Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Arbeitnehmers. tarifliche Ausschlußfrist
Leitsatz (amtlich)
- Muß nach einer tariflichen Ausschlußklausel bereits der auf Freistellung gerichtete Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden, läuft ab dessen Übergang in einen Zahlungsanspruch keine neue Ausschlußfrist.
- Verlangt eine zweistufige tarifliche Ausschlußklausel eine fristgebundene Klageerhebung, wenn Ansprüche innerhalb einer Frist zur Geltendmachung erhoben, aber vom Anspruchsgegner bestritten werden, so beginnt die Frist für die Klageerhebung nach dem Sinn der Tarifnorm regelmäßig mit dem Bestreiten des Anspruchs.
- Die fristgebundene Klageerhebung kann auch dann geboten sein, wenn der Anspruch wirksam fristwahrend erhoben wird, obwohl er noch nicht hätte geltend gemacht werden müssen (hier: § 13 Ziff. 3 und 4 des Bezirksmanteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens vom 7. Mai 1984).
Normenkette
Bezirksmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens vom 7. Mai 1984 § 13; BGB §§ 276, 133, 157, 823, 826; TVG § 4 Ausschlußfristen; ZPO § 253 Abs. 1, 5, § 270 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. Januar 1992 – 2 Sa 680/91 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Ersatzpflicht des Beklagten wegen der Entgegennahme von ungedeckten Verrechnungsschecks und über die Anwendung einer tariflichen Verfallklausel.
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für Eil- und Kleintransporte. Der Beklagte war dort seit dem 1. August 1990 als Auslieferungsfahrer gegen eine monatliche Vergütung von 2.300,99 DM brutto beschäftigt. Gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag fanden der Bundesmanteltarifvertrag für den Güter- und Möbelfernverkehr sowie der Bezirksmanteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im privaten Güterverkehrsgewerbe Nordrhein-Westfalens auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. § 13 des Bezirksmanteltarifvertrags (BMTV) lautet wie folgt:
“Ausschlußfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis
- …
- Ansprüche aus Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit, auf Zahlung von Zulagen jeder Art und auf Rückzahlung von Barauslagen sind spätestens sechs Wochen nach Fälligkeit geltend zu machen, andernfalls sie verfallen. Werden Ansprüche innerhalb der genannten Frist erhoben, aber seitens der Betriebsleitung bestritten, so ist innerhalb einer weiteren Frist von sechs Wochen für den Arbeitnehmer Klage geboten. Wird diese innerhalb der genannten Frist nicht erhoben, so erlischt der Anspruch.
Alle übrigen Ansprüche aus dem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag sind binnen drei Monaten nach ihrer Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsvertrages spätestens einen Monat nach Vertragsende geltend zu machen. Werden Ansprüche innerhalb der genannten Frist erhoben, aber seitens der Betriebsleitung bestritten, so ist innerhalb einer weiteren Frist von sechs Wochen für den Arbeitnehmer Klage geboten. Wird diese innerhalb der letztgenannten Frist nicht erhoben, so erlöschen die Ansprüche.
Ausgenommen von vorstehenden Bestimmungen sind Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB).
- Für die Geltendmachung und den Verfall von Ansprüchen des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer aus diesem Tarifvertrag oder dem Einzelarbeitsvertrag gelten die vorgenannten Bestimmungen entsprechend.”
In der Zeit vom 17. August bis 24. August 1990 lieferte der Beklagte Nachnahmesendungen der Firma U… im Werte von insgesamt 52.136,99 DM an den E… aus. Diese Auslieferungen hatte die Klägerin als Subunternehmerin für die Firma t… übernommen. Auf den Nachnahmepaketen war vermerkt: “Bezahlung: Nachnahme b a r”, wobei das Wort “bar” durch Fettdruck hervorgehoben war. Gleichwohl nahm der Beklagte Verrechnungsschecks entgegen. Nach seiner Darstellung hatte ihm der Adressat C… erklärt, der Hinweis auf den Sendungen habe nichts zu bedeuten, die Waren dürften vereinbarungsgemäß auch mit Verrechnungsschecks bezahlt werden. Die von Herrn C… ausgestellten Schecks waren sämtlich nicht gedeckt.
Am 30. oder 31. August 1990 schied der Beklagte aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Mit Schreiben vom 8. September 1990, zugegangen am 11. September 1990, teilte die Klägerin dem Beklagten folgendes mit:
“Betrifft: Auslieferung an Wilfried C…,
Sehr geehrter Herr M… !
Im Monat August belieferten Sie o.g. Kunden mit Waren der Firma U…. Alle Lieferungen durften nur gegen Barzahlung abgeliefert werden. Obwohl dies klar und deutlich auf allen Lieferscheinen vermerkt war, lieferten Sie gegen Verrechnungsscheck die Waren aus. Hierdurch haben Sie fahrlässig gegen Anordnungen und Vorschriften verstoßen. Alle Schecks wurden von der Bank nicht eingelöst. Sie verursachten uns durch Ihr Handeln einen Schaden von DM 52.245,29, für welchen wir Sie haftbar machen.”
Der Beklagte lehnte mit Anwaltsschreiben vom 13. September 1990 jede Haftung ab. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin antwortete unter dem 24. September 1990, es sei grob fahrlässig, entgegen den Angaben auf dem Lieferschein nicht bar zu kassieren, sondern die Ware gegen Verrechnungsschecks auszuliefern. Weiter heißt es:
“Sollte Ihr Mandant daher nicht zur Zahlung bereit sein, werden wir selbstverständlich den Betrag von 52.257,18 DM gegen Ihren Mandanten einklagen.”
Mit Schreiben vom 25. Oktober 1990 machte die Firma t… Schadensersatzansprüche gegenüber der Klägerin in Höhe von 52.136,99 DM zuzüglich 312,52 DM Protestkosten geltend. Sie führte aus, sie habe den Nachnahmebetrag nebst Protestkosten an die Firma U… auszahlen müssen. Eine weitere Nachnahme über 108,30 DM sei ihr bereits erstattet worden.
Am 10. Dezember 1990 und am 14. Januar 1991 verrechnete die Firma t… den Gesamtbetrag in zwei gleichen Raten mit Forderungen der Klägerin. Versuche, die Waren bei Herrn C… zurückzuholen, waren erfolglos geblieben. Ebenso scheiterten Pfändungsversuche aufgrund eines Zahlungsurteils. C… hat die eidesstattliche Versicherung gemäß den §§ 899 ff. ZPO abgegeben.
Mit ihrer am 9. November 1990 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin zunächst Zahlung von 52.557,81 DM von dem Beklagten verlangt. Sie hat geltend gemacht, der Beklagte habe seine Vertragspflichten grob fahrlässig verletzt. Der Vermerk auf den Sendungen, es werde nur Barzahlung akzeptiert, sei deutlich lesbar gewesen. Der Beklagte sei sorgfältig eingearbeitet und ordnungsgemäß angeleitet worden. Es gebe Anhaltspunkte dafür, daß er mit Herrn C… arglistig zusammengearbeitet habe. Eine tägliche Kontrolle, ob die Auslieferungsfahrer bei der Aushändigung von Nachnahmesendungen die Anweisungen des Absenders beachtet hätten, sei nicht möglich gewesen. Die Forderung sei nach Maßgabe der tariflichen Ausschlußklausel rechtzeitig geltend gemacht worden.
Die Versicherung der Klägerin erstattete die bis zum 23. August 1990 eingetretenen Schäden, die täglich jeweils unter 10.000,00 DM lagen, voll. Sie erbrachte im August 1991 eine Leistung in Höhe von 41.128,71 DM. Von dem am 24. August 1990 eingetretenen Einzelschaden über mehr als 21.000,00 DM erstattete sie 11.321,80 DM nicht, da die Höchstversicherungssumme für Vermögensschäden 10.000,00 DM betrug. Die Klägerin hat von ihrer ursprünglichen Klagforderung außer der Versicherungsleistung einen unstreitigen restlichen Vergütungs- und Aufwendungsersatzanspruch des Beklagten in Höhe von 926,50 DM netto abgezogen und, soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung, beantragt,
den Beklagten als Gesamtschuldner neben Herrn Wilfried C… zur Zahlung von 10.502,60 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, der Schaden beruhe auf einem Organisationsverschulden der Klägerin, die ihn nicht ordnungsgemäß in seine Aufgaben eingewiesen und bei der Abrechnung nicht hinreichend kontrolliert habe. Er habe mit dem Adressaten C… nicht in Schädigungsabsicht zusammengewirkt. Es seien die Grundsätze der gefahrgeneigten Arbeit anzuwenden. Jedenfalls sei der Anspruch verfallen.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung der klagabweisenden Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Der Beklagte habe jedenfalls am 24. August 1990 gegen seine vertraglichen Pflichten verstoßen, als er die Pakete der Firma U… dem Empfänger gegen Verrechnungsscheck ausgehändigt habe. Dadurch sei der Klägerin ein Schaden entstanden, weil sie der Firma t… wegen Verletzung des übernommenen Auftrags habe Ersatz leisten müssen. Der Beklagte habe schuldhaft gehandelt, nämlich bewußt gegen die Anweisung auf der Nachnahmesendung verstoßen und den Schaden zumindest fahrlässig verursacht. Damit habe dem Grunde nach ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung bestanden. Dagegen fehlten für einen Anspruch aus unerlaubter Handlung hinreichende Anhaltspunkte. Die Klägerin habe insoweit nur vage Verdachtsmomente vorgetragen. Vieles spreche für ein Mitverschulden der Klägerin, die zu wenigstens stichprobenartigen Kontrollen verpflichtet gewesen sei.
Die Ansprüche der Klägerin seien aber durch den Ablauf der tariflichen Verfallfrist erloschen: Ein Freistellungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten sei mit der ernsthaften Zahlungsaufforderung seitens der Auftraggeberin entstanden. Das Schreiben der Klägerin vom 8. September 1990 an den Beklagten wäre nicht verständlich, wenn die Auftraggeberin nicht zuvor ernsthaft Schadensersatz von der Klägerin gefordert hätte. Der somit am 8. September 1990 bereits entstandene und fällige Freistellungsanspruch der Klägerin sei fristgerecht geltend gemacht und mit Schreiben vom 13. September 1990 durch den Beklagten zurückgewiesen worden. Vom Zugang dieses Schreibens an, der am 15. September 1990 oder kurz danach anzunehmen sei, sei die sechswöchige Frist zur Klagerhebung nach § 13 Ziff. 3 und 4 BMTV gelaufen und bei Klageeinreichung am 9. November 1990 bereits verstrichen gewesen.
II. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat im Ergebnis, wenn auch nicht in allen Teilen der Begründung an. Ob und ggf. in welcher Höhe ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten entstanden ist, kann dahingestellt bleiben. Der Anspruch ist jedenfalls nach § 13 Ziff. 3 Satz 2 und 3 i.V.m. Ziff. 4 BMTV erloschen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat unangefochten festgestellt, daß die Regelungen des BMTV kraft Arbeitsvertrages auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden. Damit sind auch die Ausschlußfristen für die Geltendmachung von Ansprüchen in § 13 BMTV anwendbar.
2. Nach § 13 Ziff. 3 Satz 4 BMTV sind “Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB)” von den Bestimmungen über die fristgebundene Geltendmachung und Klagerhebung ausgenommen. Der Klammerzusatz bestimmt dabei nicht abschließend, was unter einer unerlaubten Handlung zu verstehen ist, verweist vielmehr nur auf die wichtigste Bestimmung im Recht der unerlaubten Handlungen. Daher greifen die Ausschlußfristen insbesondere auch im Falle des § 826 BGB nicht ein. Das Landesarbeitsgericht hat aber rechtsfehlerfrei angenommen, für eine unerlaubte Handlung fehle es an hinreichenden Anhaltspunkten, die Klägerin habe insoweit nur vage Verdachtsmomente vorgetragen. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht mehr. In der Tat hat die Klägerin zu keiner Zeit eine unerlaubte Handlung, etwa eine Eigentumsverletzung, konkret behauptet.
3. Ein vertraglicher Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten ist erloschen. Die Klägerin hat die Sechswochenfrist für die Klage gemäß § 13 Ziff. 3 Satz 2 i.V.m. Ziff. 4 BMTV versäumt.
a) Die zweistufige Ausschlußfrist des § 13 Ziff. 3 und 4 BMTV betrifft alle Ansprüche aus dem Einzelarbeitsvertrag, soweit nicht § 13 Ziff. 2 BMTV eine besondere Regelung enthält. Erfaßt werden damit auch Schadensersatzansprüche aus positiver Vertragsverletzung (vgl. etwa Wiedemann/Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl., § 4 Rz 422 ff.; Löwisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, 1992, § 1 Rz 475; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, Tarifvertragsgesetz, 2. Aufl., § 4 Rz 228) einschließlich der Freistellungsansprüche wegen der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten (vgl. etwa BAG Urteil vom 1. Dezember 1967 – 3 AZR 459/66 – AP Nr. 17 zu § 670 BGB, zu II 1 der Gründe). Nach der weiten Fassung der Tarifnorm muß bereits der auf Freistellung gerichtete Schadensersatzanspruch geltend gemacht werden. Hat der Arbeitnehmer einen Dritten geschädigt, dem der Arbeitgeber haftet, so geht ein etwaiger Freistellungsanspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer in einen Zahlungsanspruch über, wenn der Arbeitgeber dem Dritten Ersatz leistet (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 54. Aufl., Vorbem. vor § 249 Rz 46; Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 257 Rz 6, jeweils m.w.N.). Der Anspruch ist und bleibt Schadensersatzanspruch, er ändert lediglich seinen Inhalt (BGH Urteil vom 27. November 1984 – VI ZR 38/83 – NJW 1985, 1152, 1154). Für den Erstattungsanspruch läuft daher keine neue Ausschlußfrist. War die Frist für die Geltendmachung des Freistellungsanspruchs bereits abgelaufen, so ist der Gläubiger auch mit dem Erstattungsanspruch ausgeschlossen (vgl. BAG aaO, zu II 2 der Gründe; Löwisch/Rieble, aaO, § 1 Rz 492; kritisch Wiedemann/Stumpf, aaO, § 4 Rz 431).
b) Sofern die Klägerin gegen den Beklagten einen Freistellungsanspruch aufgrund positiver Vertragsverletzung erworben hat, war dieser Anspruch gem. § 13 Ziff. 3 Satz 1 i.V.m. Ziff. 4 BMTV binnen drei Monaten nach seiner Entstehung, im Falle der Beendigung des Arbeitsvertrags spätestens einen Monat nach Vertragsende geltend zu machen.
aa) Der Lauf der dreimonatigen Ausschlußfrist beginnt mit der Entstehung des Anspruchs. Ab der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verkürzt sich die laufende Frist auf einen Monat; war die verbleibende Frist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses geringer, verbleibt es dabei. Ab dem Vertragsende läuft aber nicht eine Monatsfrist unabhängig von dem Entstehen des Anspruchs. Der Tarifwortlaut knüpft deutlich an die Entstehung der Ansprüche an. Das Wort “spätestens” bezieht sich auf die laufende Dreimonatsfrist, ein Verfall des Anspruchs unabhängig von seinem Entstehen kann nicht angenommen werden.
bb) Das Bundesarbeitsgericht hat in vergleichbaren Fällen angenommen, die Ausschlußfrist beginne keinesfalls vor dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Dritte bei dem Arbeitgeber Ansprüche auf Schadensersatz geltend mache oder in dem der Arbeitgeber in sonstiger Weise von einer drohenden Schadensersatzforderung erfahre. Erst in diesem Zeitpunkt könne dem Arbeitgeber ein Schaden entstanden sein. Die Entstehung des Schadens bei dem Dritten stehe der Entstehung des Schadens beim Arbeitgeber nicht gleich. Es sei ungewiß, ob es überhaupt zu einem Regreß gegenüber dem Arbeitgeber kommen werde. Würde man jetzt schon die Geltendmachung einer Freistellung für erforderlich halten, so könnte das nur zu unnötiger Beunruhigung, möglicherweise sogar zu nutzlosen und vermeidbaren Prozessen führen (BAG Urteil vom 16. März 1966 – 1 AZR 411/65 – AP Nr. 32 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 2c der Gründe; BAG Urteil vom 19. Januar 1979 – 3 AZR 330/77 – BAGE 31, 236, 238 f. = AP Nr. 21 zu § 670 BGB, zu 3a der Gründe). Falls die Ausschlußfrist nicht an die Entstehung, sondern an die Fälligkeit des Anspruchs anknüpfe, könne eine Geltendmachung des Freistellungsanspruchs sogar erst dann gefordert werden, wenn feststehe, daß der Schädiger von dem Geschädigten mit Erfolg in Anspruch genommen worden sei. Erst dann, wenn entweder ein bindendes Schuldanerkenntnis oder eine rechtskräftige Verurteilung des Schädigers vorliege, sei dieser zur fristgemäßen Geltendmachung verpflichtet (so BAG Urteil vom 18. Januar 1966 – 1 AZR 247/63 – AP Nr. 37 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu II 1 der Gründe; BAG Urteil vom 16. März 1966, aaO, zu 3 der Gründe; BAG Urteil vom 30. Mai 1972 – 1 AZR 427/71 – AP Nr. 50 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II 2c der Gründe; BAG Urteil vom 1. Dezember 1988 – 8 AZR 65/84 – AP Nr. 2 zu § 840 BGB, zu B I 3 der Gründe; kritisch Wiedemann/Stumpf, aaO, § 4 Rz 429; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, aaO, § 4 Rz 233 f.).
cc) Danach lief die erste Stufe der Ausschlußfrist für die Klägerin weder ab Kenntnis von der Vertragspflichtverletzung des Beklagten noch ab der Nichteinlösung der Schecks noch ab der Kenntnis hiervon. Die Klägerin durfte ihre Inanspruchnahme abwarten. Sie hätte den Freistellungsanspruch gegen den Beklagten bis zum Zeitpunkt der Klagerhebung noch nicht geltend machen müssen, da sie erst Ende Oktober 1990 ihrerseits in Anspruch genommen wurde. Daher ist unerheblich, ob ab diesem Zeitpunkt eine einmonatige oder eine dreimonatige Frist für die Geltendmachung lief. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, am 8. September 1990 sei der Freistellungsanspruch der Klägerin deswegen entstanden und fällig gewesen, weil das Schreiben der Klägerin vom 8. September 1990 sonst nicht verständlich wäre, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits in Anspruch genommen worden war. Seine Schlußfolgerung, die Klägerin habe nur in diesem Falle entsprechend an den Beklagten schreiben können, verletzt Denkgesetze und widerspricht den eindeutigen Feststellungen im Berufungsurteil, wie die Revision zu Recht rügt. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts würde letztlich dazu führen, daß die Entstehung des Freistellungsanspruchs von seiner Geltendmachung abhinge.
dd) Dagegen ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Schreiben vom 8. September 1990 stelle eine Geltendmachung des Anspruchs aus positiver Vertragsverletzung dar, nicht zu beanstanden. Die Auslegung der Geltendmachung als rechtsgeschäftsähnlicher Handlung richtet sich nach den §§ 133, 157 BGB. Für den Beklagten stellte sich das Schreiben vom 8. September 1990 nicht lediglich als Ankündigung einer Geltendmachung dar. Vielmehr teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie mache ihn für einen ganz bestimmten (bezifferten) Schaden haftbar. Eine ausdrückliche Zahlungsaufforderung mit Fristsetzung ist entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich. Entscheidend ist, daß die Klägerin den Schaden konkret und unmißverständlich geltend gemacht hat.
c) Obwohl die Klägerin bei Geltendmachung des Anspruchs selbst noch nicht in Anspruch genommen worden war, greift die zweite Stufe der Ausschlußfrist ein.
aa) Die Klägerin hat mit ihrem Schreiben vom 8. September 1990 den Anspruch “innerhalb der genannten Frist erhoben” (§ 13 Ziff. 3 Satz 2 i.V.m. Ziff. 4 BMTV). Hierfür ist nicht Voraussetzung, daß der Anspruch im Sinne von § 13 Ziff. 3 Satz 1 BMTV bereits geltend gemacht werden mußte. Es genügt, daß er geltend gemacht werden konnte. Ist das schadensstiftende Ereignis eingetreten und der Schaden konkret angelegt, so ist die fristwahrende Geltendmachung jedenfalls möglich (vgl. BAG Urteil vom 22. Februar 1978 – 5 AZR 805/76 – BAGE 30, 135, 137 f. = AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 1 b, c der Gründe). Die Geltendmachung kann ihre Warnfunktion erfüllen (vgl. Weyand, Die tariflichen Ausschlußfristen in Arbeitsrechtsstreitigkeiten, 1992, S. 87; Löwisch/Rieble, aaO, § 1 Rz 511). Das war hier der Fall. Der Schaden bestand in der Belastung mit einer Forderung der Auftraggeberin, auch wenn die Inanspruchnahme der Klägerin noch nicht sicher war. Es liegt keine vorzeitige Geltendmachung gleichsam “auf Vorrat” vor. Wird der Anspruch aber fristwahrend geltend gemacht, so ist die Geltendmachung auch geeignet, die zweite Stufe der Ausschlußfrist in Lauf zu setzen. § 13 Ziff. 3 Satz 2 BMTV verlangt nicht die Erhebung “entstandener” Ansprüche, sondern lediglich eine wirksame Erhebung. Aus der Sicht des Anspruchsgegners konnte der Anspruch auch durchaus entstanden und fällig sein. Der Beklagte mußte sich daher auf die Geltendmachung einrichten. Wenn § 13 Ziff. 3 Satz 2 BMTV auf die Frist des Satzes 1 verweist, so bedeutet das nicht, daß zur Zeit der Anspruchserhebung notwendig bereits eine Frist für die Geltendmachung laufen mußte. Vielmehr kommt die zweite Stufe der Ausschlußfrist überhaupt nur bei fristgerechter, also fristwahrender Erhebung des Anspruchs zum Tragen.
bb) Da der Beklagte den erhobenen Anspruch nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts mit Schreiben vom 13. September 1990 bestritten hat, war für die Klägerin innerhalb einer weiteren Frist von sechs Wochen Klage geboten (§ 13 Ziff. 3 Satz 2 i.V.m. Ziff. 4 BMTV). Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die weitere Frist beginne nicht mit dem Ablauf der Dreimonatsfrist bzw. Monatsfrist nach § 13 Ziff. 3 Satz 1 BMTV, sondern mit dem Bestreiten des erhobenen Anspruchs, ist zuzustimmen. Dafür spricht schon der Tarifwortlaut, da das Gebot der fristgebundenen Klage an das Bestreiten des Anspruchs anknüpft. Zudem macht ein Abwarten der vollen Frist für die Geltendmachung nach fristgerechter Erhebung und Bestreiten des Anspruchs keinen Sinn mehr. Vielmehr geht es jetzt um die Frage, ob der Anspruchsteller es dabei bewenden läßt oder den vermeintlichen Anspruch gerichtlich durchsetzt. Dafür bestimmt der Tarifvertrag eine Frist. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auf die Funktion der zweistufigen Ausschlußklausel hingewiesen, einerseits alsbald Klarheit über streitige Forderungen zu schaffen, andererseits unnötige Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden. Eine Klage ist nur bei Bestreiten des Anspruchs geboten. Erfolgt das Bestreiten erst nach Ablauf der Frist zur Geltendmachung, so wäre ein Anknüpfen an diese Frist vollends sinnlos.
cc) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Sechswochenfrist am 9. November 1990 bereits abgelaufen war. Schon das Arbeitsgericht hat den Fristablauf erkennbar darauf gestützt, das Schreiben vom 13. September 1990 sei der Klägerin Mitte September 1990 zugegangen. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es sei davon auszugehen, daß die Klägerin das Schreiben am 15. September 1990 oder kurz danach erhalten habe. Die Klägerin hat zu dieser Frage nichts vorgetragen und die Feststellung des Landesarbeitsgerichts weder mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag noch mit einer Revisionsrüge angegriffen.
Die Klägerin hätte auch rechtzeitig Klage erheben können. Das ergibt sich nicht nur aus der fristgerechten Geltendmachung und der tatsächlichen (wenn auch wenige Tage verspäteten) Klagerhebung. Die Klagbarkeit des Freistellungsanspruchs nach allgemeinen Regeln war unzweifelhaft gegeben. Das Vermögen der Klägerin war durch den gegen sie gerichteten Schadensersatzanspruch der Firma t… belastet. Für die Klagbarkeit des Freistellungsanspruchs mußte die eigene Inanspruchnahme nicht abgewartet werden.
dd) Da die Klägerin nicht innerhalb der Sechswochenfrist Klage erhoben hat, ist ihr etwaiger Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nach § 13 Ziff. 3 Satz 3 i.V.m. Ziff. 4 BMTV erloschen. Die Fristwahrung bestimmt sich nach den §§ 253 Abs. 1 und 5, 270 Abs. 3 ZPO (Wiedemann/Stumpf, aaO, § 4 Rz 441, 443; Löwisch/Rieble, aaO, § 1 Rz 510; Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 1360). Die Einreichung der Klagschrift beim Arbeitsgericht ist aber erst am 9. November 1990 und damit nach Ablauf der Sechswochenfrist erfolgt.
III. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Harnack, Mache
Fundstellen
Haufe-Index 441686 |
BB 1995, 1910 |
NZA 1995, 1213 |