Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von geringfügig Beschäftigten
Leitsatz (redaktionell)
Auch die Vereinbarung eines Nettolohnes mit geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern entbindet den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung, diese Arbeitnehmer unter Beteiligung des Betriebsrats in eine auch für geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer geltende Vergütungsgruppenordnung einzugruppieren.
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Arbeitsgebers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schlewig-Holstein vom 29. August 1990 -5 TaBV 16/90- wird zurückgewiesen.
Die Androhung eines Zwangsgeldes im Beschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 10. April 1990 ist wirkungslos.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Arbeitgeber und Betriebsrat (Antragsteller) streiten über die Eingruppierung geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer.
Der Arbeitgeber betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit Supermärkten in Hamburg und Schleswig-Holstein und beschäftigt in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer. Er unterfällt den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen für den Einzelhandel Hamburg und den Einzelhandel Schleswig-Holstein.
Der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Hamburg (im folgenden nur MTV Hamburg) vom 4. Juli 1989, in Kraft seit 1. Februar 1989, bestimmt, soweit hier von Interesse:
"§ 1 Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt:
....
3. Persönlich: Sofern die folgenden Einzelvor-
schriften nicht etwas anderes bestimmen,
a)für alle Angestellten einschließlich Teil-
zeitbeschäftigte.
....
b)für alle gewerblichen Beschäftigten ein-
schließlich Teilzeitbeschäftigte.
....
§ 2 Arbeitsverhältnis
....
B Teilzeitbeschäftigte
1. Teilzeitbeschäftigte sind Beschäftigte, deren
vertraglich vereinbarte Arbeitszeit die
tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit
unterschreitet.
....
§ 6 Gehalts- und Lohnregelung
1. Gehälter, Löhne und Ausbildungsvergütungen
werden in besonderen Tarifverträgen geregelt;
die darin vereinbarten Entgelte sind
Mindestsätze.
2. Die Beschäftigten werden in den Gehalts- und
Lohntarifverträgen in verschiedenen Gehalts-
und Lohngruppen eingeteilt. Für die
Eingruppierung kommt es auf die tatsächlich
verrichtete Tätigkeit an. ....
....
5. Zur Feststellung des Stundenverdienstes ist
das Monatsgehalt durch 167 (Basis: 38,5-
Stunden-Woche) - ab 1.1.1991 durch 163 (Basis:
37,5-Stunden-Woche) - zu teilen."
Der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel Schleswig-Holstein (im folgenden nur MTV Schleswig-Holstein ) vom 21. Juli 1989, in Kraft seit 1. Januar 1989, enthält, soweit vorliegend von Interesse, folgende Regelungen:
"§ 1 Geltungsbereich
....
3. Persönlich:
a)Alle Angestellten mit Ausnahme
aa)der Vorstandsmitglieder, ....
bb)der leitenden Angestellten, wenn sie
....
b)alle gewerblichen Arbeitnehmer/innen
....
§ 4 Teilzeitarbeit
1. Teilzeitbeschäftigte sind Beschäftigte, deren
vertraglich vereinbarte Arbeitszeit die
tariflich vereinbarte regelmäßige Wochenar-
beitszeit unterschreitet.
....
§ 8 Gehalts- und Lohnregelung
1. Die Gehälter und Löhne werden in besonderen
Tarifverträgen festgesetzt; die darin verein-
barten Entgelte sind Mindestsätze.
2. Die Beschäftigten werden im Gehalts- bzw.
Lohntarifvertrag in Beschäftigungsgruppen
eingestuft. Für die Eingruppierung kommt es
auf die tatsächlich verrichtete Tätigkeit an.
....
....
6. Zur Feststellung des Tagesverdienstes ist das
Monatsentgelt durch 26, zur Feststellung des
Stundenverdienstes durch 167 - ab 1.1.1991
durch 163 - zu teilen."
Der Gehalts- und der Lohntarifvertrag für den Einzelhandel Hamburg vom 4. Juli 1989 sowie der Gehalts- und der Lohntarifvertrag für den Einzelhandel Schleswig-Holstein vom 21. Juli 1989 enthalten jeweils nach bestimmten Tätigkeitsmerkmalen gegliederte Gehalts- und Lohngruppen. Der Lohn-TV Einzelhandel Hamburg gilt nach seinem § 1 "für gewerbliche Beschäftigte", der Lohn-TV Einzelhandel Schleswig-Holstein gilt nach seinem § 1 Ziffer 3 für "alle gewerblichen Arbeitnehmer/innen".
Der Arbeitgeber beschäftigt von ihm so genannte "Nettopauschalkräfte". Das sind geringfügig beschäftigte Arbeitnehmerinnen im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV. Diese gruppiert er nicht in die Gehalts- und Lohntarifverträge ein, sondern bezahlt sie nach einer von ihm entwickelten "Vergütungsordnung", in der es diesbezüglich heißt:
"I./6. Nettopauschalkräfte (geringfügig Be-
schäftigte)
Da die Lohn- und Gehaltstarifverträge keine aus-
drückliche Regelung für "Nettobezüge" vorsehen,
ist die Vergütung unternehmenseinheitlich im Rah-
men der Bandbreite festzusetzen.
Vergütung
Über 18 Jahre:
- gewerbliche Beschäftigte je Stunde
Packerinnen, Ladenhilfen,
Raumpflegerinnen 7,50 - 8,50 DM
- kfm. Beschäftigte
Bedienungsverkauf, Kasse 7,90 - 9,50 DM
- Jugendliche über 16 Jahre vorgenannte Beträge
./. 20 %
Vorstehende Regelung gilt sowohl für aushilfswei-
se als auch auf unbestimmte Zeit Beschäftigte.
...."
Als der Arbeitgeber den Betriebsrat über die beabsichtigte Einstellung der geringfügig beschäftigten Arbeitnehmerinnen M., K., B., Sch. und K. informierte, stimmte der Betriebsrat der Einstellung zu, widersprach aber deren Eingruppierung und verlangte Eingruppierung in die Lohntarifverträge für den Einzelhandel Hamburg und Schleswig-Holstein. Das lehnte der Arbeitgeber ab. Der Betriebsrat hat daraufhin das vorliegende Beschlußverfahren anhängig gemacht.
Er hat die Ansicht vertreten, auch die geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer unterfielen den Tarifverträgen für den Einzelhandel Hamburg und Schleswig-Holstein und seien deshalb entsprechend einzugruppieren.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. dem Arbeitgeber aufzugeben, die Zustimmung des
Betriebsrats zu der Eingruppierung der Arbeit-
nehmerinnen M. und K. in den Lohntarifvertrag
Hamburg (LTV-HH), B., Sch. und K. in den Lohn-
tarifvertrag Schleswig-Holstein (LTV-SH) ein-
zuholen und bei Verweigerung der Zustimmung
des Betriebsrats das Zustimmungser-setzungs-
verfahren durchzuführen,
2. dem Arbeitgeber ein Zwangsgeld für den Fall
anzudrohen, daß er die Zustimmung des Be-
triebsrats nicht einholt oder im Falle der Zu-
stimmungsverweigerung das arbeitsgerichtliche
Zustimmungsersetzungsverfahren nicht durch-
führt.
Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer unterfielen nicht den Einzelhandelstarifverträgen für Hamburg und Schleswig-Holstein, weil dort nur Bruttovergütungen vorgesehen seien, die geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer aber eine Nettovergütung erhielten. Eine Zuordnung der vereinbarten Nettoentgelte zu den tariflichen Bruttovergütungen sei nicht möglich.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Betriebsrats stattgegeben. Die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Arbeitgeber sein Begehren auf Abweisung der Anträge weiter. Der Betriebsrat beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, daß die beim Arbeitgeber geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer gemäß den Tarifverträgen für den Einzelhandel in Hamburg und Schleswig-Holstein unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats einzugruppieren sind.
I. Der Antrag des Betriebsrats nach § 101 Satz 1 BetrVG ist zulässig.
Der Antrag bedarf der Auslegung. Der Betriebsrat begehrt, dem Arbeitgeber aufzugeben, die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der im einzelnen bezeichneten Arbeitnehmer in die Lohntarifverträge für die gewerblichen Beschäftigten im Hamburger Einzelhandel bzw. die gewerblichen Arbeitnehmer/innen im Einzelhandel von Schleswig-Holstein einzuholen und bei deren Verweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen. Dieser Antrag wäre zutreffend, wenn der Arbeitgeber entsprechende Eingruppierungen ohne Zustimmung des Betriebsrats vorgenommen hätte. Denn dann kann der Betriebsrat nicht die "Aufhebung der Eingruppierung", wohl aber die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung zu diesen Eingruppierungen und bei Verweigerung der Zustimmung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens verlangen (BAGE 43, 35 = AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972, ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluß vom 20. September 1990 - 1 ABR 17/90 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, m. w. N.).
Vorliegend hat der Arbeitgeber die geringfügig beschäftigten Arbeitnehmerinnen gerade nicht in die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg und Schleswig-Holstein eingruppiert. Ob der Arbeitgeber dazu verpflichtet ist, stellt den Hauptstreitpunkt der Beteiligten dar. Es geht dem Betriebsrat deshalb nach seinem gesamten Vorbringen um die "Aufhebung" dieser Nichteingruppierungen. Sein Antrag ist deshalb dahingehend auszulegen, daß er die Verpflichtung des Arbeitgebers begehrt, die im einzelnen bezeichneten geringfügig beschäftigten Arbeitnehmerinnen gemäß den Tarifverträgen für den Einzelhandel in Hamburg und Schleswig-Holstein einzugruppieren, die Zustimmung des Betriebsrats zu diesen Eingruppierungen zu beantragen und im Verweigerungsfalle das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen (vgl. BAGE 60, 330 = AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972).
II. Der Antrag des Betriebsrats ist begründet. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, auch geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer gemäß den Tarifverträgen für den Einzelhandel in Hamburg und Schleswig-Holstein unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats einzugruppieren.
1. Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ohne Zustimmung des Betriebsrats durchführt, beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben.
a) Hat der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats eine Eingruppierung vorgenommen, kann im Mitbestimmungssicherungsverfahren nach § 101 Satz 1 BetrVG nur die nachträgliche Einholung der Zustimmung des Betriebsrats und bei deren Verweigerung die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Ersetzungsverfahrens verlangt werden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluß vom 20. September 1990, aaO). Die Eingruppierung eines Arbeitnehmers in eine Vergütungsgruppe ist Rechtsanwendung und kein Akt rechtlicher Gestaltung. Dementsprechend ist auch das Beteiligungsrecht des Betriebsrats zur einer solchen Eingruppierung kein Mitgestaltungs-, sondern ein Mitbeurteilungsrecht. Dies hat zur Konsequenz, daß der Betriebsrat im Mitbestimmungssicherungsverfahren nicht die Aufhebung der Eingruppierung, sondern nur die nachträgliche Einholung seiner Zustimmung verlangen kann.
b) Findet im Betrieb eine bestimmte Gehalts- oder Lohngruppenordnung Anwendung und hat der Arbeitgeber Arbeitnehmer nicht in diese eingruppiert, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber nach § 101 Satz 1 BetrVG die Vornahme der unterlassenen Eingruppierung unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verlangen (Senatsbeschluß vom 20. Dezember 1988, BAGE 60, 330 = AP Nr. 62 zu § 99 BetrVG 1972). Die betriebsverfassungsrechtliche Eingruppierungspflicht des Arbeitgebers in eine im Betrieb anzuwendende Gehalts- oder Lohngruppenordnung folgt aus § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Wenn danach der Arbeitgeber bei einer Einstellung dem Betriebsrat die vorgesehene Eingruppierung mitteilen muß, dann geht das Gesetz davon aus, daß der Arbeitgeber anläßlich einer Einstellung dem Betriebsrat gegenüber verpflichtet ist, den einzustellenden Arbeitnehmer auch einzugruppieren. Das hat der Senat in seinem Beschluß vom 18. Juni 1991 (- 1 ABR 53/90 - zur Veröffentlichung vorgesehen) im einzelnen begründet. Darauf nimmt der Senat Bezug.
2. Die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg und Schleswig-Holstein sind für allgemeinverbindlich erklärt. Die darin enthaltene Gehalts- und Lohngruppenordnung findet deshalb im Betrieb des Arbeitgebers unabhängig von der Tarifbindung von Arbeitgeber und Arbeitnehmern mit unmittelbarer und zwingender Wirkung auf alle vom Geltungsbereich der Tarifverträge erfaßten Arbeitsverhältnisse Anwendung, § 5 Abs. 4 TVG.
a) Geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer sind weder allgemein vom Geltungsbereich dieser Tarifverträge noch von den Eingruppierungsvorschriften im besonderen ausgenommen.
aa) Nach § 1 Ziffer 3 MTV Hamburg gilt dieser - sofern in den Einzelvorschriften nichts anderes bestimmt ist - für alle Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer einschließlich der Teilzeitbeschäftigten. Teilzeitbeschäftigte werden von § 2 B Ziffer 1 MTV Hamburg definiert als Beschäftigte, deren vertraglich vereinbarte Arbeitszeit die tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit unterschreitet. Damit sind auch geringfügig Beschäftigte im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV, also Arbeitnehmer, die vertragsgemäß regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche arbeiten, nach dem ausdrücklichen Wortlaut vom persönlichen Geltungsbereich des MTV Hamburg erfaßt. Dasselbe gilt für den Gehalts- und den Lohn-TV , dessen persönlicher Geltungsbereich ausdrücklich "alle Angestellten" bzw. "gewerbliche Beschäftigte" ohne Einschränkung erfaßt. Nach § 6 Ziffer 2 MTV Hamburg werden "die Beschäftigten" in den Gehalts- und Lohntarifverträgen in verschiedene Gehalts- und Lohngruppen eingeteilt. Eine Ausnahme der geringfügig Beschäftigten von der Anwendung der Eingruppierungsvorschriften enthält § 6 MTV Hamburg nicht. Im Gegenteil weist gerade § 6 Ziffer 5 MTV Hamburg mit seiner Umrechnungsformel des Monatsgehalts auf den Stundenverdienst darauf hin, daß die Eingruppierungsvorschriften neben den Vollzeitbeschäftigten alle mit einer geringeren Stundenzahl als der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigten Arbeitnehmer erfassen sollen.
bb) Nach den Tarifverträgen für den Einzelhandel Schleswig-Holstein gilt nichts anderes. Der MTV Schleswig-Holstein gilt nach seinem § 1 Ziffer 3 für "alle Angestellten" bzw. "alle gewerblichen Arbeitnehmer/innen", wobei bei den Ausnahmen für Angestellte die geringfügig Beschäftigten nicht aufgeführt sind. Auch § 4 Ziffer 1 MTV Schleswig-Holstein versteht unter Teilzeitbeschäftigten alle Beschäftigten, deren vertraglich vereinbarte Arbeitszeit die tariflich vereinbarte regelmäßige Wochenarbeitszeit unterschreitet. Nach § 8 Ziffer 2 MTV Schleswig-Holstein werden "die Beschäftigten", also alle Beschäftigten, im Gehalts- bzw. Lohntarifvertrag in Beschäftigungsgruppen eingestuft, wobei der persönliche Geltungsbereich des Gehalts- und des Lohn-TV wiederum "alle Angestellten" bzw. "alle gewerblichen Arbeitnehmer/innen" erfaßt.
b) Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers enthalten die Tarifverträge für den Einzelhandel in Hamburg und Schleswig-Holstein nicht deshalb eine Lücke, weil dort Bruttovergütungen vorgesehen sind, der Arbeitgeber mit den geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern aber Nettovergütungen vereinbart. Insoweit übersieht der Arbeitgeber, daß durch die Vereinbarung einer Nettovergütung nicht die unmittelbare und zwingende Wirkung eines Tarifvertrages ausgeschlossen werden kann. Die Vereinbarung einer Nettovergütung ist vielmehr nach § 4 Abs. 3 TVG nur zulässig, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger ist als der tariflich vorgesehene Bruttolohn.
Unabhängig von der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffenen Lohnvereinbarung ist der Arbeitnehmer in die Gehalts- oder Lohngruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die von ihm tatsächlich verrichtete Tätigkeit entspricht, § 6 Ziffer 2 MTV Hamburg, § 8 Ziffer 2 MTV Schleswig-Holstein. Erst aufgrund dieser sich individualrechtlich wegen der sogenannten Tarifautomatik von selbst vollziehenden Eingruppierung (vgl. zur Tarifautomatik bei Eingruppierung BAG Urteil vom 30. Mai 1990 - 4 AZR 74/90 - AP Nr. 31 zu § 75 BPersVG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) kann im Wege des Günstigkeitsvergleichs ermittelt werden, ob für den Arbeitnehmer der tarifliche Bruttolohn oder ein vertraglich vereinbarter Nettolohn günstiger ist. Der Arbeitnehmer hat dabei zumindest Anspruch auf den Tariflohn, der nur aufgrund der Eingruppierung ermittelt werden kann.
Ist damit der Arbeitgeber notwendig gehalten, jedenfalls für sich die Frage zu beantworten, welcher Lohn- oder Gehaltsgruppe die von geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern zu verrichtende Tätigkeit entspricht, so hat er an dieser Beurteilung nach § 99 Abs. 1 BetrVG den Betriebsrat zu beteiligen. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen im Interesse der gleichmäßigen Anwendung der Gehalts- und Lohngruppenordnung und einer größeren Richtigkeitsgewähr gemeinsam die Frage beantworten, in welche Lohn- oder Gehaltsgruppe ein Arbeitnehmer einzugruppieren ist.
Mit dieser Eingruppierung unter Beteiligung des Betriebsrats wird nicht, wie der Arbeitgeber in der Rechtsbeschwerde meint, die Entlohnung der geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer festgelegt. Die Eingruppierung eines Arbeitnehmers in eine anzuwendende Gehalts- oder Lohngruppenordnung hindert den Arbeitgeber nicht, mit dem Arbeitnehmer eine übertarifliche Vergütung - auch in Form einer Nettolohnvereinbarung - zu vereinbaren. Die Eingruppierung unter Beteiligung des Betriebsrats weist auch in solchen Fällen aus, welcher Gehalts- oder Lohngruppe die Tätigkeit des Arbeitnehmers zuzuordnen ist, welche Stellung aufgrund der von ihm auszuübenden Tätigkeit er im Verhältnis zu den anderen Arbeitnehmern des Betriebes in dieser Vergütungsordnung einnimmt. Die Eingruppierung dient auch in solchen Fällen der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und macht das effektive Lohn- und Gehaltsgefüge einsichtig und durchschaubar, indem sie ausweist, daß der Arbeitnehmer - gleich aus welchen Gründen - eine übertarifliche Vergütung erhält, und wie die von ihm auszuübende Tätigkeit bewertet wird.
3. Soweit der Arbeitgeber meint, die Zuordnung geringfügig beschäftigter Arbeitnehmer zu den Gehalts- und Lohngruppen der Tarifverträge für den Einzelhandel sei wegen der dort vorgesehenen Bruttoentlohnung nicht möglich, kann dem nicht gefolgt werden.
Die Eingruppierung der Arbeitnehmer richtet sich nach § 6 Ziffer 2 MTV Hamburg und nach § 8 Ziffer 2 MTV Schleswig-Holstein nach der tatsächlich zu verrichtenden Tätigkeit, wobei die Gehalts- und Lohngruppen in den Gehalts- und Lohntarifverträgen nach Tätigkeitsmerkmalen aufgebaut sind. Inwiefern danach die Vereinbarung eines Nettolohnes einer tätigkeitsorientierten Eingruppierung entgegenstehen soll, ist nicht ersichtlich, weil auch die geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausüben. Daß es sich dabei um Tätigkeiten handelt, die von den Tätigkeitsmerkmalen der tariflichen Vergütungsordnungen nicht erfaßt werden, hat der Arbeitgeber nicht behauptet. Eine Nettolohnvereinbarung kann daher der Eingruppierung in eine nach Tätigkeitsmerkmalen differenzierende Vergütungsordnung nicht entgegenstehen (ebenso LAG Frankfurt am Main Beschluß vom 13. März 1990 - 4 Ta BV 133/89 - BB 1990, 2339). Ob der Arbeitnehmer aus der sich nach der tariflichen Eingruppierung ergebenden Vergütung Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zahlen muß oder wie im Fall der geringfügigen Beschäftigung davon befreit ist, ergibt sich aus dem Gesetz - § 7 SGB V, § 1228 Abs. 1 Nr. 4 RVO, § 4 Abs. 1 Nr. 5 AVG, § 169 a Abs. 2 AFG -. 0b der Arbeitgeber durch die Pauschalierung der Lohnsteuer geringfügig Beschäftigter nach § 40 a Abs. 2 EStG gegenüber dem Finanzamt zum Schuldner der pauschalierten Lohnsteuer wird, § 40 Abs. 3 EStG, und diese auch im Innenverhältnis zu tragen hat (vgl. dazu BAGE 56, 14 = AP Nr. 2 zu § 40 a EStG), folgt aus der vertraglichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
III. Das Arbeitsgericht hat dem Arbeitgeber ein Zwangsgeld angedroht für den Fall, daß er der ihm auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers auch gegen diese Entscheidung des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen diesen Teil der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist unzulässig. Der Arbeitgeber ist durch diese Entscheidung nicht beschwert.
Anders als bei der Verurteilung zu einem Ordnungsgeld nach § 23 Abs. 3 Satz 2 und 3 BetrVG und § 890 ZP0 ist in § 101 Satz 2 BetrVG ebenso wie in § 888 ZP0 die Androhung eines Zwangsgeldes nicht vorgeschrieben. Das "Anhalten zur Aufhebung" im Sinne von § 101 Satz 2 BetrVG bzw. zur Vornahme einer Handlung im Sinne von § 888 ZP0 erfolgt vielmehr unmittelbar durch die Festsetzung des Zwangsgeldes selbst. Wie sich schon aus dem Wortlaut - "entgegen einer rechtskräftigen Entscheidung" - ergibt, kann der Antrag auf Festsetzung des Zwangsgeldes erst gestellt werden, wenn die Aufhebungsentscheidung nach § 101 Satz 1 BetrVG rechtskräftig ist (allgemeine Meinung, vgl. Kraft, GK-BetrVG , 4. Aufl., § 101 Rz 12; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 101 Rz 19; Fitting/ Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 101 Rz 4 b).
Die vom Arbeitsgericht vorgenommene und vom Landesarbeitsgericht bestätigte Androhung des Zwangsgeldes stellt noch nicht die erforderliche Festsetzung des Zwangsgeldes dar. Es fehlt schon an der Bestimmung der Höhe des Zwangsgeldes. Die Entscheidung hat daher insoweit keine rechtliche Bedeutung. Sie stellt einen überflüssigen aber unschädlichen Hinweis auf die zwangsvollstreckungsrechtlichen Folgen dar für den Fall, daß der Arbeitgeber der ihm auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Der Arbeitgeber wird durch diesen Hinweis nicht beschwert. Auch ohne diese Androhung könnte das Arbeitsgericht unmittelbar nach Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung ein Zwangsgeld festsetzen, wenn der Arbeitgeber der ihm auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Zur Klarstellung hat der Senat im Tenor ausgesprochen, daß die Androhung des Zwangsgeldes wirkungslos ist.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Andersch Weinmann
Fundstellen
Haufe-Index 436991 |
BB 1991, 1860 |
BB 1991, 1860-1861 (T) |
DB 1991, 2140-2141 (LT1) |
BetrR 1992, 17-18 (LT1) |
BetrVG, (18) (LT1) |
ARST 1992, 3-4 (LT1) |
NZA 1991, 903-905 (LT1) |
RdA 1991, 383 |
RdA 1992, 59 |
ZAP, EN-Nr 131/92 (ST) |
AP § 99 BetrVG 1972 (demnächst), Nr 92 |
AP, 0 |
AR-Blattei, ES 1530 Nr 17 (LT1) |
EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 101 (LT1) |
ZfPR 1992, 83 (L) |