Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtsgeld - Teilzeitbeschäftigung im kirchlichen Dienst
Leitsatz (redaktionell)
1. Das unterschiedliche Arbeitspensum eines teilzeitbeschäftigten und eines vollzeitbeschäftigten Rettungssanitäters stellt keinen sachlichen Grund im Sinne des Art 1 § 2 Abs 1 BeschFG 1985 dar.
2. Die Übernahme besonderer Pflichten durch Vollzeitbeschäftigte rechtfertigt nicht den Ausschluß des Teilzeitbeschäftigten vom Bezug des Weihnachtsgeldes, das sowohl als Vergütung für geleistete Dienste als auch als Zuwendung für erwiesene und zu erwartende Betriebstreue gewährt wird.
3. Wird die Gruppe der vorübergehend beschäftigten Arbeitnehmer vom Bezug des Weihnachtsgeldes ausgenommen, findet die Regelung auf Teilzeitbeschäftigte keine Anwendung. Die Gruppe der vorübergehend Beschäftigten ist mit der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten nicht identisch.
4. Nebenberufliche Tätigkeit des Teilzeitbeschäftigten ist allein kein sachlicher Grund.
5. Kirchen und öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften können in ihrer Regelungen, wie zB in den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes, nur in dem selben Rahmen zuungunsten der Arbeitnehmer von den Bestimmungen des zweiten Abschnitts des Art 1 BeschFG 1985 abweichen wie Tarifvertragsparteien in Tarifverträgen nach Art 1 § 6 Abs 1 BeschFG 1985.
6. Die Bestimmung des § 3 Buchst d AVR Caritasverband ist keine abweichende Regelung im Sinne des Art 1 § 6 Abs 3 BeschFG 1985 (im Anschluß an die Urteile des Fünften Senats vom 25. Januar 1989 - 5 AZR 161/88 - AP Nr 2 zu § 2 BeschFG 1985 und des Achten Senats vom 24. Oktober 1989 - 8 AZR 5/89 - NZA 1990, 486).
Normenkette
DCVArbVtrRL § 3 Buchst. d; BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 01.02.1989; Aktenzeichen 7 Sa 1098/88) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 25.08.1988; Aktenzeichen 6 Ca 2823/88) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Weihnachtszuwendung nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes.
Der Beklagte ist eine 1953 von den Deutschen Assoziationen des Johanniter-( Malteser-) Ordens und dem Deutschen Caritasverband gegründete katholische Sanitäts- und Katastrophenschutz-Organisation in der Form des eingetragenen Vereins.
Der 1959 geborene Kläger ist Student und bei dem Beklagten seit Juni 1984 als Rettungssanitäter teilzeitbeschäftigt. Zuvor war er für den Beklagten in einem nicht näher beschriebenen Nebenamt tätig. Nach dem auf unbestimmte Zeit geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 1./17. Juni 1984 beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 12 Stunden. Der Kläger erhält einen Stundenlohn von 10,51 DM brutto.
Die im Bereich des Beklagten verwendeten Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) finden nach § 10 des Arbeitsvertrages für das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Auch nach § 3 Buchst. d AVR gelten die Richtlinien nicht für Mitarbeiter, deren durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit vertraglich auf weniger als die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechend vollbeschäftigten Mitarbeiters festgesetzt ist oder wird.
Der Beklagte gewährt seinen vollzeitbeschäftigten Mitarbeitern ein Weihnachts- und Urlaubsgeld nach den Arbeitsvertragsrichtlinien und seinen Anlagen. Der Kläger hat diese Leistungen nicht erhalten.
Er hat gemeint, nach Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 ebenfalls Anspruch auf entsprechende - anteilige - Leistungen für die Jahre 1986 und 1987 zu haben.
Er hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger
1.379,86 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit
Klagezustellung zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, für ihn als Teil der katholischen Kirche gelte Art. 1 § 6 Abs. 3 BeschFG 1985. Danach habe er mit den AVR von den Vorschriften des zweiten Abschnitts des Art. 1 BeschFG 1985 abweichen dürfen. Im übrigen gebe es sachliche Gründe für eine Differenzierung zwischen teil- und vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. Die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer unterlägen aufgrund der Geltung der AVR besonderen Pflichten. Zudem sei die Differenzierung zwischen den hauptberuflichen Vollzeitbeschäftigten und den nebenberuflichen Teilzeitkräften auch deshalb durchaus sachgerecht, weil das Bestreben des Beklagten darauf gerichtet sei, durch die Zahlung der Gratifikationen eine stärkere Bindung an die Organisation des Beklagten zu erreichen. Dieses Motiv der Zahlungen könne aber lediglich ein Gesichtspunkt bei den Vollzeitbeschäftigten sein, nicht aber auch bei der Gruppe der mit 12 Wochenstunden geringfügig Beschäftigten, die sich aus Schülern und Studenten rekrutiere, die "heute kommen und morgen gehen".
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Ansprüche dem Grunde nach bejaht, die Urlaubsgelder und das Weihnachtsgeld für 1986 jedoch für verfallen angesehen. So hat es lediglich das Weihnachtsgeld für 1987 zugesprochen.
Von der durch Zulassung des Landesarbeitsgerichts eröffneten Möglichkeit der Revision hat lediglich der Beklagte Gebrauch gemacht. Er will die Klage insgesamt abgewiesen haben, während der Kläger Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, der Anspruch des Klägers auf eine Weihnachtszuwendung ergebe sich aus Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Die Geltung dieser Norm sei durch die Anwendung der AVR nicht ausgeschlossen, weil der Beklagte keine Kirche und keine öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft sei. Eine Ausdehnung auf die karitativen Einrichtungen der Kirchen und Religionsgesellschaften wie in § 118 Abs. 2 BetrVG sei in § 6 Abs. 3 BeschFG 1985 nicht erfolgt. Für eine Herausnahme des Klägers aus der Zahlung einer Weihnachtszuwendung im Jahre 1987 lägen auch keine sachlichen Gründe vor. Die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 sei dort nicht ausdrücklich ausgesprochen. Die Rechtsfolge könne aber nur sein, daß der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Leistung habe, von der er vom Arbeitgeber ausgeschlossen worden sei. Sonst sei die Vorschrift überhaupt ohne Rechtsfolge. Allerdings seien die Ansprüche bis auf das Weihnachtsgeld 1987 nach § 23 Abs. 1 der AVR verfallen. Nur diesen Anspruch habe der Kläger rechtzeitig geltend gemacht.
Das Urteil hält, soweit es angegriffen ist, der revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
II. Der Kläger hat einen Anspruch auf Weihnachtsgeld im Wert seiner Teilleistung nach den §§ 611 ff. BGB in Verb. mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und der Nr. XIV der Anl. 1 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasver-bandes . Die den Anspruch ausschließende Vertragsbestimmung des § 10 ist nichtig. Die Vorschrift des § 3 Buchst. d AVR, die den Teilzeitbeschäftigten vom persönlichen Geltungsbereich der AVR ausnimmt, ist durch die Bestimmung des Art. 1 § 6 Abs. 3 BeschFG 1985 nicht gedeckt.
1. Die Bestimmung des § 10 des Arbeitsvertrages verstößt gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und ist nichtig, § 134 BGB. Nach Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Damit verbietet das Gesetz nur die unterschiedliche Behandlung "wegen der Teilzeitarbeit". Es erlaubt eine Differenzierung aus anderen Gründen. Es gestattet ferner eine unterschiedliche Behandlung wegen der Teilzeitbeschäftigung, wenn sachliche Gründe vorliegen (Senatsurteil vom 9. Februar 1989 - 6 AZR 174/87 - AP Nr. 4 zu § 2 BeschFG 1985, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
a) Der Beklagte behandelt den Kläger im Vergleich zu den vollzeitbeschäftigten Rettungssanitätern unterschiedlich. Der Vollzeitbeschäftigte erhält ein Weihnachtsgeld in Höhe einer Monatsvergütung. Der Kläger erhält gar nichts. Nach dem Vorbringen des Beklagten ist der Kläger wegen der Teilzeitarbeit im Sinne des Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 vom Bezug des Weihnachtsgeldes ausgenommen.
b) Der Beklagte kann sich nicht auf sachliche Gründe im Sinne des Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 berufen.
(1) Das unterschiedliche Arbeitspensum des Teilzeitbeschäftigten und des Vollzeitbeschäftigten scheidet entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts Köln in seinem Urteil vom 5. Februar 1986 - 5 Sa 1086/85 - (BB 1986, 2057 a.E.) aus. Der unterschiedliche Umfang der Arbeitsleistung allein ist auch und gerade für Sozialleistungen kein ausreichender Grund für eine unterschiedliche Behandlung, wie das Bundesarbeitsgericht bereits früher zur betrieblichen Altersversorgung ausgesprochen hat (BAGE 38, 232 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Gleichbehandlung). Da der Gesetzgeber sich an diese Rechtsprechung bei der umfassenden Kodifizierung angelehnt hat (BAG Urteil vom 25. Januar 1989 - 5 AZR 161/88 - AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Senatsurteil vom 9. Februar 1989, aaO; Wlotzke, NZA 1984, 217, 218; Lorenz/Schwedes, DB 1985, 1077, 1079), verbietet sich der Rückgriff allein auf die Menge der Arbeitsleistung als Begründung für die Differenzierung, ob Weihnachtsgeld gezahlt wird oder nicht (mißverständlich Lorenz/ Schwedes, aaO).
(2) Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, der Vollzeitbeschäftigte unterliege den Bestimmungen der AVR und habe damit besondere Pflichten übernommen. Abgesehen davon, daß der Beklagte nicht näher darlegt, welche vom Teilzeitbeschäftigten nicht einzuhaltenden Pflichten gemeint sind, ist nicht ersichtlich, inwieweit gerade das Weihnachtsgeld das geeignete Mittel ist, besondere Pflichten zu entlohnen. Ausweislich des Textes der Nr. XIV der Anl. 1 der AVR stellt das Weihnachtsgeld eine typische Sonderleistung mit Mischcharakter dar (Vergütung für geleistete Dienste, Zuwendung für erwiesene Betriebstreue und zu erwartende künftige Betriebstreue). Die Vorschriften sind eindeutig an die Bestimmungen im Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (im öffentlichen Dienst) vom 12. Oktober 1973 angelehnt.
(3) Zutreffend hat der Beklagte ausgeführt, die Zahlung des Weihnachtsgeldes bezwecke eine Bindung des Arbeitnehmers an seinen Betrieb. Es könnte daher einen sachlichen Grund im Sinne des Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellen, die Arbeitnehmergruppe vom Bezug des Weihnachtsgeldes auszuschließen, die nur vorübergehend beschäftigt werde. So verhält es sich im Streitfall jedoch nicht. Die Gruppe der vorübergehend Beschäftigten ist mit der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten nicht identisch. Der Teilzeitbeschäftigte kann durchaus lange beschäftigt sein. Das trifft gerade auf den Kläger zu, dessen Vertrag seit 1984 unverändert besteht und der schon zuvor "nebenamtlicher" Beschäftigter des Beklagten war. Schließlich gewährleistet die Weihnachtsgeldregelung in den Arbeitsvertragsrichtlinien selbst durch ihre Voraussetzungen, daß nur kurzfristig Beschäftigte nicht in den Genuß des Weihnachtsgeldes kommen bzw. es zurückzahlen müssen.
(4) Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, der Kläger sei lediglich nebenberuflich beschäftigt. Zwar hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 22. August 1990 (- 5 AZR 543/89 - zur Veröffentlichung vorgesehen) den Anspruch eines nebenberuflich als Religionslehrer an einem Gymnasium beschäftigten Pfarrer auf Vergütung wie bei einem Vollzeitbeschäftigten abgewiesen. Der Fünfte Senat hielt es angesichts der besonderen Fallgestaltung für zulässig, die soziale Lage eines Teilzeitbeschäftigten dann als sachlichen Grund im Sinne des Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 zu werten, wenn er neben der Teilzeitbeschäftigung einer Haupttätigkeit nachgehe, aus der er für sich und seine Familie eine auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage gewönne. Der Fünfte Senat hat allerdings darauf hingewiesen, daß die Nebenberuflichkeit allein kein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung sei. Erst die Tatsache, daß der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer durch seinen Hauptberuf sozial gesichert sei, rechtfertige die Differenzierung. Es bedeute einen erheblichen Unterschied, ob jemand zu seinem Vollzeitberuf mit wirtschaftlicher Sicherung für sich und seine Familie, auch für das Alter, eine Nebentätigkeit ausübe, die zu Recht mit diesem Namen bezeichnet werde, oder ob sich jemand mit einer Teilzeitbeschäftigung zufrieden geben müsse. Im Streitfall hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, daß sich der Kläger in einer vergleichbaren sozialen Situation befindet. Der Beklagte hat auch keine entsprechenden Tatsachen behauptet. Bei einem Studenten ist in der Regel vielmehr davon auszugehen, daß sein Verdienst für und während der Ausbildung verbraucht wird.
2. Der Beklagte kann sich auch nicht auf Art. 1 § 6 Abs. 3 BeschFG 1985 berufen. Danach können die Kirchen und die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften in ihren Regelungen von den Vorschriften dieses Abschnitts abweichen. Diese Voraussetzungen sind weder bei der vertraglichen Regelung noch bei der Bestimmung des § 3 Buchst. d AVR gegeben.
a) Der Senat kann zugunsten des Beklagten unterstellen, er gehöre zur Kirche im Sinne des Art. 1 § 6 Abs. 3 BeschFG 1985. Denn auch dann bleibt die Revision erfolglos. Eine rechtliche Bewertung ist dem Senat nicht möglich, weil das Landesarbeitsgericht es versäumt hat, notwendige Tatsachenfeststellungen über die Zuordnung des Beklagten zum Caritasverband zu treffen, der als Teil der katholischen Kirche anerkannt ist (Jurina, NZA 1986, Beil. 1, S. 15, 17; zum Kinderheim im Diakonischen Werk: BAGE 51, 239 = AP Nr. 25 zu Art. 140 GG). Der Vortrag des Beklagten hierzu ist ohne Substanz. Die Anwendung des Art. 1 § 6 Abs. 3 BeschFG 1985 kann jedenfalls nicht mit der Begründung ausgeschlossen werden, die Vorschrift enthalte keinen Hinweis auf die Einbeziehung anderer Organisationen wie § 118 BetrVG. Diese Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts übersieht die Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsgarantie des Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 Abs. 3 WRV, die nicht nur den verfaßten Kirchen und deren rechtlich selbständigen Teilen zugute kommt, sondern allen der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück des Auftrags der Kirche wahrzunehmen und zu erfüllen (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. z.B. Beschluß vom 4. Juni 1985 - 2 BvR 1703/83, 1718/83 und 856/84 - AP Nr. 24 zu Art. 140 GG = NZA 1986, Beil. 1, S. 28, 29).
b) Es kann weiter dahingestellt bleiben, ob der Kläger durch eine kirchliche Regelung im Sinne des Art. 1 § 6 Abs. 3 BeschFG 1985 unmittelbar benachteiligt wird, oder durch die einzelvertragliche Regelung des § 10 Arbeitsvertrag, die die Anwendung der AVR mit ihrer Weihnachtsgeldregelung ausdrücklich ausschließt. Gegen letztere Annahme spricht nicht nur, daß der § 10 Arbeitsvertrag im Ergebnis nur deklaratorisch wiederholt, was angesichts des § 3 Buchst. d AVR auch gelte, wenn der Arbeitsvertrag die negative Vorschrift nicht enthielte. Zu bedenken ist auch, daß kirchliche Arbeitsvertragsregelungen niemals unmittelbar und zwingend wie Tarifverträge Arbeitsverhältnisse gestalten (BAGE 14, 61, 63 = AP Nr. 77 zu Art. 3 GG; BAGE 28, 14, 17 = AP Nr. 40 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAGE 34, 182, 184 = AP Nr. 9 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; BAG Urteil vom 28. Oktober 1987 - 5 AZR 518/85 - AP Nr. 1 zu § 7 AVR Caritasverband; BAG Beschluß vom 7. September 1988 - 4 AZN 436/88 - AP Nr. 36 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz und BAGE 60, 344 = AP Nr. 37 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz; vgl. dazu aber auch die ablehnende Anmerkung von Mayer-Maly zu AP Nr. 1 zu § 7 AVR Caritasverband). Es bedarf vielmehr stets der vertraglichen Transformation durch Einzelvertrag, Gesamtzusage oder Einheitsregelung, wenn Arbeitsvertragsregelungen im Arbeitsverhältnis gelten sollen. Da der Gesetzgeber diese langjährige Rechtsprechung kannte, dürfte davon ausgegangen werden, er habe auch mittelbar wirkende kirchliche Regelungen privilegieren wollen.
c) Jedenfalls handelt es sich bei der Vorschrift des § 3 Buchst. d AVR nicht um eine abweichende Regelung im Sinne dieses Gesetzes.
(1) Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat zu der mit § 3 Buchst. d AVR vergleichbaren Vorschrift des § 3 Buchst. q BAT entschieden, diese Tarifregelung stelle keine abweichende tarifliche Bestimmung i. S. des § 6 Abs. 1 und Abs. 2 BeschFG 1985 dar (Urteil vom 25. Januar 1989 - 5 AZR 161/88 - AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985). Die Herausnahme aus dem Geltungsbereich eines Tarifvertrages schaffe für sich allein genommen noch keine abweichende Regelung für den herausgenommenen Personenkreis. Es fehle an jeder Rechtsnorm, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen i. S. von § 1 Abs. 1 TVG regele. Das Fehlen einer Regelung sei aber keine Regelung. Wenn jede rechtstechnische Ausformung einer abweichenden Regelung durch Tarifvertrag fehle, müsse für den ausgenommenen Personenkreis, dem jeder tarifvertragliche Schutz entzogen sei, nach wie vor die gesetzliche Regelung gelten. Diese Regelung werde auch durch die in Art. 1 § 6 Abs. 2 Satz 1 BeschFG 1985 enthaltene Regelung unterstützt. Nach der genannten Bestimmung gelten im Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach Abs. 1 die abweichenden tariflichen Regelungen zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wenn die Anwendung der für teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer geltenden Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen ihnen vereinbart ist. Hieraus folge, daß der Gesetzgeber von der Vorstellung ausgegangen sein müsse, mit der vereinbarten Anwendung von abweichenden tariflichen Bestimmungen werde der Arbeitsvertrag inhaltlich gestaltet. Das sei aber nur denkbar, wenn die tarifliche Regelung Inhaltsnormen aufweise. Eine abweichende Regelung, die nur dahingehe, die Anwendung tariflicher Normen aus-zuschließen , könne weder eine Regelung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 noch nach § 6 Abs. 1 BeschFG 1985 darstellen. Dieser Rechtsprechung hat sich der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 24. Oktober 1989 (- 8 AZR 5/89 - NZA 1990, 486) angeschlossen (zustimmend Friedhofen/Weber, NZA 1990, 713, 717;ablehnend Berger-Delhey , Anm. zu AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985 und in ZTR 1989, 299).
(2) Der erkennende Senat folgt dieser überzeugenden Rechtsprechung und überträgt sie auf den Anwendungsbereich des Art. 1 § 6 Abs. 3 BeschFG 1985. Kirchliche Arbeitgeber können in ihren paritätisch zustandegekommenen Arbeitsvertragsrichtlinien nur in demselben Umfang vom Gesetz abweichende Regelungen aufstellen wie Tarifvertragsparteien in Tarifverträgen. Das gilt auch unter Beachtung des Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts der Kirchen nach Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 Abs. 3 WRV. Wenn Art. 1 § 6 Abs. 3 BeschFG 1985 keine neuen Rechtsbefugnisse geschaffen hat, sondern nach dem Selbstverständnis der Kirchen lediglich auf das verfassungsrechtlich Gebotene Rücksicht nimmt (so Jurina, aaO, S. 15; a.A. GK-TzA Mikosch, Art. 1 § 6 BeschFG 1985, Rz 54), so folgt daraus auch, daß die Bestimmungen über die abweichenden Regelungen in den drei Absätzen des Art. 1 § 6 BeschFG 1985 nicht unterschiedlich ausgelegt werden können. Denn es ist nicht verfassungsrechtlich geboten, den Kirchen eine weitergehende Abweichungsbefugnis zu gewähren als Tarifvertragsparteien, jedenfalls solange nicht, als besondere Loyalitätspflichten aus dem kirchlichen Arbeitsverhältnis nicht berührt sind. Ein Konflikt zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und staatlichem Arbeitsrecht besteht bei der Gewährung von Weihnachtsgeld an Teilzeitbeschäftigte jedoch nicht.
3. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt der Zahlungsanspruch des Klägers bei einem festgestellten Verstoß des Beklagten gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 nicht aus dieser Vorschrift selbst. Bei ihr handelt es sich lediglich um die Verbotsnorm. Ein Verstoß führt zur Nichtigkeit der "Behandlungsmaßnahme" im Sinne des Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 gemäß § 134 BGB. Die Nichtigkeit der Bestimmungen, die den Kläger als Teilzeitbeschäftigten vom Bezug des Weihnachtsgeldes ausschließen, haben zur Folge, daß der Kläger in Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Maßgabe der allgemein angewandten Regelung behandelt werden muß (BAG Urteil vom 24. Oktober 1989 - 8 AZR 5/89 -, aaO; BAGE 49, 346, 352 f. = AP Nr. 76 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG Urteil vom 30. November 1982 - 3 AZR 214/80 - AP Nr. 54 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). So ist dem Kläger ein Anspruch im Wert seiner Teilleistung erwachsen, die nach der unstreitig gebliebenen Berechnung in der Klageschrift 554,93 DM ausmacht.
III. Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 284 Abs. 1, 286 Abs. 1 und § 288 Abs. 1 BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Kremhelmer Dörner
Hilgenberg Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 440641 |
BAGE 66, 314-322 (LT1-6) |
BAGE, 314 |
BB 1991, 2299 |
BB 1991, 2299-2301 (LT1-6) |
DB 1991, 866-868 (LT1-6) |
DStR 1991, 1025 (T) |
NJW 1991, 1974 |
NJW 1991, 1974 (L) |
BuW 1991, 511-512 (KT) |
EBE/BAG 1991, 46-48 (LT1-6) |
JR 1992, 132 |
JR 1992, 132 (S) |
NZA 1991, 350-352 (LT1-6) |
RdA 1991, 127 |
SAE 1991, 367-370 (LT1-6) |
ZAP, EN-Nr 474/91 (S) |
ZTR 1991, 208-209 (LT1-6) |
AP § 2 BeschFG 1985 (LT1-6), Nr 12 |
AR-Blattei, ES 820 Nr 96 (LT1-6) |
AR-Blattei, Gratifikation Entsch 96 (LT1-6) |
ArbuR 1991, 285-287 (LT1-6) |
ArztR 1991, 363-364 (T) |
EzA § 3 BeschFG 1985, Nr 7 (LT1-6) |
KirchE 28, 365-372 (LT) |
ZevKR 37, 282 (1992) (L) |