Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
1. Die Annahme eines Arbeitgebers, er sei auf Mitarbeiter angewiesen, die ihre berufliche Qualifikation in einem rechtsstaatlichen und marktwirtschaftlichen System erlangt haben, konnte es jedenfalls im Jahr 1996 nicht mehr sachlich rechtfertigen, Arbeitnehmern, die am 2. Oktober 1990 ihren Wohnsitz in der DDR hatten, generell ein niedrigeres Gehalt zu zahlen als Arbeitnehmern, die in diesem Zeitpunkt in den alten Bundesländern ansässig waren.
2. Ein durch eine solche Gehaltsdifferenzierung benachteiligter Arbeitnehmer kann für abgelaufene Zeiträume die Gleichstellung mit der begünstigten Arbeitnehmergruppe verlangen.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 1; BGB §§ 242, 187 Abs. 1, §§ 193, 284 Abs. 2, §§ 315, 614
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 30. August 2000 – 17 Sa 582/00 – zum Teil aufgehoben und unter Zurückweisung der Revision im übrigen wie folgt gefaßt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Januar 2000 – 34 Ca 30523/99 – zum Teil abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im übrigen wie folgt gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.973,87 DM brutto sowie 4 % Zinsen aus dem sich aus jeweils 964,77 DM brutto ergebenden Nettobetrag seit dem 4. Mai 1999, 2. Juni 1999, 2. Juli 1999, 3. August 1999 und 2. September 1999 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der ersten Instanz und die der Revision zu tragen.
Von den Kosten der Berufung haben der Kläger 87 % und die Beklagte 13 % zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger wegen seines Wohnsitzes im Beitrittsgebiet niedriger vergütet werden durfte als Arbeitnehmer aus den alten Bundesländern.
Die Beklagte ist eine Nachfolgegesellschaft der Treuhandanstalt. Sie privatisiert seit 1992 land- und forstwirtschaftliche Flächen in den neuen Bundesländern. Die dafür eingesetzten Mitarbeiter der früheren Treuhandanstalt beschäftigt sie fort. Etwa 100 ihrer derzeit 1100 Mitarbeiter stammen aus den alten Bundesländern. Sie werden wie die übrigen Beschäftigten in der Zentrale in Ostberlin oder in Niederlassungen eingesetzt, die in den neuen Bundesländern gelegen sind.
Ihre Mitarbeiter vergütete die Beklagte zunächst nach einem von der Treuhandanstalt übernommenen Vergütungssystem. Danach erhielten die aus dem Beitrittsgebiet stammenden Arbeitnehmer ein Gehalt, das an die Bezahlung der Staatsbediensteten der früheren DDR angelehnt war. Den Mitarbeitern aus den alten Bundesländern wurde eine höhere, jeweils individuell ausgehandelte Vergütung gezahlt.
Zur Vereinheitlichung ihrer Vergütungsstrukturen schloß die Beklagte mit dem Gesamtbetriebsrat am 15. Januar 1996 eine „Betriebsvereinbarung über Vergütungsgruppensystem, Eingruppierung und Gehälter” (BV). Danach erfolgt die Eingruppierung der Arbeitnehmer auf Grund einheitlicher Merkmale in eine von zehn Gehaltsgruppen, denen Gehaltsspannen mit insgesamt fünf weiteren Untergruppen zugeordnet sind. Dazu heißt es in der Betriebsvereinbarung:
„3. Gehaltsspannen
3.1 Jeder Gehaltsgruppe ist eine Gehaltsspanne zwischen einem Mindest- und einem Höchstbetrag zugeordnet.
3.2 Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren ständiger Wohnsitz am 02. Oktober 1990 in den alten Bundesländern oder in West-Berlin lag, existiert zur Zeit eine zweite Spanne, deren Obergrenze um den Prozentsatz höher ist, der dem Abstand zwischen den West- und den Ost-Gehältern im Öffentlichen Dienst der Bundesrepublik Deutschland entspricht.
3.3 Die Gehaltsspannen nach 3.1 bzw. 3.2 überschneiden sich in der Weise, daß das Höchstgehalt der jeweils niedrigeren Gruppe über dem Mindestgehalt der nächst höheren Gruppe liegt.
3.4 Die Gehaltsspannen werden nach den wirtschaftlichen Gegebenheiten der BVVG angepaßt wobei die jeweiligen Tariferhöhungen im Öffentlichen Dienst als Orientierung dienen sollen.”
Die Höhe des individuellen Gehalts bestimmt die Beklagte durch Einordnung in eine Gehaltsgruppe. Zu diesen hat die Beklagte einen Gehaltsrahmen aufgestellt, der nach Mitarbeitern aus den alten Bundesländern und denjenigen aus den neuen Bundesländern unterscheidet. Danach erhalten die Mitarbeiter aus den alten Bundesländern entsprechend dem Gehaltsrahmen West eine höhere Vergütung als Arbeitnehmer derselben Gehaltsgruppe, die aus den neuen Bundesländern stammen.
Der in den neuen Bundesländern ansässige und aufgewachsene Kläger ist seit dem 1. Juni 1994 für die Beklagte tätig. Er ist in der Vergütungsgruppe 8, Leistungsgruppe a eingruppiert. Nach dem Gehaltsrahmen für die Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern können Arbeitnehmer in dieser Vergütungsgruppe einen Bruttomonatsverdienst zwischen 5.948,00 DM bis 6.238,00 DM erzielen. Auf dieser Grundlage setzte die Beklagte das Gehalt des Klägers auf 6.227,00 DM brutto fest. Darüber hinaus erhielt der Kläger ein Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzulage in Höhe von 15 % bzw. 4,17 % eines Bruttomonatsverdienstes. Der Gehaltsrahmen für die Mitarbeiter aus den alten Bundesländern liegt in der Vergütungsgruppe 8 a zwischen 6.729,00 DM und 7.210,00 DM brutto.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger für die Monate April bis August 1999 eine weitere Bruttomonatsvergütung von jeweils 965,00 DM, die sich nach der Differenz zur Vergütungsgruppe 8 a für die Mitarbeiter aus den alten Bundesländern errechnet sowie eine entsprechende Differenz zum Urlaubsgeld in Höhe von 109,62 DM brutto und zur Sondervergütung in Höhe von 40,50 DM brutto. Der Kläger macht geltend, die von der Beklagten praktizierte Entgeltdifferenzierung zwischen Mitarbeitern aus den neuen und aus den alten Bundesländern sei neun Jahre nach dem Beitritt sachlich nicht mehr zu rechtfertigen. Die Höhe seines Anspruchs bestimme sich entsprechend der Eingruppierungsentscheidung und Leistungsbewertung der Beklagten sowie deren Übertragung in den Gehaltsrahmen West.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.975,12 DM nebst 4 % Zinsen auf den sich aus jeweils 965,00 DM brutto ergebenden Nettobetrag jeweils seit dem 1. Mai 1999, 1. Juni 1999, 1. Juli 1999, 1. August 1999 und 1. September 1999 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger werde gegenüber einem vergleichbaren Mitarbeiter aus den alten Bundesländern nicht benachteiligt. Sie habe zunächst das Vergütungssystem der Treuhandanstalt übernehmen müssen. Durch die Betriebsvereinbarung habe die Entgeltdifferenzierung zwischen den Mitarbeitern aus den alten und den neuen Bundesländer schrittweise abgebaut werden sollen. Allerdings sei sie nach wie vor auf Mitarbeiter angewiesen, die ihre Ausbildung und Berufserfahrung unter rechtsstaatlichen und marktwirtschaftlichen Bedingungen in den alten Bundesländern erworben hätten. In der Regel seien das Arbeitnehmer, die dort am 2. Oktober 1990 auch ihren Wohnsitz hatten. Diese Arbeitnehmer seien nur gegen Zahlung einer höheren Vergütung zur Aufnahme einer Tätigkeit in den neuen Bundesländern bereit, zumal ihnen durch doppelte Haushaltsführung und den damit verbundenen Ortswechsel höhere Aufwendungen entstünden. Jedenfalls könne der Kläger keine Angleichung an die begünstigte Gruppe verlangen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte unter Zurückweisung der Berufung im übrigen zur Zahlung von 4.973,87 DM brutto verurteilt. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist mit Ausnahme eines Teilbetrags der geltend gemachten Zinsforderung unbegründet.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung der Gehaltsdifferenzen für die Monate April bis August 1999 in Höhe von insgesamt 4.823,85 DM brutto sowie eines restlichen Urlaubsgeldes im Umfang von 109,62 DM brutto und einer weiteren Sondervergütung von 40,40 DM brutto.
1. Das Landesarbeitsgericht hat den Anspruch des Klägers zu Recht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Untersagt ist ihm sowohl eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Im Bereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt. Vorrang hat der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell ausgehandelte Gehälter. Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet aber auch im Bereich der Entgeltzahlung Anwendung, wenn der Arbeitgeber die Vergütung nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder bestimmte Zwecke festlegt(BAG 17. November 1998 – 1 AZR 147/98 – BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162 mit Anm. Richardi = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 79; 12. Januar 1994 – 5 AZR 6/93 – BAGE 75, 236).
b) Nach einem solchen generalisierenden Prinzip verfährt die Beklagte. Sie zahlt allen Arbeitnehmern, die am 2. Oktober 1990 ihren Wohnsitz in den alten Bundesländern einschließlich West-Berlins hatten, eine um einen bestimmten Prozentsatz höhere Vergütung als Arbeitnehmern derselben Gehaltsgruppe und mit gleich bewerteter Arbeitsleistung aus den neuen Bundesländern.
2. Die Beklagte hat keinen Sachgrund vorgetragen, der geeignet wäre, die Gehaltsdifferenzierung zwischen den Mitarbeitern aus den alten Bundesländern und denjenigen aus den neuen Bundesländern zu rechtfertigen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann es sachlich gerechtfertigt sein, eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern finanziell besser zu stellen, wenn ohne einen solchen Anreiz für die davon betroffenen Arbeitsplätze keine Arbeitskräfte zu gewinnen oder zu halten wären. In diesem Fall liegt der sachliche Differenzierungsgrund in der arbeitsmarktbedingten Durchsetzungsfähigkeit dieser Arbeitnehmer, auf deren Kenntnisse und Erfahrungen der Arbeitgeber bei der Besetzung bestimmter Arbeitsplätze angewiesen ist(BAG 23. August 1995 – 5 AZR 293/94 – BAGE 80, 362, zu III 2 der Gründe).
Die Behauptung der Beklagten, sie sei für die Erledigung ihrer Arbeitsaufgaben generell auf Mitarbeiter angewiesen, die ihre berufliche Qualifikation in einem marktwirtschaftlichen System erlangt hätten und nur gegen Zahlung einer höheren Vergütung für die Aufnahme einer Tätigkeit in den neuen Bundesländern bereit seien, kann in dieser Allgemeinheit die praktizierte Gehaltsdifferenzierung sachlich nicht rechtfertigen. Die unterschiedliche Höhe der Gehälter zwischen den Mitarbeitern aus den alten und denjenigen aus den neuen Bundesländern nimmt keine Rücksicht darauf, ob die Arbeitsaufgabe des jeweiligen aus den alten Bundesländern stammenden Mitarbeiters die von der Beklagten gewünschte berufliche Qualifikation überhaupt erfordert und der Arbeitsplatz deshalb nur gegen Zahlung einer höheren Vergütung besetzt werden kann. Entscheidend kommt hinzu, daß der Wohnsitz eines Arbeitnehmers auch unter Berücksichtigung der besonderen Situation der Wiedervereinigung so lange nach dem Beitritt kein zwingender Beleg mehr für eine besondere, unter marktwirtschaftlichen und rechtsstaatlichen Bedingungen erlangte berufliche Qualifikation ist. Das Differenzierungsmerkmal steht mit dem von der Beklagten vorgegebenen Differenzierungszweck nicht in einem hinreichend engen Zusammenhang.
Zwar wäre es nicht sachfremd, wenn die Beklagte denjenigen Arbeitnehmern, die im Zuge des Beitritts von der Treuhandanstalt aus den alten Bundesländern angeworben wurden, die mit der Treuhand individuell vereinbarte Vergütung fortzahlte. Entsprechendes gilt auch für Arbeitnehmer mit besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten, die auch 1996 noch nicht in den neuen Bundesländern erworben sein konnten, aber für die Erledigung bestimmter Arbeitsaufgaben unabdingbar sind. Den darin liegenden Differenzierungszwecken des Besitzstandsschutzes und des Arbeitsmarktes entspricht das wohnsitzbezogene Differenzierungsmerkmal nicht. Auch ist die Vergünstigung nicht auf die von der Treuhand übernommenen Mitarbeitern beschränkt. Sie begünstigt die von der Beklagten selbst eingestellten Arbeitnehmer aus den alten Bundesländern und zwar selbst dann, wenn deren Arbeitsaufgabe keine Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, die von Arbeitnehmern, die 1990 im Beitrittsgebiet ansässig waren, nicht erworben sein können.
b) Die Gehaltsdifferenzierung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß den aus den alten Bundesländern stammenden Mitarbeitern durch die Aufnahme ihrer Tätigkeit in den neuen Bundesländern Mehraufwendungen in Folge einer doppelten Haushaltsführung und höherer Lebenshaltungskosten entstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber zwar grundsätzlich frei in der Bestimmung des Zwecks, den er mit einer bestimmten Leistung verfolgen will(BAG 10. März 1998 – 1 AZR 509/97 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 207 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 40, zu 1 b aa). Mit einem tatsächlichen Mehrbedarf steht die gewährte Vergünstigung aber in keinem Zusammenhang. Die Beklagte zahlt den aus den alten Bundesländern stammenden Mitarbeitern ein höheres Gehalt auch nach Verlegung des Wohnsitzes in die neuen Bundesländer fort. Umgekehrt erhalten ihre aus dem Beitrittsgebiet stammenden Mitarbeiter auch dann kein höheres Entgelt, wenn sie mit entsprechenden Mehraufwendungen infolge einer doppelten Haushaltsführung tatsächlich belastet sind.
c) Im Zusammenhang mit einem arbeitsmarkt- und aufwendungsbedingten Differenzierungszweck beruft sich die Beklagte ohne Erfolg auf die Befugnis zur Pauschalierung im Interesse einer praktikablen Handhabung. Zwar muß der Arbeitgeber, der eine ganze Gruppe von Arbeitnehmern besser stellt, nicht darlegen, daß auf jeden Angehörigen dieser Gruppe der Differenzierungszweck in vergleichbarer Weise zutrifft. Vielmehr kann er die dem Differenzierungszweck zugrundeliegende Annahme auf die gesamte, nach diesem Zweck bestimmte Gruppe erstrecken, soweit die Gruppenbildung selbst nicht sachwidrig ist. Daran fehlt es hier.
d) Auch der Hinweis der Beklagten auf die Vergütungs- und Besoldungsstrukturen des öffentlichen Dienstes kann die Gruppenbildung nicht rechtfertigen. Die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes knüpfen nicht an den Wohnsitz der Arbeitnehmer an. Sie differenzieren danach, ob das Arbeitsverhältnis im Beitrittsgebiet begründet wurde oder nicht. Entscheidend ist, ob das Arbeitsverhältnis einen hinreichend engen Bezug zum Beitrittsgebiet aufweist. Dafür kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt worden ist und dort auf unbestimmte Zeit beschäftigt wird. Nicht erheblich sind Ort und Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses, der Sitz der Dienststelle oder der Wohnort des Arbeitnehmers(BAG 30. Juli 1992 – 6 AZR 11/92 – BAGE 71, 68, zu B II 3 a bb der Gründe; 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – BAGE 76, 57, zu II 2 b der Gründe; 23. Februar 1995 – 6 AZR 614/94 – BAGE 79, 215, zu II 2 der Gründe; 25. Juni 1998 – 6 AZR 475/96 – BAGE 89, 202, zu II 2 b bb der Gründe). Danach unterfallen die aus den neuen Ländern stammenden Arbeitnehmer den für die alten Länder geltenden Tarifverträgen, wenn sie dort beschäftigt sind. Umgekehrt gelten für das Beitrittsgebiet geschlossene Tarifverträge für aus dem Westen stammende Arbeitnehmer, die für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt wurden und dort auch tätig sind. Ähnliches gilt für die Besoldung von Beamten, Richtern und Soldaten. Diese erhalten gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der 2. Besoldungs-Übergangsverordnung geringere Bezüge, wenn sie von ihrer erstmaligen Ernennung an im Beitrittsgebiet verwendet werden.
e) Schließlich kann sich die Beklagte zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auch nicht auf die BV vom 15. Januar 1996 berufen. Es mag dahinstehen, ob Nr. 3.2 der BV überhaupt eine konstitutive Differenzierungsregelung enthält, die von der Beklagten eine wohnsitzbezogene Unterscheidung bei den Gehältern verlangen würde. Der Wortlaut ist insoweit keineswegs eindeutig. Jedenfalls wäre eine solche Regelung unwirksam. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß auch die Betriebsparteien nach § 75 Abs. 1 BetrVG an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sind, der ihnen eine sachfremde Gruppenbildung bei einer kollektivrechtlichen Regelung verwehrt(BAG 15. Januar 1991 – 1 AZR 80/90 – BAGE 67, 29, zu II der Gründe). Das gilt auch, soweit mit dieser Bestimmung eine von den Betriebspartnern erkannte sachwidrige Ungleichbehandlung schrittweise abgebaut werden sollte.
3. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auch der Höhe nach zu.
a) Fehlt es an einem billigenswerten Grund für die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern, kann der Benachteiligte eine Gleichstellung mit der begünstigten Gruppe verlangen(BAG 10. März 1998 aaO, zu 1 a der Gründe). Das gilt bei vergangenheitsbezogenen Leistungen stets dann, wenn der Arbeitgeber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen an der Rückforderung der Leistung gegenüber der begünstigten Gruppe gehindert ist. Der Kläger verlangt zu Recht für die Monate April bis August 1999 eine Vergütung nach der Gehaltsberechnung für die aus den neuen Bundesländern stammenden Arbeitnehmer. Aus dem Vortrag der Beklagten spricht nichts für eine erfolgreiche Geltendmachung von Rückforderungen gegenüber diesen Mitarbeitern.
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sie habe die höhere Leistung an die begünstigte Gruppe im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung erbracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber auch in diesem Fall zur Gleichbehandlung verpflichtet, solange er die Vergünstigungen nicht zurückfordert(BAG 26. November 1998 – 6 AZR 335/97 – BAGE 90, 219).
b) Das Landesarbeitsgericht hat die Höhe der dem Kläger zustehenden Gehaltsdifferenzen zutreffend berechnet.
Das Berufungsgericht hat dabei zunächst die Spanne der VergGr. 8 Leistungsgruppe a für Mitarbeiter aus den neuen Bundesländern zugrundegelegt. Es hat daraus errechnet, daß der dem Kläger aus dieser Spanne tatsächlich gewährte Betrag 96,21 % des Höchstbetrags ausmacht. Es hat sodann den Gehaltsrahmen der VergGr. 8 Leistungsgruppe a für Mitarbeiter aus den alten Bundesländern herangezogen und dem Kläger den dortigen Grundbetrag von 6.792,00 DM zuzüglich 96,21 % der Differenz zwischen diesem Grundbetrag und dem Höchstbetrag zugesprochen. Dies ergibt nach dem Gehaltsrahmen West eine Bruttomonatsvergütung von 7.191,77 DM und gegenüber den tatsächlich gezahlten 6.227,00 DM eine monatliche Differenz von 964,77 DM brutto. Das höhere Bruttomonatsgehalt hat das Landesarbeitsgericht auch der Berechnung der Ansprüche auf Urlaubsgeld und Sonderzahlung zugrundegelegt. Es hat rechnerisch richtig hinsichtlich des Urlaubsgelds eine Differenz von 144,84 DM und hinsichtlich der Sonderzahlung eine solche von 40,40 DM angenommen.
c) Dagegen wendet die Revision zu Unrecht ein, der Kläger habe die Höhe seiner Klageforderung nicht schlüssig vorgetragen. Über die Einordnung des Klägers in eine konkrete Gehaltsgruppe hat die Beklagte zu entscheiden. Dazu hat sie ein Leistungsbestimmungsrecht im Sinne von § 315 BGB auszuüben. Dieses Recht hat die Beklagte mit der Einordnung des Klägers für das Jahr 1999 in die Gehaltsspanne Ost wahrgenommen. Die Gehaltsfestlegung gemäß Nr. 5 der BV differenziert nicht zwischen den Gehaltsspannen für Mitarbeiter aus den alten und solchen aus den neuen Bundesländern, sondern umfaßt beide Mitarbeitergruppen. Erst die Wertigkeit der Arbeitsergebnisse der einzelnen Arbeitnehmer innerhalb der jeweiligen Vergleichsgruppe ermöglicht die Ermittlung des konkreten Gehalts. Diese Bewertung hat die Beklagte nach Nr. 5.6 Abs. 1 der BV aber ohne Rücksicht auf die gehaltlichen Auswirkungen vorzunehmen. Es ist deshalb rechtsfehlerfrei, wenn das Landesarbeitsgericht die Einordnungsentscheidung der Beklagten bezogen auf den Gehaltsrahmen West lediglich nachvollzogen hat.
II. Die Revision ist hinsichtlich eines Teils der Verzugszinsen begründet. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Berechnung der Verzugszinsen § 614 Satz 2 BGB nicht berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift wird die nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung jeweils nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte fällig. Das ist bei monatlicher Vergütung der erste Tag des Folgemonats. Verzug tritt gemäß § 284 Abs. 2 Satz 1 BGB iVm. § 187 Abs. 1 BGB ein, wenn der Arbeitgeber an diesem Tag nicht leistet. Fällt der Fälligkeitstag auf einen Samstag oder Feiertag, verschiebt sich der Zeitpunkt der Fälligkeit nach § 193 BGB auf den nächsten und der Eintritt des Verzugs auf den darauffolgenden Werktag.
Danach steht dem Kläger Verzugszins nicht bereits, wie vom Landesarbeitsgericht zugesprochen, seit dem 1. des jeweiligen auf den Vergütungsmonat folgenden Monats zu. Verzug ist vielmehr für den Anspruch für April 1999 erst am 4. Mai 1999, für den Anspruch für Mai 1999 erst am 2. Juni 1999, für den Anspruch für Juni 1999 erst am 2. Juli 1999, für den Anspruch für Juli 1999 erst am 3. August 1999 und für den Anspruch für August 1999 erst am 2. September 1999 eingetreten. Frühere Fälligkeitstermine hat der Kläger nicht dargetan.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO iVm. § 92 Abs. 2 ZPO.
Unterschriften
Wißmann, Hauck, Schmidt, Wisskirchen, Blank
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 15.05.2001 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 643081 |
BAGE, 1 |
BB 2001, 1415 |
BB 2001, 2166 |
DB 2002, 273 |
NWB 2001, 3805 |
BuW 2001, 1052 |
ARST 2002, 114 |
EWiR 2001, 1121 |
FA 2001, 221 |
FA 2001, 376 |
SAE 2002, 76 |
ZTR 2001, 569 |
AP, 0 |
AuA 2001, 326 |
EzA |
MDR 2001, 1419 |
NJ 2002, 53 |
PERSONAL 2002, 44 |
PERSONAL 2002, 61 |
AuS 2001, 58 |