Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezugnahme auf Tarifvertrag und Betriebsübergang
Leitsatz (redaktionell)
Ein Betriebsübergang ändert trotz § 613a Abs. 1 S. 3 BGB nichts an der Weitergeltung einzelvertraglicher Rechte durch Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1; Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 Art. 3; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 4; BMT-G II § 63
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 02.04.2009; Aktenzeichen 15 Sa 114/09) |
ArbG Wuppertal (Urteil vom 20.11.2008; Aktenzeichen 6 Ca 661/08) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 2. April 2009 – 15 Sa 114/09 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten darüber, ob ein Teilbetriebsübergang mit Branchenwechsel zu einem Wechsel des für ihr übergegangenes Arbeitsverhältnis maßgebenden Tarifrechts geführt hat.
Rz. 2
Die Klägerin wurde auf der Grundlage eines schriftlichen Formulararbeitsvertrages vom 4. Januar 1993 von der Klinikum R… GmbH, welche bei Vertragsschluss Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes war, in deren Krankenanstalten als Reinigungskraft beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält folgende Regelung:
Ҥ 2
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31.01.1962 und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge – insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW) – in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge. Daneben finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge Anwendung.
…”
Rz. 3
Die Beklagte übernahm von der Klinikum R… GmbH den Bereich Reinigung, in dem die Klägerin beschäftigt war, mit Wirkung ab dem 1. Juli 2004. Die Klägerin hat dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht widersprochen.
Rz. 4
Die Beklagte zahlt der Klägerin und den anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Reinigungsbereich Entgelt nach den für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung. Demgegenüber fordert die Klägerin unter Berufung auf das im Rechtsstreit einer Kollegin ergangene Senatsurteil vom 29. August 2007 (– 4 AZR 767/06 – BAGE 124, 34) Vergütung nach den Vergütungstarifverträgen zum BMT-G II, die sie später nach einem Einwand der Beklagten und Hinweis des erstinstanzlichen Gerichts nach den Bestimmungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) neu berechnet hat.
Rz. 5
In dem anwaltlichen Geltendmachungsschreiben vom 10. Oktober 2007 heißt es ua.:
“…
Unsere Mandantin ist tätig als Mitarbeiterin im vormaligen S… Klinikum in R….
Im Hinblick auf das Urteil des BAG vom 29.08.2007 ist auch im Falle unserer Mandantin eine Nachberechnung der Vergütungsansprüche vorzunehmen und zwar ab August 2004.
Es ergeben sich folgende Nachforderungen:
Für die Zeit von August bis Dezember 2004 |
|
Januar bis Dezember 2005 |
|
Januar bis Dezember 2006 |
|
Januar bis Oktober 2007 |
|
insgesamt 39 Monate à 715,10 € |
27.888,90 € |
Weihnachtsgeld für die Jahre 2004, 2005 und 2006 1.769,15 € × 3 |
5.307,45 € |
Urlaubsgeld für die Jahre 2004, 2005, 2006 und 2007 332,34 € × 4 |
1.329,36 € |
…”
Rz. 6
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin zuletzt noch Bruttodifferenzbeträge für den Zeitraum März 2007 bis April 2008, Weihnachts- und Urlaubsgeld bzw. Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 sowie Einmalzahlungen für die Monate April, Juli und Oktober 2007.
Rz. 7
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.547,35 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB von 5.295,73 Euro ab 1. Dezember 2007 und von weiteren 5.251,62 Euro ab Zustellung des Schriftsatzes vom 9. Juni 2008 zu zahlen.
Rz. 8
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Auf das Arbeitsverhältnis seien die für allgemeinverbindlich erklärten Rahmen- und Lohntarifverträge für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung anzuwenden. Das Bundesarbeitsgericht habe sich mit dem Urteil vom 29. August 2007 (– 4 AZR 767/06 – BAGE 124, 34) in unzulässiger Weise von seiner bisherigen – jedenfalls noch für sog. Altverträge anzuwendenden – Rechtsprechung zur Auslegung von Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede entfernt. Falls jedoch ein Anspruch nach dem BMT-G II ab dem Betriebsübergang vom 1. Juli 2004 zuerkannt werde, sei dieser jedenfalls nicht dynamisch auch auf den TVöD bezogen. Überdies seien eventuelle Ansprüche der Klägerin verfallen. Das Schreiben vom 10. Oktober 2007, zugegangen am 17. Oktober 2007, stelle keine wirksame Geltendmachung dar.
Rz. 9
Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Für die Klägerin hat es die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils und die weitergehende Verurteilung der Beklagten im Umfang des gestellten Antrages. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 10
Die Revision der Klägerin ist ganz überwiegend begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO). Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts konnte die Berufung der Klägerin nicht zurückgewiesen werden. Da es für eine abschließende Entscheidung an Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts fehlt, ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).
Rz. 11
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Klägerin könne sich nicht auf das Senatsurteil vom 29. August 2007 (– 4 AZR 767/06 – BAGE 124, 34) berufen, damit begründet, dass der Senat darin die für “Altfälle” weiterhin einschlägigen Grundsätze der früheren Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede nicht konsequent durchgehalten habe. Vielmehr seien Gesichtspunkte eingeflossen, die eher den in der jüngeren Senatsrechtsprechung – für nach dem 1. Januar 2002 vereinbarte Klauseln – aufgestellten Auslegungsgrundsätzen entstammen würden. Damit sei der der Beklagten zustehende Vertrauensschutz verletzt worden. Nach der Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede fänden ab dem Zeitpunkt des Teilbetriebsübergangs zur Beklagten – dem 1. Juli 2004 – die für allgemeinverbindlich erklärten Rahmen- und Lohntarifverträge für die gewerblich Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
Rz. 12
II. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts geht fehl. Die Klägerin hat dem Grunde nach Anspruch auf Entgelt nach Maßgabe der tariflichen Regelungen des BMT-G II und der dazu abgeschlossenen Tarifverträge in der Fassung, die am 1. Juli 2004, dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs von der insoweit gebundenen Klinikum R… GmbH zu der nicht an den BMT-G II gebundenen Beklagten galt. Der Senat kann jedoch nicht selbst in der Sache entscheiden. Anhand der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht beurteilt werden, in welcher Höhe gegebenenfalls Ansprüche bestehen und ob diese rechtzeitig geltend gemacht worden sind.
Rz. 13
1. Die tariflichen Regelungen des BMT-G II und der “zusätzlich”, ergänzend abgeschlossenen Tarifverträge (nachfolgend nur: BMT-G II) haben im Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Klinikum R… GmbH aufgrund der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 4. Januar 1993 individualvertragliche Rechte und Pflichten begründet. Hieran hat sich nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB durch den Betriebs(teil-)übergang nichts geändert, weshalb die Klägerin gegenüber der Beklagten die geltend gemachten Vergütungsansprüche dem Grunde nach hat, soweit sie auf der Anwendung des BMT-G II beruhen.
Rz. 14
a) Durch die Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrages vom 4. Januar 1993 sind die Regelungen der dort genannten Tarifverträge Inhalt des Arbeitsvertrages der damaligen Arbeitsvertragsparteien geworden. Auf der Grundlage der früheren, aus Gründen des Vertrauensschutzes für vor dem 1. Januar 2002 geschlossene Verträge fortzuführenden Senatsrechtsprechung handelt es sich bei dieser Vertragsklausel um eine sogenannte Gleichstellungsabrede. Folge davon ist, dass die im Vertrag vorgesehene Dynamik der in den Arbeitsvertrag inkorporierten jeweiligen tariflichen Regelungen davon abhängig ist, dass die Arbeitgeberin die betreffenden Tarifverträge auch tarifrechtlich gegenüber den an diese Tarifverträge tarifgebundenen Arbeitnehmern anwenden muss.
Rz. 15
aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die widerlegliche Vermutung, dass es einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum geht, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (vgl. nur 23. Januar 2008 – 4 AZR 602/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38; 1. Dezember 2004 – 4 AZR 50/04 – BAGE 113, 40, 42 f.; 25. September 2002 – 4 AZR 294/01 – BAGE 103, 9, 14; 21. August 2002 – 4 AZR 263/01 – BAGE 102, 275, 278 ff.).
Rz. 16
Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, dass auch ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder Begleitumständen bei Vertragsschluss bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag vom 4. Januar 1993 in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen seien (vgl. nur 10. Dezember 2008 – 4 AZR 881/07 – Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – Rn. 12 ff. mwN, BAGE 116, 326; 1. Dezember 2004 – 4 AZR 50/04 – zu I 2 der Gründe mwN, BAGE 113, 40; 21. August 2002 – 4 AZR 263/01 – zu I 2b der Gründe mwN, BAGE 102, 275). Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, dass die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik nur so weit reicht, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reicht, also dann endet, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden ist (vgl. im Einzelnen BAG 18. März 2009 – 4 AZR 64/08 – Rn. 28, BAGE 130, 43). Ab diesem Zeitpunkt sind die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch anzuwenden.
Rz. 17
bb) Diese Auslegungsregel zur Feststellung einer Gleichstellungsabrede hat der Senat aufgegeben. Er wendet sie aber aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., vgl. nur BAG 26. August 2009 – 4 AZR 285/08 – Rn. 49, AP TVG § 3 Nr. 45 = EzA TVG § 3 Nr. 32; 18. April 2007 – 4 AZR 652/05 – Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – Rn. 24 ff., BAGE 116, 326).
Rz. 18
cc) Da die im Arbeitsvertrag enthaltene dynamische Verweisung auf den BMT-G II am 4. Januar 1993 vereinbart worden ist, kommt bei dessen Auslegung weiterhin die frühere Senatsrechtsprechung zum Tragen. Danach ist die Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages eine Gleichstellungsabrede. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die die damalige Arbeitgeberin tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden (zu vergleichbaren Klauseln BAG 18. November 2009 – 4 AZR 514/08 – Rn. 20, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 70 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 43; 10. Dezember 2008 – 4 AZR 881/07 – Rn. 18, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68; 14. Dezember 2005 – 4 AZR 536/04 – Rn. 12 ff., BAGE 116, 326; 19. März 2003 – 4 AZR 331/02 – zu I 2c der Gründe, BAGE 105, 284).
Rz. 19
b) Der BMT-G II galt infolge des Betriebs(teil-)übergangs des Bereichs Reinigung auf die Beklagte und dem damit verbundenen Branchenwechsel des Beschäftigungsbetriebs in den Bereich des Gebäudereinigerhandwerks auf individualvertraglicher Grundlage weiter. Die so begründeten, aus dem in Bezug genommenen Tarifwerk herrührenden individualvertraglichen Rechte und Pflichten wurden nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auch Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten (vgl. BAG 19. März 2003 – 4 AZR 331/02 – BAGE 105, 284, 286 f.; 26. September 2001 – 4 AZR 544/00 – BAGE 99, 120, 129).
Rz. 20
aa) Etwas anderes ergibt sich nicht schon von Rechts wegen.
Rz. 21
(1) An der fortdauernden Maßgeblichkeit der Rechte und Pflichten aus dem BMT-G II ändert der Umstand nichts, dass nunmehr im Arbeitsverhältnis das für allgemeinverbindlich erklärte Tarifrecht des Gebäudereinigerhandwerks Anwendung findet. Die normativ nach § 4 Abs. 1 iVm. § 5 TVG im Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Regelungen der Gebäudereinigertarifverträge werden nach § 4 Abs. 3 TVG durch günstigere arbeitsvertragliche Regelungen verdrängt. Hierzu gehören die von der Klägerin in Anspruch genommenen Entgeltregelungen des BMT-G II und der diesen ergänzenden Tarifverträge. Sie finden kraft im Arbeitsverhältnis privatautonom gebildeten Willens als Vertragsrecht Anwendung.
Rz. 22
(2) Die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk sind auch nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB an die Stelle des vertraglich in Bezug genommenen Tarifrechts des öffentlichen Dienstes getreten. Aus Wortlaut und systematischer Stellung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB folgt, dass diese Bestimmung nur die grundsätzlich vorgesehene Transformation von Tarifrecht, das beim Betriebsveräußerer kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit gegolten hat, in das Arbeitsverhältnis beim Erwerber verhindert oder beendet. Die Vorschrift ist nicht dazu bestimmt, auf beim Veräußerer vertraglich begründete Rechte und Pflichten Einfluss zu nehmen. § 613a Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB regeln ausschließlich – letztlich nach Spezialitätsgesichtspunkten modifiziert – den Erhalt von ursprünglich normativ begründeten Besitzständen nach einem Betriebsübergang, nach dem die Voraussetzungen für eine normative Weitergeltung entfallen sind. Vertragliche Rechtspositionen, auch wenn sie in einer privatautonomen Einbeziehung von Tarifrecht ihren Grund haben, gehen ohne Weiteres und uneingeschränkt nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB über. Ein anderes Verständnis stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangs-Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001, wonach Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsvertrag ohne Weiteres auf den Erwerber übergehen.
Rz. 23
bb) Die arbeitsvertragliche Verweisung nimmt nur den BMT-G II und die zugehörigen Tarifverträge, nicht auch die für die “andere” Branche der Gebäudereinigung geltenden Tarifverträge in Bezug. Die Arbeitsvertragsparteien haben keine große dynamische Verweisung oder Tarifwechselklausel vereinbart.
Rz. 24
(1) Die Bezugnahme auf das Tarifwerk einer bestimmten Branche kann nur dann als große dynamische Verweisung, also als Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich einschlägigen Tarifvertrag, ausgelegt werden, wenn sich dies aus besonderen Umständen ergibt (BAG 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 – Rn. 17 mwN, BAGE 124, 34). Eine solche Bezugnahme ist rechtlich möglich. Ein dahingehender Wille muss aber im Wortlaut des Vertrages einen hinreichend deutlichen Niederschlag gefunden haben oder sich aus den Begleitumständen bei Vertragsschluss ergeben.
Rz. 25
(2) Weder § 2 Satz 1 und 2 noch Satz 3 des Arbeitsvertrages vom 4. Januar 1993 noch vorgetragene Umstände bei Vertragsschluss lassen einen Willen der vertragschließenden Parteien erkennen, die je nach Branchenzugehörigkeit des Beschäftigungsbetriebs einschlägigen Tarifverträge privatautonom zur Geltung zu bringen.
Rz. 26
Die Sätze 1 und 2 der vertraglichen Verweisungsklausel nennen nur die Tarifbestimmungen für die Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe in ihrer jeweils geltenden Fassung als Verweisungsobjekt. Nur dieses Tarifrecht haben die Arbeitsvertragsparteien in dem vom Arbeitgeber gestellten Vertrag in das Vertragsverhältnis inkorporiert.
Rz. 27
Auch aus Satz 3 ergibt sich nichts anderes. Zwar wird dort auf “die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils in Kraft befindlichen sonstigen Tarifverträge” verwiesen. Schon aus der Einfügung des Wortes “sonstigen” sowie aus der Einleitung des Satzes mit “Daneben finden” ergibt sich aber, dass mit der vertraglichen Regelung nicht ein etwaiger Tarifwechsel vorbereitet wird. Vielmehr geht es in Satz 3 der Vereinbarung nur darum, auch nicht ausdrücklich angesprochene Tarifverträge, die für die damalige Arbeitgeberin des kommunalen öffentlichen Dienstes einschlägig waren oder werden sollten, neben dem Tarifwerk des BMT-G II zum Vertragsinhalt zu machen. Hierzu gehören die Tarifverträge für das Gebäudereinigerhandwerk nicht (vgl. auch BAG 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 – Rn. 18, BAGE 124, 34).
Rz. 28
Umstände bei Vertragsschluss, aus denen sich ein weitergehender Regelungswille der Arbeitsvertragsparteien ergeben könnte, trägt die Beklagte nicht vor.
Rz. 29
cc) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt auch der Umstand, dass die Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages als Gleichstellungsabrede auszulegen ist, nicht zu einem Wechsel des auf vertraglicher Grundlage anwendbaren Tarifrechts. Dies lässt sich weder aus Wortlaut und Sinn der Vertragsklausel noch aus dem Gedanken einer hierauf aufbauenden “entsprechenden Anwendung” des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB herleiten.
Rz. 30
(1) Das mit dem Begriff “Gleichstellungsabrede” gekennzeichnete Auslegungsergebnis einer Bezugnahmeklausel hatte und hat in der Rechtsprechung des Senats nicht den Inhalt, den am Vertrag beteiligten Arbeitnehmer in jeder Hinsicht wie ein Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft oder zumindest tarifrechtlich so wie einen an den in Bezug genommenen Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer zu behandeln. Es ging und geht stets nur darum, den Arbeitnehmer vertraglich hinsichtlich des in Bezug genommenen Tarifvertrages oder Tarifwerkes so zu stellen, als wäre er an diesen Tarifvertrag gebunden. Wesentliche Rechtsfolge dieses Auslegungsergebnisses war es, die sich aus dem Wortlaut der Inbezugnahme ergebende Dynamik der tariflichen Inkorporierung auf die Zeit zu begrenzen, in der der Arbeitgeber ohnehin im Verhältnis zu tarifgebundenen Arbeitnehmern durch seine Verbandsmitgliedschaft an die Tarifentwicklung gebunden war. Eine Gleichstellung, die auch einen für Gewerkschaftsmitglieder normativ, beispielsweise aufgrund von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, eintretenden Tarifwechsel vertraglich nachvollzieht, kann zwar vereinbart werden, sie muss aber im Vertragswortlaut in der eben beschriebenen Weise zum Ausdruck kommen. Eine auf ein bestimmtes Tarifwerk bezogene Gleichstellungsklausel deckt eine Vertragsentwicklung, die einen auf einen Branchenwechsel folgenden Tarifwechsel mitumfasst, nicht ab (vgl. hierzu auch BAG 29. August 2007 – 4 AZR 767/06 – Rn. 17, BAGE 124, 34).
Rz. 31
(2) In seinem Urteil vom 29. August 2007 hat der Senat im Einzelnen begründet, warum im Verhältnis zwischen einer vertraglich vereinbarten Tarifgeltung und einem normativ geltenden Tarifvertrag im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungsebenen auch eine entsprechende Anwendung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nicht in Betracht kommt (– 4 AZR 767/06 – Rn. 19 mwN zu den hierzu in der Literatur vertretenen Auffassungen, BAGE 124, 34). Der Senat nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug, da neue Gesichtspunkte im vorliegenden Rechtsstreit nicht angesprochen worden sind.
Rz. 32
dd) Die Beklagte und das Landesarbeitsgericht berufen sich zur Rechtfertigung ihrer entgegengesetzten Rechtsauffassungen, was die Bedeutung und Wirkung einer Gleichstellungsabrede in Fällen wie dem vorliegenden angeht, zu Unrecht auf die Senatsentscheidungen vom 4. September 1996 (– 4 AZR 135/95 – BAGE 84, 97) und 23. Januar 2008 (– 4 AZR 602/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38). Es wird hier schon übersehen, dass die beiden angezogenen Urteile grundlegend andere Sachverhalte betrafen, weshalb die dort getroffenen Aussagen auch nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar sind.
Rz. 33
(1) Das von der Beklagten angeführte Senatsurteil vom 4. September 1996 (– 4 AZR 135/95 – BAGE 84, 97) betraf eine arbeitsvertragliche Verweisungsklausel, die keine Tarifwechselklausel zum Inhalt hatte. Sie war in einem Fall des Verbandswechsels des Arbeitgebers korrigierend dahin ausgelegt worden, dass eine Verweisung auf den jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrag vereinbart worden sei. Diese Rechtsprechung hat der Senat ausdrücklich aufgegeben (22. April 2009 – 4 ABR 14/08 – Rn. 73, BAGE 130, 286; s. bereits 22. Oktober 2008 – 4 AZR 784/07 – Rn. 24 f., BAGE 128, 165). Zudem erfolgte die Auslegung im Urteil vom 4. September 1996 jedenfalls auf der deutlich herausgestellten Grundlage, dass der Vertragspartner der von unterschiedlichen Arbeitgeberverbänden abgeschlossenen Tarifverträge jeweils dieselbe Gewerkschaft war, der zudem auch die damalige Klägerin angehörte. Mit dieser Ausgangslage ist der vorliegende Fall bereits deshalb nicht vergleichbar, weil ein Branchenwechsel in den Zuständigkeitsbereich einer anderen Gewerkschaft – als der die das in Bezug genommene Tarifwerk abgeschlossen hat – stattgefunden hat (vgl. auch 22. Oktober 2008 – 4 AZR 784/07 – aaO).
Rz. 34
(2) Auch soweit das Landesarbeitsgericht auf das Senatsurteil vom 23. Januar 2008 (– 4 AZR 602/06 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 38) hinweist, worin der Senat zu seiner eigentlichen Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede zurückgekehrt sei, werden der dort behandelte Lebenssachverhalt ausgeblendet und die dortigen Rechtsausführungen im entscheidenden Punkt nicht ausreichend gewürdigt. In der Entscheidung ging es bei der Würdigung einer als Gleichstellungsabrede zu bewertenden Bezugnahmeklausel darum, ob nach einem Betriebsübergang an die Stelle eines von der arbeitsvertraglichen Verweisung mitumfassten, beim Veräußerer abgeschlossenen Haustarifvertrages wieder die flächentarifvertraglichen Regelungen getreten waren, die ebenfalls von der arbeitsvertraglichen Verweisung erfasst und die von derselben Gewerkschaft vereinbart worden waren wie der Haustarifvertrag. Zur Klärung der Rechtslage griff der Senat auf den auch hier zugrunde gelegten Ansatz zurück, es gehe auf der Grundlage der vereinbarten Gleichstellungsabrede darum, den dortigen Kläger so zu stellen, “als sei er wie ein Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft … ebenso wie der Arbeitgeber an die in Bezug genommenen Tarifverträge der Branche gebunden” (– 4 AZR 602/06 – aaO). Nur für die Auswahlentscheidung, auf welche der in Bezug genommenen Tarifwerke sich die Verweisung in der konkret eingetretenen Situation bezieht, hat der Senat in seiner vergleichenden Betrachtung der Rechtslage bei den tarifgebundenen Arbeitnehmern – ohne dass es darauf entscheidend ankam – § 613a Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB angesprochen. Eine Rechtfertigung dafür, aus einer auf ein bestimmtes Tarifwerk bezogenen Gleichstellungsabrede auf eine vertragliche Inbezugnahme eines für eine andere Branche durch eine andere Gewerkschaft abgeschlossenen nicht genannten Tarifwerkes zu schließen, lässt sich daher aus der angezogenen Entscheidung nicht entnehmen.
Rz. 35
2. Das Arbeitsgericht ist allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass auf das Arbeitsverhältnis seit dem Inkrafttreten des TVöD/VKA das dortige Tarifrecht kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbar sei. Soweit die Klageforderung der Höhe nach hierauf beruht, hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage zu Recht abgewiesen.
Rz. 36
Aus dem bereits beschriebenen Inhalt einer Gleichstellungsabrede, wie sie sich im Vertrag der Klägerin vom 4. Januar 1993 findet, folgt, dass mit dem Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite an die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Tarifverträge die vertraglich vereinbarte Dynamik endet. Die Arbeitgeberin ist an danach vereinbarte Tarifänderungen nicht mehr gebunden. Da die arbeitgeberseitige Tarifgebundenheit an den BMT-G II im Falle der Klägerin mit dem Betriebsteilübergang auf die Beklagte am 1. Juli 2004 geendet hat, kann die Klägerin keine Leistungen auf der Grundlage des dieses Tarifwerk erst am 1. Oktober 2005 ablösenden TVöD/VKA verlangen. Sie ist auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die Rechte aus dem BMT-G II beschränkt, wie sie sich zum Stand 1. Juli 2004 ergeben.
Rz. 37
3. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nach § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder die Frage der Höhe noch die der rechtzeitigen Geltendmachung der Ansprüche der Klägerin beurteilt werden kann. Dazu ist Folgendes zu berücksichtigen:
Rz. 38
a) Anders als im parallelen und am selben Tag entschiedenen Rechtsstreit – 4 AZR 391/09 – stehen vorliegend wegen der zwischenzeitlichen Umrechnung auf Basis des TVöD die zur Berechnung der Klageforderung nach BMT-G II erforderlichen Tatsachen zwischen den Parteien nicht fest und sind auch nicht vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden. Hier stützt sich die Klägerin auf Angaben aus der Abrechnung Juli 2004 und bezieht auch Zulagen und Zuschläge ein (Sozialzuschlag, Erschwerniszulage), die an Voraussetzungen gebunden sind, hinsichtlich derer Weiteres nicht vorgetragen oder gar erörtert ist.
Rz. 39
b) Auch die weiteren Forderungen sind – jedenfalls auf der Grundlage des BMT-G II – unklar geblieben. Der Klägerin ist Gelegenheit zu geben, ihre Forderung auf der Grundlage des BMT-G II klarzustellen.
Rz. 40
c) Das Berufungsgericht hat auch die Frage der ausreichenden Geltendmachung zu prüfen. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten auf die Bestimmungen des anzuwendenden Tarifrechts, also die des BMT-G II, an.
Rz. 41
aa) Nach dem unverändert auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbaren § 63 BMT-G II verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, soweit tarifvertraglich nichts anderes bestimmt ist. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs aus, um einen Verfall auch für später fällig werdende Leistungen zu verhindern.
Rz. 42
Ist also ein Anspruch nach § 63 Unterabs. 1 BMT-G II ordnungsgemäß geltend gemacht worden, lässt § 63 Unterabs. 2 BMT-G II diese Geltendmachung für denselben Sachverhalt aus Gründen der Vereinfachung auch für später fällig werdende Leistungen ausreichen (BAG 10. Juli 2003 – 6 AZR 283/02 – EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 168).
Rz. 43
bb) Ob das anwaltliche Geltendmachungsschreiben vom 10. Oktober 2007 den Anforderungen entspricht, hat das Landesarbeitsgericht zu beurteilen. Hier zeigt der Bezug zum Urteil des Senats vom 29. August 2007 wohl ausreichend, auf welcher Grundlage Nachforderungen, die konkret benannt und beziffert sind, erhoben werden. Zu prüfen ist weiter, ob Folgemonate, die nicht explizit genannt sind, von der Geltendmachung erfasst werden.
Unterschriften
Bepler, Treber, Winter, Kralle-Engeln, Weßelkock
Fundstellen