Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Eingruppierung
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Geltungsbereich eines ungekündigten Tarifvertrages gilt eine in Bezug genommene Tarifvorschrift eines anderen Tarifvertrages auch dann unmittelbar und zwingend, wenn der andere Tarifvertrag gekündigt ist und in seinem Geltungsbereich nur nachwirkt.
2. Ist die Eingruppierung eines tarifgebundenen Arbeitnehmers durch die in Bezug genommene Vergütungsgruppenordnung (hier durch die Anlage 1a zum BAT) tariflich geregelt, so verstößt dessen Eingruppierung nach Maßgabe des Absenkungserlasses gegen einen Tarifvertrag und berechtigt den Betriebsrat, die Zustimmung zu dieser Eingruppierung zu verweigern.
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 06.10.1988; Aktenzeichen 7 TaBV 5/88) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 21.04.1988; Aktenzeichen 20 BV 1/88) |
Gründe
A. Die Antragstellerin, deren Gesellschafter die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin sind, betreibt in der Rechtsform einer GmbH das H-Institut Berlin (im folgenden nur Institut), das Forschung im Bereich der Naturwissenschaften betreibt. Die hier beschäftigten Arbeitnehmer haben einen Betriebsrat gewählt, den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens.
Am 21. Dezember 1987 teilte das Institut dem Betriebsrat mit, daß es beabsichtige, Herrn F. B. mit Wirkung vom 1. Januar 1988 bis zum 31. Dezember 1990 als wissenschaftlichen Angestellten einzustellen, und zwar "nach Vergütungsgruppe III BAT gem. Absenkungsrichtlinien". Bei diesen Absenkungsrichtlinien handelt es sich um die vom Senator für Inneres in Berlin erlassenen Verwaltungsvorschriften vom 29. Dezember 1983 über die Absenkung der Eingangsbezahlung im Bereich des BAT.
Der Betriebsrat verweigerte mit Schreiben vom 22. Dezember 1987 die Zustimmung zur geplanten Eingruppierung in die VergGr. III mit der Begründung, die Anwendung der Absenkungsrichtlinien stelle die Anwendung eines neuen Entlohnungsgrundsatzes dar, dem er nicht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zugestimmt habe.
Das Institut und F. B. schlossen am 12. Januar 1988 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, in dem es u.a. heißt:
Für das Arbeitsverhältnis sind maßgebend:
1. Tarifvertrag für die Angestellten der Hahn-Meitner-
Institut Berlin GmbH (MTV-Ang-HMI) vom 2. Juni 1978
sowie die sonstigen die Arbeitsbedingungen regeln-
den Bestimmungen des Landes Berlin.
2. Die Eingruppierung bestimmt sich nach der Vergü-
tungsordnung zum BAT in der Fassung, die am 31.12.
1983 galt mit umstehender Maßgabe ...
In dieser Maßgabe heißt es:
Der Angestellte wird bei Erfüllung der Tätigkeitsmerk-
male der VergGr. II a Fallgruppe 1 a Teil I der Anlage
1 a zum BAT in diese Vergütungsgruppe erst eingruppiert,
wenn er vier Jahre hauptberuflich ... als Angestellter
im öffentlichen Dienst ... gestanden hat ... Bis zum
Ablauf der nach Satz 1 maßgebenden Frist wird der Ange-
stellte nach der jeweils nächstniedrigeren Vergütungs-
gruppe eingruppierungsmäßig behandelt. Nächstniedrige-
re Vergütungsgruppe ist die Vergütungsgruppe III BAT ...
Im MTV Ang-HMI, der ungekündigt fortbesteht, heißt es in § 2:
Für die unter diesen Tarifvertrag fallenden Angestell-
ten gelten die für die unter den Geltungsbereich des BAT
fallenden entsprechenden Angestellten des Landes Berlin
jeweils geltenden Tarifvorschriften, soweit nicht in den
nachstehenden Vorschriften etwas Abweichendes verein-
bart ist. Die beim Inkrafttreten dieses Tarifvertrages
geltenden Tarifvorschriften sind in der Anlage zu die-
sem Tarifvertrag aufgeführt (darunter auch der BAT in
der Fassung vom 28. April 1978).
Bei der Anwendung der für die Angestellten des Landes
Berlin geltenden Tarifvorschriften tritt an die Stelle
des Landes Berlin als Arbeitgeber das HMI.
Soweit in Tarifvorschriften auf die beim Arbeitgeber
jeweils geltenden Bestimmungen verwiesen wird, sind
die Bestimmungen anzuwenden, die für die Angestellten
des Landes Berlin gelten.
Das Institut ist der Ansicht, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zur Eingruppierung des F. B. entsprechend den Absenkungsrichtlinien zu Unrecht verweigert hat. Hinsichtlich der Anwendung dieser Richtlinien stehe dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu.
Das Institut verweist zunächst auf § 6 Abs. 2 Haushaltsgesetz 1988 vom 18. Dezember 1987 (BGBl. I S. 2747), in Kraft getreten am 1. Januar 1988, wo es wie folgt heißt:
Die in Absatz 1 genannten Zuwendungen zur institu-
tionellen Förderung dürfen nur mit der Auflage be-
willigt werden, daß der Zuwendungsempfänger seine
Beschäftigten nicht besserstellt als vergleichbare
Arbeitnehmer des Bundes; vorbehaltlich einer abwei-
chenden tarifvertraglichen Regelung dürfen deshalb
keine günstigeren Arbeitsbedingungen vereinbart wer-
den als sie für Arbeitnehmer des Bundes jeweils vor-
gesehen sind. ...
Damit sei die Eingruppierung der bei ihr beschäftigten Angestellten gesetzlich dahin geregelt, daß für diese auch die für die Angestellten des Bundes geltenden Absenkungsrichtlinien anzuwenden sind. Darüber hinaus sei die Eingruppierung tariflich geregelt. Die Verweisung in § 2 MTV Ang-HMI auf die Tarifvorschriften für die Angestellten des Landes Berlin erfasse auch die Absenkungsrichtlinien. In § 2 MTV Ang-HMI komme der allgemeine Lohngrundsatz zum Ausdruck, daß die Vergütung der Angestellten des Instituts in allem der Vergütung der Angestellten des Landes Berlin entsprechen solle. Das ergebe sich auch aus § 4 c des Konsortialvertrages, der wie folgt lautet:
Auf die Arbeitnehmer der Gesellschaft sind die für
die Angestellten und Arbeiter des Landes jeweils
geltenden tariflichen und die sonstigen die Arbeits-
bedingungen regelnden Bestimmungen anzuwenden, es
sei denn, daß die Gesellschaft in Ausnahmefällen
einen übertariflichen Anstellungsvertrag abschließt.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Instituts auf Ersetzung der Zustimmung zu der geplanten Eingruppierung abgewiesen, das Landesarbeitsgericht dessen Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt das Institut seinen Zustimmungsersetzungsantrag weiter, während der Betriebsrat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
B. Die Rechtsbeschwerde des Instituts ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Zustimmungsersetzungsantrag des Instituts nicht abgewiesen werden.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG einer vom Arbeitgeber geplanten Eingruppierung die Zustimmung auch mit der Begründung verweigern kann, die vom Arbeitgeber angewandte Vergütungsgruppenordnung sei nicht diejenige Ordnung, die im Betrieb zur Anwendung kommen müsse. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 27. Januar 1987 (BAGE 54, 147 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972) entschieden und im einzelnen begründet. Daran ist festzuhalten.
Mit dieser Begründung hat der Betriebsrat seine Zustimmung zur geplanten Eingruppierung des Angestellten F. B. in die "VergGr. III BAT gemäß Absenkungsrichtlinien" verweigert. Er hat geltend gemacht, der Eingruppierung dürften die Absenkungsrichtlinien nicht zugrunde gelegt werden, da das Institut diese Absenkungsrichtlinien unter Mißachtung seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG anwende. Er habe der Anwendung der Absenkungsrichtlinien nicht zugestimmt.
Indem das Institut nach dem 1. Januar 1984 neu eingestellte Angestellte entsprechend den Absenkungsrichtlinien eingruppiert, wendet es eine neue Vergütungsgruppenordnung im Sinne der genannten Entscheidung des Senats an. Bis zum 31. Dezember 1983 war die Anlage 1 a zum BAT maßgebend. Die Absenkungsrichtlinien ändern diese Vergütungsgruppenordnung ab, indem sie - im vorliegenden Falle - der bisherigen VergGr. III eine neue Fallgruppe mit dem Wortlaut hinzufügen:
"Angestellte, die die Tätigkeitsmerkmale der
VergGr. II a erfüllen, in den ersten vier Jahren
ihrer Tätigkeit im öffentlichen Dienst".
II. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Eingruppierung des Angestellten F. B. dürften die Absenkungsrichtlinien deswegen nicht zugrunde gelegt werden, weil der Betriebsrat deren Einführung nicht zugestimmt habe.
1. Der Senat hat allerdings in der genannten Entscheidung vom 27. Januar 1987 ausgesprochen, daß der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen habe, wenn der Arbeitgeber die bislang im Betrieb zur Anwendung kommende Vergütungsgruppenordnung ändert. Dieses Mitbestimmungsrecht besteht nach § 87 Abs. 1 BetrVG Eingangssatz nur, soweit eine tarifliche Regelung nicht besteht. Im vorliegenden Falle ist aber die Eingruppierung der Angestellten des Instituts in Vergütungsgruppen tariflich geregelt. Der MTV Ang-HMI bestimmt in § 2, daß für die Angestellten des Instituts - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - u.a. auch die Vorschriften des BAT und seiner Anlage 1 a gelten. Eine solche Verweisung in einem Tarifvertrag auf andere tarifliche Vorschriften - auch in ihrer jeweiligen Fassung - ist zulässig (Beschluß des Vierten Senats vom 3. Dezember 1985, BAGE 50, 277 = AP Nr. 1 zu § 74 BAT).
Mit dieser Verweisung in § 2 MTV Ang-HMI gelten die in Bezug genommenen Bestimmungen des BAT und der Anlage 1 a für die Betriebe des Instituts unmittelbar und zwingend als tarifliches Recht, so als wären sie wörtlich im MTV Ang-HMI enthalten. Darauf, daß die Anlage 1 a zum BAT für die Angestellten des Bundes und der Länder gekündigt ist und nur nachwirkt, kommt es insoweit nicht an. Solange der MTV Ang-HMI - wie hier - selbst nicht gekündigt ist, sind auch die tariflichen Vorschriften des BAT und der Anlage 1 a für die Betriebe des Instituts unmittelbar und zwingend geltendes und nicht nur nachwirkendes Tarifrecht. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß auf den BAT und die anderen Tarifvorschriften "in ihrer jeweiligen Fassung" verwiesen wird. Für anwendbar erklärt ist damit der jeweilige materielle Inhalt der genannten Tarifvorschriften, nicht aber deren jeweilige rechtliche Wirkung. Die rechtliche Wirkung von Tarifnormen steht nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien (BAGE 25, 34 = AP Nr. 6 zu § 4 TVG Nachwirkung). Ob die in Bezug genommenen Tarifvorschriften in den Betrieben des Instituts unmittelbar und zwingend geltendes Tarifrecht sind oder nur nachwirken, bestimmt sich allein nach der jeweiligen rechtlichen Wirkung des MTV Ang-HMI.
Damit besteht für die Betriebe des Instituts in der Anlage 1 a zum BAT eine tarifvertragliche Regelung der Eingruppierung der Angestellten des Instituts, die entsprechende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ausschließt. Für diesen Ausschluß reicht es, daß das Institut als Tarifvertragspartei selbst an den MTV Ang-HMI gebunden ist. Darauf, ob und wie viele Arbeitnehmer des Instituts ihrerseits tarifgebunden sind, kommt es nicht an (Beschluß des Senats vom 24. Februar 1987, BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972).
2. Dieser Würdigung steht die genannte Entscheidung des Vierten Senats vom 3. Dezember 1985 (BAGE 50, 277 = AP Nr. 1 zu § 74 BAT) nicht entgegen.
In dieser Entscheidung hatte der Vierte Senat eine § 2 MTV Ang-HMI ähnliche Tarifvorschrift zu beurteilen, die wie folgt lautete:
Für den ... Personenkreis gelten die folgenden Ta-
rifverträge in den jeweils gültigen Fassungen mit
den nachstehend festgelegten Abweichungen, beson-
deren Regelungen und Einschränkungen: BAT vom
23. Januar 1961 ...
Dazu hat der Vierte Senat ausgeführt:
"Wenn im einzelnen in § 3 TV bestimmt wird, daß da-
nach der BAT "in der jeweils gültigen Fassung" anzu-
wenden ist, so ergibt die Auslegung dieser Tarifnorm
nach Tarifwortlaut und tariflichem Gesamtzusammen-
hang (vgl. das Urteil des Senats vom 12. September
1984 - 4 AZR 336/82 - AP Nr. 135 zu § 1 TVG Ausle-
gung), daß für die dem Verweisungstarifvertrag unter-
worfenen Angestellten der BAT immer so gelten soll,
wie er nach den allgemeinen Grundsätzen des Tarif-
rechts für die unmittelbar dem BAT unterfallenden
Angestellten gilt. Diese Auslegung wird auch allein
dem Sinn und Zweck von § 3 TV gerecht. Wie aus der
Tarifnorm und dem Gesamtzusammenhang des TV erkenn-
bar wird, sollen nämlich, weil Gesellschafter und
Geldgeber der antragstellenden Gesellschaft die Bun-
desrepublik Deutschland und das Land Berlin sind,
in der Frage ihrer Vergütung die Angestellten der
Gesellschaft ebenso gestellt werden wie entsprechen-
de Angestellte des öffentlichen Dienstes, für die
der BAT unmittelbar gilt."
Mit dieser Auslegung der Tarifvorschrift sagt der Vierte Senat nichts über die rechtliche Wirkung der in Bezug genommenen Tarifvorschriften des BAT im Geltungsbereich des Verweisungstarifvertrages. Aus dieser Auslegung kann insbesondere nicht entnommen werden, daß der in Bezug genommene BAT oder andere Tarifvorschriften im Geltungsbereich des - auch dort - fortgeltenden Verweisungstarifvertrages nur nachwirken, wenn ihnen im unmittelbaren Geltungsbereich des Bundes und der Länder wegen der erfolgten Kündigung nur noch eine Nachwirkung zukommt.
Auch wenn der Vierte Senat das Rechtsverhältnis zwischen dem dortigen Arbeitnehmer und der Forschungsgesellschaft wie folgt würdigt:
"Da der Angestellte nicht gewerkschaftlich organi-
siert ist, gilt zwischen ihm und der Gesellschaft
nach dem Arbeitsvertrag der TV als Vertragsrecht.
Aufgrund der Verweisung im TV gilt dasselbe auch für
den BAT. ... Dagegen erstreckt sich die arbeitsver-
tragliche Vereinbarung zwischen der Gesellschaft
und dem Arbeitnehmer nicht auf die Anlage 1 a zum
BAT, weil der Arbeitsvertrag erst nach dem 31. De-
zember 1983 abgeschlossen worden ist und über die-
sen Zeitraum hinaus die Anlage 1 a zum BAT nur noch
nachwirkend gemäß § 4 Abs. 5 TVG weitergegolten hat.
Diese Nachwirkung betrifft jedoch den Angestellten
deswegen nicht, weil sich die Nachwirkung eines Ta-
rifvertrages nicht auf Arbeitsverhältnisse erstreckt,
die erst nach dem Außerkrafttreten eines Tarifver-
trages begründet worden sind."
sagt er damit nichts zur rechtlichen Wirkung von Tarifvorschriften, die lediglich in einem Verweisungstarifvertrag in Bezug genommen sind, insbesondere nichts zu der Frage, ob und wann die in Bezug genommenen Tarifvorschriften eine tarifliche Regelung im Sinne von § 87 Abs. 1 BetrVG Eingangssatz darstellen. Ob die Anlage 1 a zum BAT auf das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und der Gesellschaft schon deswegen keine Anwendung fand, weil hinsichtlich dieser Anlage im Arbeitsvertrag vereinbart war, daß diese nach Maßgabe der Absenkungsrichtlinien gelten solle, oder weil das Arbeitsverhältnis im Nachwirkungszeitraum des BAT begründet wurde, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Damit besteht im Institut eine tarifliche Regelung, die nach § 87 Abs. 1 BetrVG Eingangssatz Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausschließt.
III. Besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Änderung der Anlage 1 a zum BAT durch die Absenkungsrichtlinien, so konnte der Betriebsrat seine Zustimmung zur Eingruppierung des Angestellten F. B. gemäß den Absenkungsrichtlinien nur verweigern, wenn der Angestellte F. B. Mitglied der Gewerkschaft ÖTV und damit hinsichtlich des MTV Ang-HMI tarifgebunden war.
1. Besteht eine solche Tarifbindung, so ist der Angestellte F. B. allein nach der Anlage 1 a zum BAT einzugruppieren. Diese ist im Geltungsbereich des MTV Ang-HMI, solange dieser nicht gekündigt ist, unmittelbar zwingendes Tarifrecht. Ein tariflicher Anspruch des Angestellten F. B. auf Eingruppierung nach der Anlage 1 a zum BAT, d. h. hier in die VergGr. II a, kann durch die Absenkungsrichtlinien nicht geschmälert werden. Ist der Angestellte F. B. nach der Anlage 1 a zum BAT einzugruppieren, so hat der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer Eingruppierung aufgrund der Absenkungsrichtlinien zu Recht verweigert. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei einer Eingruppierung hat eine Richtigkeitskontrolle der geplanten Eingruppierung zum Inhalt. Er kann daher die Zustimmung zu einer Eingruppierung verweigern, die nicht der für den jeweiligen Arbeitnehmer geltenden Vergütungsgruppenordnung entspricht.
a) Wenn das Institut meint, die Verweisung in § 2 MTV Ang-HMI auf die dort genannten "Tarifvorschriften" beinhalte gleichzeitig auch eine Verweisung auf die Absenkungsrichtlinien, so vermag der Senat dem nicht zu folgen.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht im einzelnen ausgeführt, daß § 2 MTV Ang-HMI sich weder seinem Wortlaut noch seinem Sinn nach auf Verwaltungsvorschriften wie die Absenkungsrichtlinien bezieht. Der sorgfältigen und ausführlichen Begründung schließt sich der Senat an.
b) Auch § 6 Abs. 2 Haushaltsgesetz 1988 steht einer Eingruppierung des Angestellten F. B. allein nach der Anlage 1 a zum BAT nicht entgegen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschrift eine höhere Vergütung der Angestellten von institutionell geförderten Forschungsanstalten, als sie durch die Absenkungsrichtlinien festgelegt wird, entgegensteht und günstigere arbeitsvertragliche Vereinbarungen verbietet oder Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Anwendung des Absenkungserlasses ausschließt. § 6 Abs. 2 Haushaltsgesetz 1988 gilt auch mit einem solchen Inhalt nur "vorbehaltlich einer abweichenden tariflichen Regelung". Eine solche abweichende tarifliche Regelung stellt aber gerade § 2 des fortgeltenden MTV Ang-HMI mit seiner Verweisung auch auf die Anlage 1 a zum BAT dar.
c) Soweit in den bisherigen Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit den Absenkungsrichtlinien darauf abgestellt worden ist, ob bei dem jeweiligen Forschungsinstitut der allgemeine Entlohnungsgrundsatz "wie im öffentlichen Dienst" gegolten habe mit der Folge, daß die Anwendung der Absenkungsrichtlinien keine Änderung dieses Entlohnungsgrundsatzes darstelle und daher nicht mitbestimmungspflichtig sei, bedarf es dazu im vorliegenden Falle keiner Stellungnahme. Das Landesarbeitsgericht hat das Bestehen eines solchen Entlohnungsgrundsatzes nicht festgestellt. Zum anderen wäre ein solcher Entlohnungsgrundsatz ohne rechtliche Wirkung, da er gegen die zwingende Wirkung der tariflichen Regelung verstieße, wonach sich die Eingruppierung jedenfalls tarifgebundener Arbeitnehmer allein nach der Anlage 1 a zum BAT bestimmt, von der zuungunsten der Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 3 TVG auch durch einen solchen Entlohnungsgrundsatz nicht abgewichen werden kann.
2. Ist der Angestellte F. B. nicht tarifgebunden, verlangt § 2 MTV Ang-HMI nicht seine Eingruppierung allein nach der Anlage 1 a zum BAT. Arbeitsvertraglich ist die Eingruppierung nach Maßgabe der Absenkungsrichtlinien vereinbart worden. Gegen diese Vereinbarung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Anwendung der Absenkungsrichtlinien bei nicht tarifgebundenen Angestellten besteht - wie dargelegt - nicht. In diesem Falle hätte der Betriebsrat seine Zustimmung zur geplanten Eingruppierung des Angestellten F. B. zu Unrecht verweigert.
Dieses unterschiedliche Ergebnis hinsichtlich der Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Anwendung der Absenkungsrichtlinien folgt daraus, daß § 87 Abs. 1 BetrVG Eingangssatz Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats schon dann ausschließt, wenn eine tarifliche Regelung besteht, unabhängig davon, daß diese tarifliche Regelung einem nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer keinen unabdingbaren Schutz gewähren kann. Der Senat hat dieses Ergebnis in seiner genannten Entscheidung vom 24. Februar 1987 (BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972) im einzelnen begründet. Die Regelung in § 87 Abs. 1 BetrVG Eingangssatz geht davon aus, daß eine bestehende tarifliche oder gesetzliche Regelung dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer ausreichend Rechnung trägt und daher Mitbestimmungsrechte entbehrlich macht. Überläßt aber der Gesetzgeber die Regelung einer Angelegenheit den Tarifvertragsparteien mit der Folge, daß Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats ausscheiden, so bringt er damit gleichzeitig zum Ausdruck, daß die Arbeitnehmer eines Schutzes nur in dem Maße bedürftig sind, den tarifliche Regelungen bieten können. Tarifliche Regelungen bieten aber nur demjenigen unabdingbaren Schutz, der tarifgebunden ist, d. h., der mit seinem Beitritt zur Tarifvertragspartei sich dieses Schutzes bedienen will. Wollte man beim Bestehen einer tariflichen Regelung Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats für die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer des Betriebes bestehen lassen, würde in einem Betrieb die gleiche Angelegenheit von zwei unterschiedlichen Ordnungen beherrscht. Das aber wollte der Gesetzgeber gerade vermeiden.
IV. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Angestellte F. B. Mitglied der ÖTV und damit tarifgebunden war oder nicht. Auch dem Vorbringen der Beteiligten im Verfahren ist dazu nichts zu entnehmen. Der Senat kann daher nicht abschließend entscheiden. Die Sache muß vielmehr zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendige Feststellung treffen kann.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Mager H. Blanke
Fundstellen
Haufe-Index 437114 |
BAGE 64, 94-103 (LT1-2) |
BAGE, 94 |
BB 1990, 1626 |
BB 1990, 1626-1628 (LT1-2) |
DB 1990, 2023-2024 (LT1-2) |
EBE/BAG 1990, 69-72 (LT1-2) |
BetrVG, (11) (LT1-2) |
NZA 1990, 493-494 (LT1-2) |
Quelle 1990, Nr 8, 22 (T) |
RdA 1990, 190 |
ZTR 1990, 258-260 (LT1-2) |
AP § 99 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 78 |
AR-Blattei, ES 1550.6 Nr 29 (LT1-2) |
EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 86 (LT1-2) |
EzBAT § 1 BAT Verweisungstarifverträge, Nr 4 (LT1-2) |