Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer Zuwendung. Rückforderung einer Zuwendung bei Kündigung des Arbeitnehmers “zum 1. April”. Verrechnung mit der Bruttovergütung. Arbeitslohn. Gratifikation/Sondervergütung. Kündigung. Tarifrecht öffentlicher Dienst
Leitsatz (amtlich)
- Kann ein Arbeitsverhältnis ordentlich nur zum Schluß eines Kalendervierteljahres gekündigt werden, ist eine zum “1. April” ausgesprochene Kündigung in der Regel dahin auszulegen, daß sie das Arbeitsverhältnis zum 31. März beenden soll.
- Bei der Rückforderung einer Zuwendung im Wege des Einbehalts von Arbeitsvergütung sind die Pfändungsgrenzen zu beachten.
Orientierungssatz
- Ist nach dem einschlägigen Tarifvertrag oder dem Arbeitsvertrag eine ordentliche Kündigung nur zum Ende eines Kalendervierteljahres möglich, dann ist eine “fristgerechte” Kündigung “zum 1. April” grundsätzlich dahin auszulegen, daß sie das Arbeitsverhältnis bereits zum 31. März beenden soll.
- § 1 Abs. 5 iVm. Abs. 1 Nr. 3 TV Zuwendung begründet für den Fall einer Kündigung des Arbeitnehmers zum 31. März idR einen Anspruch des Arbeitgebers auf Zurückzahlung der Zuwendung, die der Arbeitnehmer für das vorhergehende Kalenderjahr erhalten hat. Die zurückzuzahlende Zuwendung kann der Arbeitgeber jedoch nicht als Vorschuß von der zu zahlenden monatlichen Bruttovergütung in Abzug bringen. Möglich ist lediglich eine Aufrechnung unter Beachtung der §§ 394 BGB, 850a ff. ZPO
Normenkette
Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (TV Zuwendung) § 1; BGB §§ 133, 157, 394, 611; TV Zuwendung § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5, § 4 Abs. 1; BGB § 387 ff.; ZPO § 850 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, vom Gehalt der Klägerin für den Monat März 2000 die im November 1999 gezahlte Zuwendung einzubehalten.
Die Klägerin wurde von der Beklagten mit Wirkung vom 27. Januar 1998 als Altenpflegerin eingestellt. Nach § 9 des Arbeitsvertrages beträgt die Kündigungsfrist sowohl für Angestellte als auch für Arbeiter nach einer Beschäftigungszeit von mehr als einem Jahr sechs Wochen zum Ende eines Kalendervierteljahres. Nach § 14 des Arbeitsvertrages gelten für die Arbeitsbedingungen im übrigen die Bestimmungen des Tarifvertrages zwischen der DSK Sozialdienste gGmbH in Rheinland-Pfalz und der ÖTV, Bezirksverwaltung Rheinland-Pfalz, in Kraft seit dem 1. Juli 1990. Nach § 2 dieses Tarifvertrages finden zur Regelung der Arbeitsbedingungen grundsätzlich die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Angestellte bei Bund und Ländern (BAT) und nach § 5 Ziff. 5 der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte (TV Zuwendung) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Die Beklagte zahlte der Klägerin mit der Abrechnung November 1999 eine als “WEIHNACHTSG .AUT” bezeichnete Zuwendung in Höhe von 4514,06 DM brutto. Am 17. Januar 2000 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis schriftlich mit folgendem Wortlaut:
“Betrifft: Kündigung
Hiermit möchte ich mein Arbeitsverhältnis aus persönlichen Gründen fristgerecht zum 01.04.2000 kündigen.”
Der 1. April 2000 war ein Samstag. Die Klägerin vereinbarte zum 1. April 2000 ein neues Arbeitsverhältnis mit dem J.… e.V.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 TV Zuwendung ist der Erhalt der Zuwendung davon abhängig, daß der Angestellte nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet. § 1 Abs. 5 TV Zuwendung bestimmt:
“Hat der Angestellte in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 oder des Absatzes 3 Satz 1 letzter Halbsatz die Zuwendung erhalten, so hat er sie in voller Höhe zurückzuzahlen, …”
Die Beklagte zog von den Bruttobezügen der Klägerin für März 2000 4514,06 DM ab und kehrte den aus dem verbleibenden Bruttobetrag von 1525,84 DM sich errechnenden Nettobetrag von 1267,01 DM an die Klägerin aus.
Diesen einbehaltenen Betrag hat die Klägerin mit ihrer am 7. August 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitsverhältnis sei auf Grund der Kündigung vom 17. Januar 2000 nicht zum 31. März, sondern erst zum 1. April 2000 beendet worden. Wenn die Kündigung zu diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei, so wirke die Kündigung zum 30. Juni 2000, nicht aber zum 31. März 2000. Es sei ihr, der Klägerin, aus wirtschaftlichen Gründen gerade darum gegangen, die bereits erhaltene Sonderzuwendung nicht zurückzahlen zu müssen. Eine Aufrechnung sei zudem unwirksam, weil die Beklagte den Pfändungsschutz nach §§ 394 BGB, 850a ff. ZPO nicht beachtet habe. Eine Aufrechnung gegenüber dem Bruttoanspruch sei nicht möglich.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 4514,06 brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, die Klägerin sei zum 31. März 2000 ausgeschieden, so daß die erhaltene Zuwendung zurückzuzahlen sei. Die Pfändungsschutzvorschriften nach §§ 394 BGB, 850a ff. ZPO seien nicht zu beachten gewesen. Sie, die Beklagte, habe nicht aufgerechnet. Durch Einbehalt der überzahlten Sonderzuwendung sei die Lohnforderung der Klägerin erloschen. Da erst am 1. April des Folgejahres feststehe, ob die Sonderzuwendung tatsächlich beim Arbeitnehmer verbleiben könne, müsse die schon geleistete Sonderzahlung wie ein Vorschuß behandelt werden. Nach § 1 Abs. 5 TV Zuwendung sei die Zuwendung zudem in voller Höhe und damit ohne Beschränkung zurückzuzahlen. Die Berufung der Klägerin auf den Pfändungsschutz sei auch treuwidrig. Der Pfändungsschutz würde dazu führen, der Klägerin eine Leistung zu erhalten, die ihr nicht zustünde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht haben die Vorinstanzen die Beklagte für verpflichtet gehalten, der Klägerin den einbehaltenen Teil der Vergütung für März 2000 zu zahlen.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt Frese, Petri
Fundstellen
Haufe-Index 872241 |
BAGE 2004, 1 |
BB 2003, 261 |
DB 2003, 156 |
NWB 2003, 422 |
EBE/BAG 2003, 14 |
ARST 2003, 76 |
FA 2003, 62 |
FA 2003, 79 |
FA 2003, 90 |
NZA 2003, 617 |
SAE 2003, 273 |
ZTR 2003, 144 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 5 |
EzA |
MDR 2003, 274 |
PERSONAL 2003, 56 |
PersR 2004, 1 |
ArbRB 2003, 37 |
GV/RP 2003, 678 |
PflR 2003, 117 |
BAGReport 2003, 162 |
FSt 2003, 449 |
FuBW 2003, 786 |
FuHe 2003, 647 |
FuNds 2004, 56 |
GK/Bay 2003, 226 |
SPA 2003, 7 |
Tarif aktuell 2003, 9 |