Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung; Kirchendienst
Leitsatz (amtlich)
1. Hat sich ein Arbeitgeber selbst gebunden, bei bestimmten Verhaltensverstößen vor Ausspruch einer Kündigung zunächst mit dem Arbeitnehmer ein klärendes Gespräch zu führen, so verstößt eine Kündigung, die der Arbeitgeber ausspricht, ohne ein solches Gespräch zu führen, regelmäßig gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist deshalb sozialwidrig (vgl. Senatsurteil vom 24. April 1996 – 2 AZR 74/95 – AP Nr. 18 zu § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung).
2. Art. 5 Abs. 1 der Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 22. September 1993, wonach bei Verstößen gegen Loyalitätsobliegenheiten vor Ausspruch einer Kündigung mit der kirchlichen Mitarbeiterin bzw. mit dem kirchlichen Mitarbeiter ein Beratungsgepräch bzw. ein „klärendes Gespräch” zu führen ist, enthält eine solche bindende Verfahrensnorm.
3. Zu den Voraussetzungen einer Parteivernehmung von Amts wegen (§ 448 ZPO).
Normenkette
Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO) Art. 4-5; KSchG §§ 1, 23; MAVO §§ 19, 30; ZPO §§ 286, 448
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten und des Streithelfers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. August 1998 – 7 Sa 425/98 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der 1957 geborene Kläger ist seit 1983 als Organist und Chorleiter (A-Kirchenmusiker) bei der beklagten Kirchengemeinde tätig. Seit Beginn des Jahres 1985 wurde ihm darüber hinaus die Tätigkeit eines Dekanatskirchenmusikers des Dekanats E übertragen. Auf das Arbeitsverhältnis findet unstreitig das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Zuletzt erzielte der Kläger einen durchschnittlichen Monatsverdienst von 5.688,18 DM brutto in VergGr. IV a der arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO). § 9 Satz 2 des unter dem 2. Mai 1985 durch das Bischöfliche Generalvikariat genehmigten letzten Anstellungsvertrags sieht vor, daß Vertragsänderungen sowie Nebenabreden der Schriftform und der kirchenaufsichtlichen Genehmigung bedürfen. Der Kläger ist das einzige Mitglied der bei der Beklagten gebildeten Mitarbeitervertretung.
Im Jahre 1994 trennten sich der Kläger und seine Ehefrau einvernehmlich und teilten dies im Januar 1995 dem Dechanten der Beklagten S mit. Nach Ausspruch der im vorliegenden Verfahren streitigen Kündigung beantragte die Ehefrau des Klägers die Scheidung, die Ehe wurde nach Schluß der Berufungsverhandlung geschieden. Seit 1995 wohnt der Kläger in demselben Haus wie seine Prozeßbevollmächtigte im vorliegenden Rechtsstreit, die seit Ende 1997 Mutter einer Tochter ist. Zwischen den Parteien ist umstritten, ob es die Räumlichkeiten erlauben, getrennt zu wohnen.
Anfang Juli 1997 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Dechanten S statt, dessen Hergang im einzelnen streitig ist. Unter dem 7. Juli 1997 unterrichtete die Beklagte die Mitarbeitervertretung z.H. Frau B A darüber, sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis des Klägers zu kündigen, weil er neben seiner Ehe offenbar eine zweite Verbindung eingegangen sei. Nachdem die Mitarbeitervertretung keine Einwendungen gegen die Kündigung erhoben hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15. Juli 1997 – dem Kläger ausgehändigt am 18. Juli 1997 – fristgemäß zum 31. März 1998. Der Rechtsstreit über eine weitere – nunmehr außerordentliche – Kündigung vom 22. Dezember 1997 mit Auslauffrist zum 30. Juni 1998 schwebt derzeit beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf (– 10 Sa 234/99 –).
Die von der Deutschen Bischofskonferenz am 22. September 1993 verabschiedete und durch den Diözesanbischof des Bistums Essen mit Wirkung vom 1. Januar 1994 in Kraft gesetzte Grundordnung der Katholischen Kirche für den kirchlichen Dienst im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GrO) lautet auszugsweise wie folgt:
Artikel 2 Geltungsbereich
(1) Diese Grundordnung gilt für Arbeitsverhältnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei den Dienststellen, Einrichtungen und sonstigen selbständig geführten Stellen – nachfolgend als Einrichtung(en) bezeichnet –
…
- der Kirchengemeinden und Kirchenstiftungen,
…
Artikel 4 Loyalitätsobliegenheiten
(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, daß sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und erzieherischen Dienst sowie bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind, ist das persönliche Lebenszeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
…
(4) Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben kirchenfeindliches Verhalten zu unterlassen. Sie dürfen in ihrer persönlichen Lebensführung und in ihrem dienstlichen Verhalten die Glaubwürdigkeit der Kirche und der Einrichtung, in der sie beschäftigt sind, nicht gefährden.
Artikel 5 Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten
(1) Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr, so muß der Dienstgeber durch Beratung versuchen, daß die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Im konkreten Fall ist zu prüfen, ob schon ein solches klärendes Gespräch oder eine Abmahnung, ein formeller Verweis oder eine andere Maßnahme (z.B. Versetzung, Änderungskündigung) geeignet sind, dem Obliegenheitsverstoß zu begegnen. Als letzte Maßnahme kommt eine Kündigung in Betracht.
(2) Für eine Kündigung aus kirchenspezifischen Gründen sieht die Kirche insbesondere folgende Loyalitätsverstöße als schwerwiegend an:
- Verletzungen der gem. Artikel 3 und 4 von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu erfüllenden Obliegenheiten, insbesondere Kirchenaustritt, öffentliches Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche (z.B. hinsichtlich der Abtreibung) und schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlungen,
- Abschluß einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe,
- …
(3) Ein nach Abs. 2 generell als Kündigungsgrund in Betracht kommendes Verhalten schließt die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung aus, wenn es begangen wird von pastoral, katechetisch oder leitend tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tätig sind. Von einer Kündigung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles diese als unangemessen erscheinen lassen.
(4) Wird eine Weiterbeschäftigung nicht bereits nach Abs. 3 ausgeschlossen, so hängt im übrigen die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung von den Einzelfallumständen ab, insbesondere vom Ausmaß einer Gefährdung der Glaubwürdigkeit von Kirche und kirchlicher Einrichtung, von der Belastung der kirchlichen Dienstgemeinschaft, der Art der Einrichtung, dem Charakter der übertragenen Aufgabe, deren Nähe zum kirchlichen Verkündigungsauftrag, von der Stellung der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters in der Einrichtung sowie von der Art und dem Gewicht der Obliegenheitsverletzung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Lehre der Kirche bekämpft oder sie anerkennt, aber im konkreten Fall versagt.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Wirksamkeit der Kündigung vom 15. Juli 1997 scheitere schon daran, daß die notwendige kirchenaufsichtliche Genehmigung des Kirchenvorstandsbeschlusses zur Kündigung fehle. Eine sexuelle Beziehung zu Frau Rechtsanwältin M habe er nicht aufgenommen und er sei nicht Vater ihres Kindes. Er wohne zwar in demselben Haus wie sie, teile aber keine gemeinsame Wohnung mit ihr. Er sei zu keinem Zeitpunkt – insbesondere nicht am 2. Juli 1997 vom Dechanten der Beklagten S – gefragt worden, ob er Geschlechtsverkehr mit einer anderen Frau als seiner Ehefrau ausgeführt habe oder ob er der leibliche Vater des Kindes von Frau M sei. Eine Wiederheirat komme für ihn nicht in Betracht. Da er nicht zu den Mitarbeitern gehöre, an die gesteigerte Loyalitätspflichten zu stellen seien, habe die Beklagte die Maßnahmen nach Art. 5 Abs. 1 GrO anzuwenden gehabt, dies sei jedoch unterblieben. Auflösungsgründe schließlich seien nicht gegeben.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 15. Juli 1997 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung und hilfsweise beantragt,
das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.
Der Kläger hat Zurückweisung des Auflösungsantrags beantragt.
Die Beklagte hat vorgetragen, am 2. Juli 1997 habe auf Wunsch des Klägers ein Gespräch zwischen ihm und dem Dechanten S stattgefunden, das ausschließlich die Beziehung des Klägers zu Frau M behandelt habe. Es sei auch über die Vaterschaft des Klägers geredet worden. Er habe zwar nicht ausdrücklich erklärt, mit Frau M geschlechtlich verkehrt zu haben. Im Hinblick auf die arbeitsrechtliche Situation habe er indessen ausgeführt, er sei „aus dem Schneider, wenn er die Vaterschaft einfach nicht anerkenne”. Der Kläger habe wiederholt den Begriff „Fakt” als Tatsache für die Lebensgemeinschaft mit Frau M und seine Vaterschaft für deren Kind verwandt. Er habe erklärt, er werde die Beziehung zu Frau M nicht beenden, sondern betrachte sie als nunmehr endgültige Lebensbeziehung. Er sei trotz der Möglichkeit, daß der Bestand seines Arbeitsverhältnisses gefährdet sei, was er selbst bemerkt habe, nicht bereit gewesen, von dieser Partnerschaft Abstand zu nehmen. Nach außen hin habe der Kläger ebenfalls deutlich dokumentiert, daß er der Meinung sei, er könne und dürfe neben seiner bestehenden Ehe weiterhin eine außereheliche Beziehung aufrechterhalten. So habe er gegenüber dem Geistlichen Sch bekundet: „Die R müssen lernen, daß es auch möglich ist, mit zwei Frauen zu leben.” Die Beziehung zu seiner Prozeßbevollmächtigten bestehe nach wie vor. Dem Kläger seien auch als liturgischem Mitarbeiter die gesteigerten Loyalitätsanforderungen des Art. 4 Abs. 1 Satz 2 GrO auferlegt. Jedenfalls träfen den Kläger als leitenden Mitarbeiter gesteigerte Loyalitätspflichten. Selbst wenn für ihn lediglich die normalen Loyalitätsobliegenheiten bestanden hätten, rechtfertige der konkrete Verstoß die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Eine Abmahnung sei entbehrlich gewesen, weil nach den Äußerungen des Klägers nicht davon auszugehen gewesen sei, der Kläger werde sein Fehlverhalten einstellen. Zudem handele es sich um eine GrObe Pflichtverletzung, die dem Kläger ohne weiteres erkennbar gewesen sei und mit deren Billigung er nicht habe rechnen können.
Zumindest sei das Arbeitsverhältnis aufzulösen, seine Fortsetzung unzumutbar. Zu berücksichtigen sei insbesondere, daß der Kläger das mit dem Dechanten S geführte Gespräch vom 2. Juli 1997 pauschal negiere und gegenüber dem Gericht und der Beklagten noch immer behaupte, das von Frau Rechtsanwältin M mittlerweile geborene Kind sei nicht sein leibliches, während er gegenüber seiner Ehefrau und seinen Kindern das Gegenteil einräume.
Die Beklagte hat dem Bistum Essen mit Schriftsatz vom 16. März 1998 den Streit verkündet, woraufhin das Bistum dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 3. Juni 1998 beigetreten ist. Der Nebenintervenient hat sich den Anträgen der Beklagten angeschlossen und sich ihr Sachvorbringen mit eigenen Rechtsausführungen zu eigen gemacht. Insbesondere sei der Kläger als liturgischer Mitarbeiter nicht in einem Betrieb i.S.v. § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG tätig geworden.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Feststellungsantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat nach Parteivernehmung des Klägers sowohl die Berufung hiergegen als auch den im Berufungsrechtszug erstmals erhobenen Auflösungsantrag zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagte und der Nebenintervenient die Abweisung der Klage, hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, es bestünden zwar keine formellen Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kündigung, die Kündigung sei aber sozial ungerechtfertigt. Der Kläger gehöre nicht zu den Mitarbeitern, denen gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 und 3, Art. 5 Abs. 2 und 3 Satz 1 GrO gesteigerte Loyalitätspflichten oblägen. Die Aufnahme einer neuen geschlechtlichen Beziehung – die Behauptung der Beklagten als richtig unterstellt – stelle jedoch eine schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 Alternative 1 GrO dar. Auch die nach Art. 5 Abs. 4 GrO notwendige Einzelfallprüfung müsse grundsätzlich zur Wirksamkeit der Kündigung führen. Die Parteivernehmung des Klägers habe indessen nicht den Beweis erbracht, es sei – wie Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GrO es erfordere – in einem Gespräch mit dem Kläger versucht worden, darauf hinzuwirken, daß er die Beziehung zu Frau Muhr abbreche. Das unterbliebene Gespräch führe zur Unwirksamkeit der Kündigung. Es stehe nicht fest, daß ein Versuch der Beklagten, den Kläger von seiner außerehelichen Beziehung abzubringen, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Kirchenvorstandsvorsitzenden, des Dechanten S, von Amts wegen gem. § 448 ZPO seien nicht erfüllt gewesen. Der hilfsweise gestellte Auflösungsantrag sei gegenüber dem Kläger als Mitglied der Mitarbeitervertretung nicht zulässig.
II. Dem folgt der Senat nicht. Ob die Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat, läßt sich noch nicht abschließend beurteilen.
1. Die Revision der Beklagten und des Bistums ist zulässig. Soweit der – unselbständige – Streithelfer (§ 67 ZPO) die Revisionseinlegungsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 ArbGG überschritten hat, ist dies unschädlich, weil die Revisionsschriften der Beklagten vom 11. September 1998 und des Nebenintervenienten vom 14. September 1998 ein einheitliches Rechtsmittel bilden, über das nur einheitlich entschieden werden kann. Stimmen die Anträge der Partei und des Streithelfers – wie hier – überein, ist letzterer nicht Partei des Prozesses, sondern unterstützt lediglich die Hauptpartei (Senatsurteil vom 18. Oktober 1990 – 2 AZR 172/90 – AP Nr. 88 zu § 613 a BGB, zu A 2 der Gründe, m.w.N.).
2. Soweit das Landesarbeitsgericht die Sozialwidrigkeit (§ 1 Abs. 2 KSchG) der Kündigung daraus herleitet, die Beklagte habe entgegen Art. 5 Abs. 1 GrO vor Ausspruch der Kündigung mit dem Kläger kein klärendes Gespräch im Sinne dieser Vorschrift durchgeführt, läßt sich das angefochtene Urteil mit dieser Begründung nicht halten. Zwar ist ein Verstoß des kirchlichen Arbeitgebers gegen Art. 5 Abs. 1 GrO grundsätzlich geeignet, die Sozialwidrigkeit der Kündigung zu begründen. Die Revision rügt jedoch zu Recht, das Berufungsgericht habe gegen §§ 286, 448 ZPO verstoßen, indem es angenommen habe, ein solches Gespräch mit dem Kläger habe vor Ausspruch der Kündigung nicht stattgefunden.
a) Legt ein Arbeitgeber in einer Dienstanweisung im einzelnen fest, wie er auf bestimmte Pflichtverstöße des Arbeitnehmers zu reagieren beabsichtigt, so bindet er sich damit selbst und muß sich im konkreten Fall an das in der Dienstanweisung festgelegte Verfahren halten; eine Kündigung, bei der der Arbeitgeber die von ihm selbst aufgestellten Verfahrensregeln nicht beachtet, verstößt regelmäßig gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist deshalb nach § 1 Abs. 2 KSchG als sozialwidrig anzusehen (Senatsurteil vom 25. April 1996 – 2 AZR 74/95 – AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung).
b) Die im Bistum Essen ordungsgemäß in Kraft gesetzte Grundordnung, insbesondere deren Art. 5, stellt solche Verfahrensgrundsätze auf und regelt im einzelnen, wie im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse auf Verstöße gegen Loyalitätsobliegenheiten zu reagieren ist. Der Nebenintervenient weist selbst daraufhin, die Grundordnung sei erlassen worden insbesondere im Hinblick auf die differenzierende Gleichbehandlung entgegen einer sich verbreitenden „im wesentlichen schematischen Kündigungspraxis”. Gerade wenn man mit dem für den Erlaß kirchlichen Rechts im Bistum zuständigen Bischof davon ausgeht, die Grundordnung enthalte kein zusätzliches säkulares Recht (S. 6 der Revisionsbegründung), ein Verstoß hiergegen stelle also keinen sonstigen Unwirksamkeitsgrund für die Kündigung dar, stehen die Verfahrensgrundsätze der Grundordnung auf einer Ebene mit den Dienstanweisungen, mit denen etwa ein privater Arbeitgeber festlegt, wie er auf bestimmte Pflichtverstöße des Arbeitnehmers zu reagieren beabsichtigt.
c) Nach Art. 5 Abs. 1 GrO m u ß der kirchliche Dienstgeber, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter die Beschäftigungsanforderungen nicht mehr erfüllt, durch „Beratung”, d.h. „ein klärendes Gespräch” versuchen, daß die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter diesen Mangel auf Dauer beseitigt. Diese Verfahrensvorschrift gilt nicht nur für eine Kündigung nach Art. 5 Abs. 2 GrO, sondern auch für eine solche nach Art. 5 Abs. 3 GrO (aA Thüsing/Börschel, Anmerkung zu LAGE § 611 BGB Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 9).
aa) Nach Wortlaut und Systematik des Art. 5 GrO stellt der einleitende Abs. 1 eine Mußvorschrift dar, die nicht lediglich auf einen Teil der wegen Verstößen gegen Loyalitätsobliegenheiten auszusprechenden Kündigungen beschränkt ist. Dies gilt auch dann, wenn man mit dem Nebenintervenienten bei der Auslegung von canon 17 cic ausgeht; danach sind kirchliche Gesetze zu verstehen gemäß der eigenen Bedeutung ihrer Worte, die im Text und Kontext zu betrachten ist; wenn sie zweifelhaft und dunkel bleibt, ist zurückzugreifen auf Parallelstellen, wenn es solche gibt, auf Zweck und Umstände des Gesetzes und auf die Absicht des Gesetzgebers. Art. 5 Abs. 1 GrO ist eindeutig als zwingende Norm formuliert („muß”, „ist zu prüfen”), schließt also bei der Einhaltung der Verfahrensvorschrift ein Ermessen des kirchlichen Dienstgebers aus. Auch die systematische Stellung des Art. 5 Abs. 1 GrO als einleitende Verfahrensnorm spricht dafür, daß die dort aufgeführten Verfahrensvorschriften grundsätzlich bei allen Kündigungen, nicht nur bei den Kündigungen nach Abs. 2 zu beachten sind.
bb) Besonders deutlich wird dies, wenn man die Absicht des kirchlichen Gesetzgebers berücksichtigt, wie sie von der Beklagten in der Revisionsbegründung dargestellt wird. Danach sollte die in Art. 5 Abs. 2 und Abs. 3 GrO erkennbare Differenzierung keine feste und unerschütterliche Grenze zwischen Mitarbeitern ziehen, die „einfach loyal” und solchen, die „gesteigert loyal” sein müssen; mit dieser Differenzierung sollte gerade keine Abgrenzung im Sinne von schwarz/weiß erfolgen; vielmehr gebe es – ähnlich wie auf der Farbskala zwischen schwarz und weiß eine Vielzahl von Graustufen existent ist – eine Vielzahl von Aufgaben, die trotz fehlender ausdrücklicher Erwähnung die sie ausführenden Mitarbeiter gesteigerten Loyalitätspflichten unterwerfen könnten. Trifft dies aber zu, so besteht zwischen einer Kündigung nach Art. 5 Abs. 2 (Kündigung als letzte Maßnahme bei schwerwiegenden Verstößen) und Art. 5 Abs. 3 (grundsätzlicher Ausschluß der Weiterbeschäftigung mit der Möglichkeit, ausnahmsweise von einer Kündigung abzusehen) lediglich ein gradueller Unterschied und es macht Sinn, in jedem Fall zunächst einmal ein Beratungsgespräch bzw. „klärendes Gespräch” zu führen, um eine ausreichende Basis für die zu ergreifenden Maßnahmen zu erhalten. Im Fall des Art. 5 Abs. 3 GrO besteht im Regelfall schon deshalb ein Aufklärungsbedarf, weil zu prüfen ist, ob „schwerwiegende Gründe des Einzelfalles” die Kündigung ausnahmsweise als unangemessen erscheinen lassen. Für die Einzelfallprüfung kann es von entscheidender Bedeutung sein, ob der Mitarbeiter auf seinem loyalitätswidrigen Verhalten beharrt oder bereit ist, sein Fehlverhalten auf Dauer einzustellen.
d) Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß hier kein Sachverhalt vorlag, in dem ein klärendes Gespräch nach Art. 5 Abs. 1 GrO von vornherein deshalb unterbleiben konnte, weil es aus der Sicht der Beklagten als zwecklos erscheinen mußte.
Der Beklagten und dem Nebenintervenienten ist einzuräumen, daß in Fällen schwerwiegenster Pflichtverletzungen (man denke nur an einen gestandenen Mord) eine „Beratung” bzw. ein „klärendes Gespräch” ohne Folge für die Wirksamkeit der Kündigung unterbleiben kann, wenn der Versuch des Dienstgebers, durch Beratung des Mitarbeiters den Mangel auf Dauer zu beseitigen, von vornherein zwecklos erscheinen muß und hinsichtlich des Sachverhalts kein Aufklärungsbedarf mehr besteht. Es ist jedoch nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht angenommen hat, daß ein derartiger Fall nicht vorliegt.
Schon ob der Kläger zu den leitenden Mitarbeitern gehörte, für die nach Art. 5 Abs. 3 GrO verschärfte Loyalitätsobliegenheiten galten, ergab sich aus der Grundordnung selbst nicht mit hinreichender Deutlichkeit. Es war durch den kirchlichen Gesetzgeber lediglich verlautbart (Kirchliches Amtsblatt 1993, 118, 119), Ausführungsbestimmungen zur Grundordnung würden erarbeitet und im Amtsblatt veröffentlicht. Solche Richtlinien, die „leitende Aufgaben” näher definierten, sind jedoch, soweit ersichtlich, erst nach Ausspruch der Kündigung ergangen (Richtlinien vom 8. Mai 1998, Kirchliches Amtsblatt 1998, 39 f.).
Das gleiche gilt für die Frage, ob Mitarbeiter im liturgischen Dienst verschärften Loyalitätsobliegenheiten nach Art. 5 Abs. 3 GrO unterlagen. Die Grundordnung selbst nennt die liturgischen Mitarbeiter nicht. Erst die Richtlinien vom 8. Mai 1998 (aaO) treffen hier nach Ausspruch der Kündigung eine Aussage.
Damit bestand jedenfalls ein Aufklärungsbedarf, ob nicht der Kläger gutgläubig davon ausging, überhaupt nicht den gesteigerten Loyalitätspflichten des Art. 5 Abs. 3 GrO zu unterliegen, so daß nicht ausgeschlossen werden konnte, er würde nach entsprechender Beratung den Mangel auf Dauer beseitigen. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Kläger, wie er geltend macht, nach Art. 5 Abs. 2 GrO, der ausdrücklich auf die Wiederheirat abstellt, und den sonstigen Verlautbarungen der Kirche gutgläubig davon ausging, nicht bereits das Zusammenleben Unverheirateter, sondern erst der Abschluß einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe stelle eine derart schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung dar, daß sie seine Weiterbeschäftigung im kirchlichen Dienst ausschließe.
e) Hat sich die Beklagte nach alledem in Art. 5 Abs. 1 GrO daran gebunden, vor Ausspruch einer Kündigung mit dem betroffenen Mitarbeiter erst ein Beratungsgespräch bzw. klärendes Gespräch zu führen, so verstößt eine Kündigung, die sich an diese Verfahrensvorschrift nicht hält und ausgesprochen wird, bevor ein solches Gespräch durchgeführt worden ist, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und ist deshalb sozialwidrig. Gerade im Hinblick auf die eingeschränkte Überprüfung der Kündigungen gegenüber kirchlichen Mitarbeitern durch die staatlichen Gerichte dienen kirchliche Verfahrensnormen, die – ähnlich wie die Anhörungspflicht vor Ausspruch einer Verdachtskündigung – der Sachverhaltsaufklärung vor Ausspruch einer Kündigung dienen, dem Schutz des Arbeitnehmers. Ihre Verletzung läßt die Kündigung in der Regel unverhältnismäßig erscheinen.
f) Soweit das Berufungsgericht allerdings nach durchgeführter Beweisaufnahme festgestellt hat, ein Gespräch, das die Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 GrO erfülle, habe nicht stattgefunden, ist dem nicht zu folgen. Zwar hat sich gem. § 286 ZPO der Tatrichter seine Überzeugung darüber, ob eine streitige Behauptung wahr ist oder nicht, unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer durchgeführten Beweisaufnahme zu bilden. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob die Würdigung des Berufungsgerichts möglich ist, nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt, wesentliche Punkte außer acht läßt oder die Revision zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben hat (BAG Urteile vom 3. April 1986 – 2 AZR 324/85 – AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; vom 26. August 1993 – 2 AZR 154/93 – AP Nr. 112 zu § 626 BGB). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil jedoch nicht stand.
aa) Es ist schon widersprüchlich und verstößt damit gegen Denkgesetze, wenn das Berufungsgericht bei der Würdigung der Parteivernehmung des Klägers einerseits ausführt, was die Einzelheiten des entscheidungserheblichen Gesprächs anbelange, spreche nichts entscheidendes für die Richtigkeit der Behauptungen der beklagten Kirchengemeinde, vielmehr stehe im wesentlichen Behauptung gegen Behauptung, es aber andererseits als schwer vorstellbar bezeichnet, bei dem langen Gespräch sei, wie der Kläger ausgesagt habe, die Rede nicht auch auf die angebliche neue Beziehung des Klägers zu Frau M gekommen. Wenn der Beweisgegner bei seiner Vernehmung als Partei eine Sachverhaltsdarstellung gibt, von der es nach der Beurteilung des Gerichts nur schwer vorstellbar ist, daß sie zutreffen kann, so muß ein solcher Gesichtspunkt bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden und es bedarf näherer Begründung, daß die nach der Lebenserfahrung wahrscheinlichere Sachdarstellung durch die beweisbelastete Partei allein mit der Begründung unberücksichtigt bleiben soll, es stehe im wesentlichen Behauptung gegen Behauptung. Immerhin stellt es eine kaum aufzulösende Ungereimtheit in den Erklärungen des Klägers bei seiner Parteivernehmung dar, wenn er einerseits ausgesagt hat, bei den Vorgesprächen sei seine angebliche außereheliche Beziehung durchaus zur Sprache gekommen, in dem entscheidenden langen Gespräch mit dem Dechanten sei jedoch davon nicht die Rede gewesen.
bb) Die Revision rügt darüber hinaus zutreffend, das Berufungsgericht habe bei seiner Beweiswürdigung dadurch gegen § 286 ZPO verstoßen, daß es wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen habe. Wenn schon die Darstellung des Klägers von dem fraglichen Gespräch in dem entscheidenden Punkt nach der Würdigung des Berufungsgerichts als schwer vorstellbar anzusehen war, so durfte nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger im gesamten Prozeßverlauf mehrfach dezidiert behauptet hatte, ein solches Gespräch über seine angebliche außereheliche Beziehung habe weder am 2. Juli 1997 noch zu einem sonstigen Termin stattgefunden. Bei seiner Parteivernehmung hat der Kläger aber entgegen seinem bisherigen Prozeßvorbringen eingeräumt, ein derartiges Gespräch habe, wenn auch kurz, zumindest am 30. Juni 1997 stattgefunden. Dieser Widerspruch war zu würdigen, was, wie die Revision zu Recht rügt, nicht geschehen ist.
cc) Ebenso hätte bei der Würdigung der Parteivernehmung des Klägers geprüft werden müssen, ob nicht nach dem Akteninhalt erhebliche Anhaltspunkte dafür sprachen, daß das Prozeßvorbringen des Klägers auch in anderen Punkten nicht mit seiner prozessualen Wahrheitspflicht zu vereinbaren war, was die Glaubhaftigkeit seiner Darstellung vom Hergang des fraglichen Gesprächs weiter herabgemindert hätte.
dd) Unter diesen Umständen ist es rechtsfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht die Parteivernehmung des Dechanten S im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt hat, es stehe Behauptung gegen Behauptung, und es greift die Rüge der Revision durch, das Landesarbeitsgericht hätte den Dechanten S zu dem Hergang des fraglichen Gesprächs am 2. bzw. 3. Juli 1997 als Partei vernehmen müssen.
Nach § 448 ZPO kann ohne Rücksicht auf die Beweislast das Gericht, wenn das Ergebnis der Verhandlungen und einer etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreicht, um seine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer zu erweisenden Tatsache zu begründen, die Vernehmung einer Partei oder beider Parteien über die Tatsache anordnen. Voraussetzung ist, daß im Zeitpunkt der Vernehmung für die zu beweisende Tatsache noch kein voller Beweis geführt ist, wohl aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufgrund der Lebenserfahrung besteht (Baumbach/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 448 Rz 12; Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl., § 448 Rz 2; Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 448 Rz 4). Nach der eigenen Würdigung der Parteivernehmung des Klägers durch das Berufungsgericht und den seiner Aussage entgegenstehenden Feststellungen über das Parteivorbringen des Klägers durfte das Landesarbeitsgericht nicht ohne Verletzung des ihm eingeräumten Ermessens davon ausgehen, es bestehe aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme und des gesamten Akteninhalts nicht zumindest eine gewisse Anfangswahrscheinlichkeit dafür, die bis dahin widerspruchslose Sachdarstellung der Beklagten über das fragliche Gespräch sei zutreffend. Die Version der Beklagten über den Hergang des Gesprächs entsprach nach der eigenen Würdigung des Berufungsgerichts zumindest in einem entscheidenden Punkt eher der Lebenserfahrung als die Erklärungen des Klägers bei seiner Parteivernehmung. Abgesehen davon hatte der Kläger die Beweisnot (vgl. zu diesem Gesichtspunkt EGMR Entscheidung vom 27. Oktober 1993 – 37/1992/382/460 – NJW 1995, 1413) der Beklagten nach seiner Aussage dadurch zumindest mitverursacht, daß er am 30. Juni 1997 um ein weiteres seelsorgerisches Gespräch gebeten hatte, zu dem auch aus der Sicht des Klägers wohl kaum ein Zeuge hätte hinzugezogen werden können.
3. Das angefochtene Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO).
a) Das Arbeitsverhältnis war ordentlich kündbar. Abweichend von § 19 Abs. 1 Satz 1 MAVO gestattet § 19 Abs. 1 Satz 2 MAVO die ordentliche Kündigung gegenüber einem Mitarbeitervertreter, wenn sie – wie im Streitfall – mit einem Verstoß des katholischen Mitarbeiters gegen die Verpflichtung begründet wird, seine persönliche Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der katholischen Kirche einzurichten. Die MAVO gewährt insoweit also für Mitarbeitervertreter keinen §§ 103 BetrVG, 15 KSchG vergleichbaren Schutz.
b) Die Wirksamkeit der Kündigung scheitert auch nicht an § 30 Abs. 1 und 5 MAVO. Danach sind der Mitarbeitervertretung vor jeder ordentlichen Kündigung nach Ablauf der Probezeit durch den Dienstgeber schriftlich die Absicht der Kündigung und die Gründe hierfür mitzuteilen. Eine ohne Einhaltung dieses Verfahrens ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war kein Ersatzmitglied vorhanden, das das Mitwirkungsrecht des § 30 MAVO hätte ausüben können. Der von der Kündigung betroffene Kläger war aber von der Beratung und Beschlußfassung ausgeschlossen (vgl. BAG Urteil vom 26. August 1981 – 7 AZR 550/79 – AP Nr. 13 zu § 103 BetrVG 1972). Die Mitarbeitervertretung war daher funktionsunfähig, das Beteiligungsrecht entfiel (ebenso Bleistein/Thiel-Bleistein, MAVO, 2. Aufl., § 30 Rz 7).
c) Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, es sei unerheblich, ob der Beschluß des Kirchenvorstands zur Kündigung, bevor er gefaßt oder die Kündigung erklärt wurde, entsprechend Nr. 619 Abs. 1 Satz 4 der Synodalstatuten für das Bistum Essen (SSE) oberhirtlich, d.h. durch das Generalvikariat kirchenaufsichtlich genehmigt war, ist dem ebenfalls zuzustimmen. Die Fußnote** zu Nr. 619 SSE verlangt diese Genehmigung ausdrücklich nur im Innenverhältnis (zwischen Kirchenvorstand und Generalvikariat), während die in derselben Fußnote in Bezug genommene Verordnung über das Verfahren bei Einstellung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom 15. Dezember 1971 (Nr. 173, KABl. des Bistums Essen 1971, 181) explizit besagt, die Wirksamkeit der formgerechten Kündigung nach Ziff. 1 der Verordnung – im Außenverhältnis zwischen Kirchengemeinde und Mitarbeiter – werde durch das Genehmigungsverfahren nicht berührt.
d) Auch § 9 Satz 2 des Anstellungsvertrags, wonach Vertragsänderungen und Nebenabreden neben der Schriftform der kirchenaufsichtlichen Genehmigung bedürfen, macht es nicht notwendig, die Frage der kirchenaufsichtlichen Genehmigung zu klären. Selbst wenn in dieser Regelung ein konstitutives Erfordernis gesehen wird, erfaßt sie nicht die Kündigung des Arbeitsvertrags, mit der seine Beendigung erstrebt wird, sondern nur die Änderung und Erweiterung des Arbeitsvertrags durch Nebenabreden (vgl. Senatsurteil vom 9. Oktober 1997 – 2 AZR 195/97 – RzK I 2 a Nr. 18).
e) Entgegen der Auffassung des Nebenintervenienten unterfällt das Arbeitsverhältnis der Parteien auch dem Kündigungsschutzgesetz (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 KSchG). Bedienen sich die Kirchen wie jedermann der Privatautonomie zur Begründung von Arbeitsverhältnissen, so findet auf diese das staatliche Arbeitsrecht mit seinen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Anwendung (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 10. Dezember 1992 – 2 AZR 271/92 – AP Nr. 41 zu Art. 140 GG, zu II 1 der Gründe, m.w.N.; BVerfG Beschluß vom 4. Juni 1985 – 2 BvR 1703, 1718/83, 856/84 – BVerfGE 70, 138 = AP Nr. 24 zu Art. 140 GG; vgl. ferner Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 23 Rz 8; KR-Weigand, 5. Aufl., § 23 KSchG Rz 30). Allerdings ist insoweit nicht auf den Begriff des Betriebes abzustellen. Der Nebenintervenient rügt zu Recht, daß der herkömmliche Betriebsbegriff insbesondere auf den vom Kläger verrichteten liturgischen Dienst nicht paßt. Die Beklagte ist als Gebietskörperschaft öffentlich-rechtlich organisiert. Maßgeblich für die Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des KSchG auf die streitige Kündigung ist deshalb allein der in § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG enthaltene Begriff der Verwaltung, die unter Umständen mehrere Dienststellen umfassen kann (vgl. Senatsurteil vom 23. April 1998 – 2 AZR 489/97 – AP Nr. 19 zu § 23 KSchG 1969). Daß eine Kirchengemeinde als Arbeitgeberin eine Verwaltung i.S.d. der §§ 1, 23 KSchG darstellt, hat der Senat bereits für eine evangelische Kirchengemeinde entschieden (Urteil vom 12. November 1998 – 2 AZR 459/97 – AP Nr. 20 zu § 23 KSchG 1969); für eine katholische Kirchengemeinde gilt auch anhand der von dem Nebenintervenienten dargelegten Besonderheiten des katholischen Kirchenrechts nichts anderes. Die Grundordnung unterscheidet bei den katholischen Kirchengemeinden, die Mitarbeiter aufgrund staatlichen Arbeitsrechts beschäftigen, nur zwischen Dienststellen, Einrichtungen und sonstigen selbständig geführten Stellen.
4. Über die Frage, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 KSchG) kann der Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen durch das Berufungsgericht damit noch nicht abschließend entscheiden. Abgesehen von der erforderlichen Aufklärung, ob die Kündigung wegen eines fehlenden Beratungsgesprächs nach § 5 Abs. 1 GrO gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt, hat das Berufungsgericht auch zum Kündigungssachverhalt keine Feststellungen getroffen, vielmehr zugunsten der Beklagten deren Sachdarstellung als richtig unterstellt. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung (§ 565 Abs. 1 ZPO).
5. Die Sache ist nicht, wie der Kläger in der Revisionsinstanz geltend macht, zu seinen Gunsten entscheidungsreif, weil der vom Berufungsgericht zugunsten der Beklagten unterstellte Sachverhalt schon an sich nicht geeignet wäre, einen Kündigungsgrund i.S. von § 1 Abs. 2 KSchG darzustellen.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht von den allgemeinen Grundsätzen über die Beurteilung von Kündigungen im kirchlichen Arbeitsverhältnis aus.
aa) Beim Abschluß von Arbeitsverträgen beteiligt sich ein Arbeitgeber, der wie die beklagte Kirchengemeinde nach dem Staatskirchenrecht der Kirche zugeordnet ist (grundlegend BVerfG Beschluß vom 11. Oktober 1977 – 2 BvR 209/76 – BVerfGE 46, 73, 85 ff. = AP Nr. 1 zu Art. 140 GG, zu B II 3 der Gründe) nicht nur wie jedermann an der durch das staatliche Arbeitsrecht begrenzten Privatautonomie zur Begründung (und Beendigung) von Arbeitsverhältnissen, sondern er macht zugleich von der institutionellen Garantie Gebrauch, daß die Kirche ihre Angelegenheiten nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes ordnet und verwaltet. Deshalb findet neben dem staatlichen das kircheneigene Arbeitsrecht Anwendung.
bb) Mit Art. 4 und 5 GrO hat die katholische Kirche als verfaßte Kirche von ihrem aus Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV resultierenden Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht. Obwohl die kirchlichen Arbeitsverhältnisse als Folge der ausgeübten Rechtswahl in das staatliche Arbeitsrecht und damit auch in den Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes einbezogen werden, hebt dies die Zugehörigkeit zu den „eigenen Angelegenheiten” der Kirche nicht auf. Die Anwendung des staatlichen Arbeitsrechts darf deshalb die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht in Frage stellen, die Verfassungsgarantie des Selbstbestimmungsrechts bleibt für die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse wesentlich. Die katholische Kirche konnte deshalb das besondere Leitbild einer christlichen Dienstgemeinschaft aller ihrer Mitarbeiter (Art. 1 Satz 1 GrO) zugrunde legen. Sie war befugt, den ihr angehörenden katholischen Arbeitnehmern durch Art. 4 Abs. 1 Satz 1 GrO aufzuerlegen, daß sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. Denn für die Kirchen kann ihre Glaubwürdigkeit davon abhängen, daß ihre Mitglieder, die in ein Arbeitsverhältnis zu ihnen treten, die kirchliche Ordnung – auch in ihrer Lebensführung – respektieren (vgl. BVerfGE 70, 138, 165 f.; Senatsurteil vom 24. April 1997 – 2 AZR 268/96 – AP Nr. 27 zu § 611 BGB Kirchendienst, zu II 1 b bb (1) der Gründe). Mit Art. 4 und 5 GrO ist daher entschieden, welche kirchlichen Maßstäbe für die Bewertung vertraglicher Loyalitätspflichten zugrunde zu legen sind und welche Schwere dem Loyalitätsverstoß zukommt (Klar, Loyalitätsobliegenheiten und Kündigung kirchlicher Arbeitnehmer, S. 94 f.). Besonderheit der Loyalitätspflichten oder auch -obliegenheiten ist, daß sie nicht primär und unmittelbar die Erbringung der arbeitsvertraglich als Hauptleistung geschuldeten Arbeitspflicht betreffen, sondern Verhaltensweisen zum Gegenstand haben, die im Bereich der Nebenpflichten oder sogar in der privaten Sphäre liegen (Klar, aaO, S. 7 und S. 97 f.). Zu den Grundsätzen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre gehört die herausragende Bedeutung der Ehe, die nicht nur ein Bund und ein Vertrag, vielmehr auch ein Sakrament ist (can. 1055 cic; Puza, Katholisches Kirchenrecht, 2. Aufl., S. 289 f.). Daß der Ehebruch nach der Neufassung des codex iuris canonici im Jahre 1983 nicht länger als Verbrechen angesehen wird (so noch can. 2357 § 2 cic a.F.), ist ohne Belang. Das kanonische Recht nennt als Wesenseigenschaft der Ehe nach wie vor ihre Unauflöslichkeit (can. 1056 cic) sowie ihre lebenslange und ausschließliche Natur (can. 1134 cic).
cc) Die Arbeitsgerichte sind bei der Anwendung der gesetzlichen Vorschriften zum Kündigungsrecht an die Vorgabe der Religionsgesellschaften gebunden, soweit diese den anerkannten Maßstäben der verfaßten Kirchen Rechnung tragen und sich die Gerichte durch die Anwendung der Vorgaben nicht in Widerspruch zu den Grundprinzipen der Rechtsordnung, wie sie im allgemeinen Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), dem Begriff der „guten Sitten” (§ 138 Abs. 1 BGB) und des ordre public (Art. 6 EGBGB) ihren Niederschlag gefunden haben, begeben. Die Arbeitsgerichte haben sicherzustellen, daß die Religionsgesellschaften nicht in Einzelfällen unannehmbare Anforderungen an die Loyalität ihrer Arbeitnehmer stellen (BVerfGE 70, 138, 168; Senatsurteil vom 24. April 1997, aaO, zu II 1 b bb (2) der Gründe). Die Vorstellungen der katholischen Kirche über die eheliche Treue stehen nicht in Widerspruch zu den Grundprinzipien der Rechtsordnung, der Bruch einer bestehenden (bürgerlichen) Ehe, die nach Art. 6 Abs. 1 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, wird auch vom bürgerlichen Recht als schwerwiegendes Fehlverhalten betrachtet (Senatsurteil vom 24. April 1997, aaO, zu II 1 b bb (2) der Gründe).
b) Es ist danach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht den zugunsten der Beklagten unterstellten Sachverhalt als eine schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 1. Alt. GrO und damit an sich als Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG geeignet angesehen und, ohne daß dies für das angefochtene Urteil tragend wäre, weiter angenommen hat, auch die erforderliche Einzelfallprüfung müsse zur Wirksamkeit der Kündigung führen. Die Rechtsansicht des Klägers, aus dem Bereich des Zusammenlebens zwischen Mann und Frau sei allein die Wiederheirat, also der Abschluß einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe als schwerwiegende persönliche sittliche Verfehlung anzusehen, ist weder der Grundordnung, die allgemein auf die von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter zu erfüllenden Obliegenheiten abstellt, noch den zitierten kirchenrechtlichen Vorschriften oder den genannten Beispielsfällen zu entnehmen. Schon in seinem Urteil vom 24. April 1997 (aaO) hat der Senat darauf hingewiesen, daß nach katholischem Kirchenrecht der Ehebruch jedenfalls als schwerwiegendes Fehlverhalten zu betrachten ist. Auf eine Gleichbehandlung mit den kirchlichen Arbeitnehmern, denen nach seinem Vorbringen bei einem ähnlichen Fehlverhalten nicht sofort gekündigt worden ist, kann sich der Kläger nicht berufen, unabhängig davon, daß er aufgrund seiner Stellung als Mitarbeiter im liturgischen Dienst schon von seiner Tätigkeit her mit den von ihm benannten kirchlichen Mitarbeitern nicht vergleichbar ist. Weitere Ausführungen zu diesem Punkt hält der Senat nicht für sinnvoll, da noch nicht absehbar ist, ob es nach der Zurückverweisung überhaupt auf diese Frage ankommt und welcher Sachverhalt dann vom Berufungsgericht zu entscheiden ist.
6. Auch hinsichtlich des nur hilfsweise gestellten Auflösungsantrags war der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Obsiegt der Kläger mit dem Feststellungsantrag, so wird zu prüfen sein, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht mehr zu erwarten ist (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG). § 19 Abs. 1 Satz 2 MAVO steht einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG nicht entgegen. Wenn im Hinblick auf den Schutzzweck des § 15 KSchG teilweise erwogen wird, bei betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträgern den Auflösungsantrag des Arbeitgebers nur dann zuzulassen, wenn ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung i.S.d. § 626 BGB vorliegt (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1972 – 2 AZR 235/72 – AP Nr. 1 zu § 9 KSchG 1969; KR-Spilger, 5. Aufl., § 9 KSchG Rz 62, m.w.N.), so trifft dies einen anderen Fall. § 19 Abs. 1 Satz 2 MAVO läßt eine ordentliche Kündigung des Dienstgebers gegenüber dem Mitglied der Mitarbeitervertretung wegen Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten gerade zu. Es besteht deshalb für den Mitarbeitervertreter stets die Gefahr, wegen Verletzung von Loyalitätsobliegenheiten seinen Arbeitsplatz ggf. auch ohne Abfindung zu verlieren. Stellt das Arbeitsgericht fest, daß die vom Dienstgeber ausgesprochene ordentliche Kündigung sozialwidrig war, kann der Dienstgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht beantragen (so ausdrücklich Bleistein/Thiel, MAVO, 2. Aufl., § 19 Rz 84). Der besondere Kündigungsschutz der Mitarbeitervertreter, der hinsichtlich der Loyalitätsobliegenheiten stark eingeschränkt ist, wird durch eine solche Auflösungsmöglichkeit nicht umgangen.
Unterschriften
Bitter, Bröhl, Fischermeier, Rosendahl, Bensinger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 16.09.1999 durch Anderl, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436238 |
DB 2000, 147 |
NJW 2000, 1286 |
ARST 2000, 93 |
FA 1999, 410 |
JR 2000, 220 |
NZA 2000, 208 |
ZTR 2000, 139 |
AP, 0 |
AuA 1999, 514 |
AuA 2000, 290 |
ZMV 2000, 137 |
ZMV 2000, 36 |
AUR 2000, 35 |