Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung gegenüber einem Schwerbehinderten
Leitsatz (amtlich)
Die Zustimmungsfiktion des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG greift nicht ein, wenn die den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ablehnende Entscheidung innerhalb der Frist des § 18 Abs. 3 Satz 1 SchwbG den Machtbereich der Hauptfürsorgestelle verlassen hat (im Anschluß an BAG Urt. vom 13. Mai 1981 – 7 AZR 144/79 – BAG 35, 268 = AP Nr. 3 zu § 18 SchwbG).
Normenkette
SchwbG § 18 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 23.12.1980; Aktenzeichen 4 Sa 250/80) |
ArbG München (Urteil vom 04.03.1980; Aktenzeichen 22 Ca 11725/79) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. Dezember 1980 – 4 Sa 250/80 – aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 4. März 1980 – 22 Ca 11725/79 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung und der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Beklagte ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Forschung und zur Bewirtschaftung von Forschungsmitteln. Die Klägerin war bei ihm seit 1. April 1974 als Buchhalterin tätig. Sie ist schwerbehindert mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 %. Seit 11. Juni 1976 war sie Vertrauensmann der Schwerbehinderten.
Der Beklagte bemängelte mehrfach, daß die Klägerin ihre Arbeit nach Unterbrechungen aus unterschiedlichen Gründen nur mit Verzögerung wieder aufgenommen habe. Auch kam es zu Meinungsverschiedenheiten über den notwendigen zeitlichen Umfang der Tätigkeit der Klägerin als Schwerbehindertenvertrauensmann. Schließlich beschwerten sich am 6. November 1979 mehrere Kolleginnen und Kollegen über die Zusammenarbeit mit der Klägerin.
Der Beklagte entschloß sich daher, der Klägerin außerordentlich zu kündigen. Hierzu beantragte er am 9. November 1979 die Zustimmung des Betriebsrats, die am 13. November 1979 erteilt wurde. Außerdem beantragte der Beklagte mit Schreiben vom 8. November 1979 die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu dieser Kündigung. Der Antrag ging am 12. November 1979 bei der Hauptfürsorgestelle ein. Die Hauptfürsorgestelle lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. November 1979 ab, nachdem der Beklagte zunächst mit Schreiben vom 13. November 1979 zusätzliche Kündigungsgründe angegeben, auf diese aber mit Fernschreiben vom 20. November 1979 wieder verzichtet hatte. Der an den Beklagten gerichtete Bescheid wurde am 22. November 1979 per Einschreiben zur Post gegeben und ging ihm am 23. November 1979 zu. Der Klägerin war er bereits am 21. November 1979 gegen Nachweis ausgehändigt worden. Noch vor Zugang des Bescheides der Hauptfürsorgestelle an den Beklagten wurde der Klägerin am 23. November 1979 das Kündigungsschreiben vom selben Tage übergeben.
Die Klägerin hält die Kündigung mangels Zustimmung der Hauptfürsorgestelle, mangels Anwendbarkeit des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG und wegen Fehlens eines wichtigen Grundes für unwirksam.
Sie hat daher beantragt festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 23. November 1979 nicht aufgelöst wurde. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung seines Antrages hat der Beklagte im wesentlichen vorgetragen: Die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gelte als erteilt, weil ihm der Bescheid nicht wie erforderlich am 10. Tage, sondern erst am 11. Tage nach Antragseingang zugestellt worden sei. Im übrigen sei die fristlose Entlassung gerechtfertigt. Denn eine weitere Zusammenarbeit mit der Klägerin bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist, d. h. bis zum 31. März 1980, sei auf Grund des Gesamtverhaltens der Klägerin nicht mehr zumutbar gewesen. Insbesondere sei der Klägerin vorzuwerfen, sie habe sich unter Ausnutzung ihrer Sonderstellung als Schwerbehindertenvertrauensmann beharrlich geweigert, ihren Dienstpflichten nachzukommen, und durch ostentative Untätigkeit und unkollegiales Verhalten die übrigen Mitarbeiter in unerträglicher Weise brüskiert und provoziert. Die Klägerin hat die Vorwürfe im einzelnen bestritten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Ersturteils. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die vom Beklagten ausgesprochene außerordentliche Kündigung für wirksam erachtet. Es hat im einzelnen angenommen, die erforderliche Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gelte als erteilt, da der Beklagte bis zum Ablauf des 10. Tages nach Eingang des Antrages auf Zustimmungserteilung keinen Bescheid der Hauptfürsorgestelle erhalten habe. Auch sei dem Beklagten die Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zuzumuten gewesen.
II. Diese Würdigung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die vom Beklagten am 23. November 1979 ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist mangels der erforderlichen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle rechtsunwirksam (§ 134 BGB, §§ 12, 18 Abs. 1 SchwbG). Dem Landesarbeitsgericht kann nicht gefolgt werden, wenn es annimmt, die Zustimmung gelte gemäß § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG als erteilt, da die Hauptfürsorgestelle ihre Entscheidung nicht innerhalb von 10 Tagen vom Tage des Eingangs des Antrages an (§ 18 Abs. 3 Satz 1 SchwbG) getroffen habe. Der Bescheid sei dem Beklagten erst am 11. Tage nach Antragseingang zugegangen.
1. Der Senat hat bereits mit Urteil vom 13. Mai 1981 – 7 AZR 144/79 – (BAG 35, 268 = AP Nr. 3 zu § 18 SchwbG = EzA Nr. 4 zu § 18 SchwbG mit Anm. Herschel = SAE 1982, 60 mit Anm. Braasch) entschieden, die Zustimmungsfiktion des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG greife jedenfalls dann nicht ein, wenn die Hauptfürsorgestelle innerhalb der Zehn-Tage-Frist des § 18 Abs. 3 Satz 1 SchwbG über den Antrag ablehnend entscheidet und hiervon dem Arbeitgeber vor Ablauf der Frist in irgendeiner Weise, sei es auch nur (fern-) mündlich, unterrichtet (vgl. auch BAG 34, 20 = AP Nr. 2 zu § 18 SchwbG mit Anm. G. Hueck = SAE 1981, 153 mit Anm. Braasch). Im damaligen Streitfall konnte der Senat die Frage offen lassen, ob die Zustimmungsfiktion bereits dann ausgeschlossen ist, wenn die Hauptfürsorgestelle den Antrag innerhalb der Zehn-Tage-Frist ablehnt, aber auch eine formlose Bekanntgabe dieser Entscheidung an den Arbeitgeber erst nach Fristablauf erfolgt. Insoweit hat der Senat allerdings bereits in seinem Urteil vom 13. Mai 1981 (aaO) angedeutet, daß er es als ausreichend für den Nichteintritt der Zustimmungsfiktion hält, wenn die Hauptfürsorgestelle die fristgerecht getroffene Entscheidung alsbald zustellen läßt (BAG 35, 268, 274 f., aaO, zu I 2b der Gründe).
2. Im vorliegenden Rechtsstreit ist die Frage nunmehr entscheidungserheblich. Denn der Bescheid der Hauptfürsorgestelle ist hier zwar am letzten Tage der Zehn-Tage-Frist zur Post gegeben worden, aber dem Beklagten erst am Tag danach zugegangen, ohne daß festgestellt wäre, daß der Beklagte innerhalb der Frist seitens der Hauptfürsorgestelle anderweitig – mündlich oder fernmündlich – von dem Bescheid und dessen Inhalt in Kenntnis gesetzt worden wäre.
3. Auch nach erneuter Überprüfung hält der Senat an seiner im Urteil vom 13. Mai 1981 (aaO) angedeuteten Rechtsmeinung fest. Hat der den Antrag des Arbeitgebers ablehnende Bescheid innerhalb der Zehn-Tage-Frist den Machtbereich der Hauptfürsorgestelle verlassen, so ist die Entscheidung i. S. des § 18 Abs. 3 SchwbG mit der Wirkung getroffen, daß die Zustimmungsfiktion des Satzes 2, aaO, nicht mehr eintreten kann.
a) Unerheblich im vorliegenden Zusammenhang ist, daß es sich auch bei dem ablehnenden Bescheid der Hauptfürsorgestelle um einen Verwaltungsakt handelt und daß ein Verwaltungsakt zu seiner Wirksamkeit der Bekanntgabe bedarf. Denn zur Unwirksamkeit der Kündigung ist ein ablehnender Bescheid nicht erforderlich; vielmehr bedarf es umgekehrt zur Wirksamkeit der Kündigung eines zustimmenden Bescheides bzw. des Eintritts der gesetzlichen Zustimmungsfiktion. Tritt letztere nicht ein, so bleibt die Kündigungssperre des Schwerbehindertengesetzes bestehen, auch wenn der ablehnende Bescheid noch nicht wirksam geworden sein sollte. Entscheidend ist deshalb allein die Auslegung, welche Voraussetzungen das Schwerbehindertengesetz an den Eintritt der Zustimmungsfiktion stellt, d. h. was unter dem “Treffen” der Entscheidung i. S. des § 18 Abs. 3 SchwbG zu verstehen ist.
b) Der Senat hat bereits im Urteil vom 13. Mai 1981 (aaO) eingehend ausgeführt, daß es weder mit der Systematik des Gesetzes noch mit dessen Entstehungsgeschichte noch mit dem Sinn und Zweck der Regelung zu vereinbaren ist, wenn zur Verhinderung der Zustimmungsfiktion des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG im Schrifttum zum Teil eine schriftliche, fernschriftliche oder telegraphische Bekanntgabe (so Wilrodt/Neumann, Schwerbehindertengesetz, 5. Aufl., § 18 Rz 19; Rewolle/Dörner, Schwerbehindertengesetz – Stand Januar 1982 –, § 18 Anm. I; Weber, Schwerbehindertengesetz – Stand September 1982 –, § 18 Anm. 2, Absätze 2 und 3 – etwas unklar –) oder gar die Zustellung des ablehnenden Bescheides mit Rechtsmittelbelehrung (so noch Gröninger, Schwerbehindertengesetz – Stand Juli 1980 –, § 18 Anm. 4a; jetzt abweichend Stand Dezember 1981, aaO: ausreichend mündliche oder fernmündliche Bekanntgabe zur Verhinderung der Fiktionswirkung) gefordert wird (wie hier etwa KR-Etzel, § 18 SchwbG Rz 16; Rohlfing/Rewolle/Bader, KSchG – Stand September 1982 –, Anhang 1 § 622 BGB, Anm. 8a; Braasch, Schwerbehindertengesetz, § 18 Anm. 27, in: Handbuch des Arbeitsrechts, hrsg. von Maus).
c) Dem Gesetz ist gleichfalls nicht zu entnehmen, daß zur Verhinderung der Fiktionswirkung des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG eine wie auch immer geartete formlose Bekanntgabe der Entscheidung innerhalb der Frist des § 18 Abs. 3 Satz 1 SchwbG erforderlich sei. Insoweit weicht der Senat zwar von der Entscheidung des Zweiten Senats vom 2. Juli 1980 – 2 AZR 340/78 – (BAG 34, 20, aaO) ab. Indessen war die dort vertretene Rechtsauffassung für die seinerzeitige Entscheidung nicht tragend, so daß es einer Anrufung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 ArbGG nicht bedarf.
Nach Ansicht des erkennenden Senats spricht der Wortlaut des § 18 Abs. 3 SchwbG, die Hauptfürsorgestelle habe die Entscheidung innerhalb von 10 Tagen zu treffen, soll nicht die Zustimmungsfiktion des Satzes 2 Platz greifen, schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr dafür, daß hiermit lediglich der Abschluß des behördeninternen Entscheidungsvorganges gemeint ist. Bestätigt wird dies durch den systematischen Zusammenhang des § 18 Abs. 3 SchwbG mit den Absätzen 1 und 2 des § 15 SchwbG, auf die § 18 Abs. 1 SchwbG Bezug nimmt. § 15 Abs. 1 und 2 SchwbG unterscheiden klar zwischen dem behördeninternen Vorgang, d.h. dem Treffen der Entscheidung (Abs. 1), und der Zustellung dieser getroffenen Entscheidung (Abs. 2) als der Bekanntgabe des behördeninternen Vorgangs (BAG 35, 268, aaO; Arbeitsgericht Oldenburg vom 12. Juli 1979 – 1 Ca 527/79 – EzA Nr. 2 zu § 18 SchwbG; KR-Etzel, aaO; Rohlfing/Rewolle/Bader, aaO; Braasch, aaO). Da sich § 18 Abs. 1 SchwbG mit der Verweisung auch auf § 15 Abs. 1 und 2 SchwbG ebenfalls die Unterscheidung zwischen dem Treffen der Entscheidung und deren Zustellung zueigen macht, kann diese Vorschrift nicht so verstanden werden, daß über sie das Zustellungserfordernis des § 15 Abs. 2 Satz 1 SchwbG in § 18 Abs. 3 SchwbG aufgenommen worden sei (BAG 35, 268, 273, aaO; a.A. Gröninger, aaO, mit der mittlerweile aufgegebenen Auffassung Stand Juli 1980).
Neben den aufgezeigten systematischen Gesichtspunkten geht aus der Entstehungsgeschichte des § 18 SchwbG hervor, daß der Hauptfürsorgestelle die Zehn-Tage-Frist als Entscheidungszeitraum zur Verfügung stehen soll. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß auf Antrag des Bundesrates die für die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle im Regierungsentwurf (BT-Drucks. 7/656, Begründung zu Art. I Nr. 22b) vorgesehene Frist von einer Woche gerade deshalb auf zehn Tage verlängert worden ist, weil es regelmäßig nicht möglich sei, innerhalb einer Woche das Anhörungsverfahren durchzuführen und eine Entscheidung zu treffen (BT-Drucks. 7/656, Stellungnahme des Bundesrates zu Art. I Nr. 22b). Durch das Erfordernis schriftlicher Bekanntgabe oder Zustellung innerhalb der Zehn-Tage-Frist würde der aus verwaltungspraktischen Gründen verlängerte Entscheidungszeitraum nicht unerheblich verkürzt mit der Folge, daß die vom Gesetzgeber mit der Fristverlängerung beabsichtigte Ausdehnung des zeitlichen Entscheidungsspielraumes wieder in etwa auf das im Regierungsentwurf vorgesehene zeitliche Maß reduziert würde (BAG 35, 268, 273 f., aaO; ArbG Oldenburg, aaO; KR-Etzel, aaO; Rohlfing/Rewolle/Bader, aaO; Braasch, aaO). Demgegenüber erscheint die Annahme nicht überzeugend, die Fristverlängerung sei deswegen erfolgt, um der Hauptfürsorgestelle unter Berücksichtigung des Erfordernisses der Bekanntgabe des Veraltungsaktes eine volle Woche für ihre Willensbildung einzuräumen (so aber BAG 34, 20, 28, aaO).
Unterscheidet damit das Gesetz zwischen dem (behördeninternen) Treffen der Entscheidung und dem (externen) Vorgang der Zustellung, fordert es aber zur Verhinderung der Fiktionswirkung des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG lediglich die behördeninterne Entscheidung, so besteht keine Veranlassung und auch keine Rechtfertigung dafür, gewissermaßen eine informelle Vorabbekanntgabe des Verwaltungsaktes in Gestalt einer (fern-) mündlichen Information des Arbeitgebers durch die Hauptfürsorgestelle zur Verhinderung der Fiktion zu fordern (so aber BAG 34, 20, 26 f., aaO), auch wenn damit der Entscheidungszeitraum nicht oder kaum verkürzt wird (BAG 35, 268, 274, aaO). Dieses Verfahren mag zwar zum Teil von den Hauptfürsorgestellen so praktiziert werden (vgl. ArbG Oldenburg, aaO; Braasch, SAE 1981, 158, 161), ist aber im Gesetz nicht vorgesehen. Darüber hinaus spricht gegen ein derartiges zusätzliches richterrechtliches Erfordernis zur Abwendung der Fiktionswirkung des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG das Argument der Rechtssicherheit. Denn bei formlosen Mitteilungen einer Behörde besteht nicht nur die Gefahr von Falschübermittlungen, es kann auch vorkommen, daß der Arbeitgeber am letzten Tag der Frist telefonisch nicht erreichbar ist (Braasch, SAE 1982, 63, 65; KR-Etzel, aaO; Rohlfing/Rewolle/Bader, aaO).
Das mit der Zehn-Tage-Frist geschützte Interesse des Arbeitgebers an einer raschen Klärung, ob er zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses befugt ist (vgl. Regierungsentwurf, BT-Drucksache 7/656, aaO), wird demgegenüber nicht beeinträchtigt, wenn die Hauptfürsorgestelle ihm nicht innerhalb der Zehn-Tage-Frist in irgendeiner Weise ihre ablehnende Entscheidung mitteilen muß. Vielmehr kann sich der Arbeitgeber nach Ablauf der Zehn-Tage-Frist – ebenso wie nach Stellung seines Antrages (vgl. BAG 34, 20, 31, aaO) – danach erkundigen, ob die Hauptfürsorgestelle über seinen Antrag eine Entscheidung getroffen hat (vgl. KR-Etzel, aaO; Braasch, SAE 1982, 63, 66; Rohlfing/Rewolle/Bader, aaO).
d) Da der Bescheid der Hauptfürsorgestelle im vorliegenden Fall bereits am 10. Tage der Frist abgesandt worden ist, bedarf es hier an sich keines weiteren Eingehens auf die Frage, wann die Behörde ihre Entscheidung (definitiv) getroffen hat, ob also der behördeninterne Entscheidungsvorgang erst abgeschlossen ist, wenn die Behörde den Inhalt der Entscheidung nicht mehr beeinflussen kann. Aus Gründen der Rechtssicherheit vertritt der Senat hierzu die Auffassung, daß die Entscheidung erst dann getroffen ist, wenn sie entweder dem Arbeitgeber (wenn auch formlos) mitgeteilt wurde oder in sonstiger Weise – insbesondere durch Übergabe an die Post – den Machtbereich der Behörde verlassen hat. Der Hauptfürsorgestelle obliegt die Amtspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer, dafür Sorge zu tragen, daß der Zeitpunkt, in dem die ablehnende Entscheidung den Machtbereich der Behörde verlassen hat, beweisbar ist.
4. Da im Entscheidungsfall festgestellt ist, daß der ablehnende Bescheid am 10. Tage der Frist zur Post gegeben wurde, ist die Zustimmungsfiktion des § 18 Abs. 3 Satz 2 SchwbG nicht eingetreten mit der Folge, daß die außerordentliche Kündigung vom 23. November 1979 bereits aus diesem Grunde unwirksam ist.
III. Eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung (§ 140 BGB) ist hier nicht möglich. Denn es fehlt an einer Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu einer ordentlichen Kündigung (§ 12 SchwbG). Zudem steht § 23 Abs. 3 SchwbG einer derartigen Umdeutung entgegen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Bichler, Dr. Becker, Dr. Steckhan, Dr. Scholz, Straub
Fundstellen
Haufe-Index 1766840 |
BAGE, 22 |
JR 1985, 396 |