mai 1994 (1 ABR 58/93 – BAGE 77, 1 = AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung) u.U. hierauf berufen. Er ist andererseits nicht gehindert, gegenüber dem Arbeitgeber eine günstigere als die im Beschlußverfahren angenommene Eingruppierung geltend zu machen.
dd) Diese Sachlage macht deutlich, daß das Betriebsratsmitglied durchaus ein Eigeninteresse an der Entscheidung des Betriebsrats über eine Umgruppierung hat, von der es betroffen ist.
4. Für den verhinderten Betriebsratsvorsitzenden E hätte danach zur Beratung und Entscheidung über den ihn betreffenden Tagesordnungspunkt Umgruppierung ein Ersatzmitglied hinzugezogen werden müssen. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts waren noch zwei Ersatzmitglieder vorhanden, die als Nachrücker in Betracht kamen. Die Verhinderung E war für den Betriebsrat voraussehbar (s. BAG Urteil vom 23. August 1984, aaO, zu B II 1 a der Gründe).
5. Der ohne Hinzuziehung eines Ersatzmitglieds zustande gekommene Beschluß, die Zustimmung zur Umgruppierung zu verweigern, leidet daher an einem erheblichen Mangel. Dieser führt zur Unwirksamkeit des Beschlusses. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG fingiert die Zustimmung des Betriebsrats zu einer personellen Einzelmaßnahme, wenn sie nicht innerhalb Wochenfrist verweigert worden ist. Eine auf einen nicht ordnungsgemäß gefaßten Beschluß gestützte Verweigerung ist der unterbliebenen Verweigerung gleichzustellen (s. etwa allgemein Kittner in Däubler/Kittner/Klebe, aaO, § 99 Rz 155; Oetker, aaO, S. 447). Die Zustimmung des Betriebsrats gilt danach als erteilt.
Unterschriften
Wißmann, Bepler, Rost, Metz, Bolt
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 03.08.1999 durch Klapp Amtsinspektor als Urkundsbeamter In dem Beschlußverfahren der Geschäftsstelle unter Beteiligung
Fundstellen
Haufe-Index 436312 |
BAGE, 162 |
BB 1999, 1762 |
BB 2000, 621 |
DB 1999, 1663 |
DB 2000, 626 |
NWB 1999, 3279 |
ARST 1999, 286 |
ARST 2000, 171 |
FA 1999, 333 |
FA 2000, 189 |
NZA 2000, 440 |
SAE 2000, 128 |
ZTR 2000, 238 |
AP, 0 |
AuA 1999, 422 |
ZMV 1999, 239 |
ZMV 2000, 90 |
AUR 2000, 158 |
RdW 2000, 246 |