Entscheidungsstichwort (Thema)
(Kirchensteuer als Zuschlag zur pauschalierten Lohnsteuer)
Leitsatz (amtlich)
1. § 3 Abs. 1 KiStG NW ist dahin zu verstehen, daß keiner Kirche ein Besteuerungsrecht gegenüber Nichtmitgliedern zusteht. Dies gilt auch für die Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur pauschalierten Lohnsteuer.
2. Für das Jahr 1986 fehlt es in Nordrhein-Westfalen an einem wirksamen Kirchensteuerbeschluß, durch den der Steuersatz für die Erhebung rk Kirchensteuer als Zuschlag zur pauschalierten Lohnsteuer auf 7 v.H. festgesetzt wird. Deshalb ist auch insoweit der auf 9 v.H. festgesetzte Steuersatz maßgebend.
3. Ein Arbeitgeber kann nicht als Steuerschuldner für rk Kirchensteuer in Anspruch genommen werden, die als Zuschlag zu einer pauschalierten Lohnsteuer erhoben wird, die die Lohneinkünfte von Arbeitnehmern betrifft, die nachweislich nicht der Katholischen Kirche angehören.
4. Durch das System der Lohnsteuerpauschalierung wird die persönliche Kirchensteuerpflicht von Arbeitnehmern nicht erweitert.
5. Die Schätzung der rk Kirchensteuer in Höhe von 7 v.H. der pauschalierten Lohnsteuer aller Arbeitnehmer ist nicht durch § 162 AO 1977 gedeckt.
6. Dem Arbeitgeber ist die Möglichkeit einzuräumen, den Nachweis zu führen, daß bestimmte Arbeitnehmer nicht Mitglieder der Kirche sind. Das FG hat nach seiner freien Überzeugung darüber zu entscheiden, ob ein geführter Nachweis ausreicht.
Orientierungssatz
Die pauschalierte Lohnsteuer ist eine Steuer, die von Einkünften erhoben wird, die der Arbeitnehmer erzielt (Festhaltung an BFH-Urteil vom 30.11.1989 I R 14/87). Das eigentliche Steuersubjekt der pauschalierten Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer. Die Steuer hat nicht den Charakter einer Unternehmenssteuer. Steuerschuldner im materiell-rechtlichen Sinne bleibt der Arbeitnehmer.
Normenkette
KiStG NW § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5; EStG §§ 40, 40a, 40b; AO 1977 § 162; FGO § 96 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein bundesweit tätiges Unternehmen mit Sitz in Nordrhein-Westfalen. Sie reichte bei dem zuständigen Finanzamt (FA) für März 1986 eine Lohnsteueranmeldung u.a. für rk Kirchenlohnsteuer ein. Von der angemeldeten rk Kirchenlohnsteuer entfiel ca. 1/3 auf solche Arbeitnehmer, deren Lohnsteuer gemäß § 40a des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschaliert erhoben wurde.
Mit Schreiben vom 25. April 1986 legte die Klägerin beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Beklagter) Einspruch gegen die Erhebung rk Kirchenlohnsteuer von gemäß § 40a EStG pauschalierter Lohnsteuer ein. Sie machte u.a. geltend, von der rk Kirchenlohnsteuer entfalle ein Teilbetrag auf Teilzeitarbeitskräfte, die nachweislich keiner steuererhebungsberechtigten Religionsgemeinschaft (Kirche) angehörten. Auch im übrigen fehle es an der erforderlichen Rechtsgrundlage für die Erhebung einer rk Kirchenlohnsteuer von einer pauschaliert erhobenen Lohnsteuer.
Der Beklagte wies den Einspruch der Klägerin durch Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 1987 als unbegründet zurück. Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 398 veröffentlicht.
Mit ihrer vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das Urteil des FG Köln vom 9. September 1992 11 K 2420/87 aufzuheben, die Lohnsteueranmeldung für März 1986 zu ändern und die rk Kirchensteuer auf ... DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 3 Abs. 1 des Kirchensteuergesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen (KiStG NW) sind --vorbehaltlich des im Streitfall nicht einschlägigen § 15 Abs. 1 KiStG NW-- nur alle Angehörigen der Katholischen Kirche und der Evangelischen Kirche kirchensteuerpflichtig, wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt i.S. der §§ 8 und 9 der Abgabenordnung (AO 1977) im Land Nordrhein-Westfalen haben. § 3 Abs. 1 KiStG NW ist dahin zu verstehen, daß keiner der beiden Kirchen ein Besteuerungsrecht gegenüber Nichtmitgliedern zusteht (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juni 1994 I R 132/93, BFHE 175, 189; Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 14. Dezember 1965 1 BvR 606/60 u.a., BVerfGE 19, 268, vom 8. Februar 1977 1 BvR 329/71, BVerfGE 44, 37; v.Mangold/ Klein/v.Campenhausen, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl., Art. 140 Rdnr.201; Leibholz/Rinck/Hesselsberger, Grundgesetz, Kommentar, Art. 140 Rdnr.336). Aus der Pflicht zu weltanschaulich- religiöser Neutralität des Staates folgt, daß einer Religionsgesellschaft Hoheitsbefugnisse nur über Personen verliehen werden dürfen, die ihr mitgliedschaftlich angehören. In diesem Sinne ist auch Art. 140 des Grundgesetzes (GG) auszulegen. Der Grundsatz gilt für alle Arten der Kirchensteuererhebung. Er gilt deshalb auch für die Erhebung der Kirchensteuer von einer pauschalierten Lohnsteuer. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die als Maßstabsteuer heranzuziehende pauschalierte Lohnsteuer nach §§ 40, 40b EStG oder aber nach § 40a EStG ermittelt wurde.
2. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 KiStG NW ist es den Kirchen freigestellt, die ev und rk Kirchensteuer nach Maßgabe des Einkommens als Zuschlag zur Einkommen- bzw. Lohnsteuer oder nach einem kircheneigenen Tarif zu erheben. In Nordrhein-Westfalen haben die Kirchen von ersterer Möglichkeit Gebrauch gemacht. Dies bedeutet, daß die rk Kirchensteuer nur im Verhältnis zu solchen Personen als Zuschlag zur Einkommen- oder Lohnsteuer erhoben werden darf, die Mitglied der Katholischen Kirche sind. In diesem Sinne ist die Kirchenmitgliedschaft Tatbestandsvoraussetzung für die in § 4 Abs. 1 Nr. 1 KiStG NW vorgesehene rk Kirchensteuererhebung.
3. Nach § 2 Abs. 3 KiStG NW ist gesetzlich geregelt, in welcher Form der im Einzelfall maßgebende Kirchensteuersatz rechtswirksam festgesetzt wird. Danach hat die nach der Steuerordnung zuständige Körperschaft über die Höhe der zu erhebenden Kirchensteuer zu beschließen. Der Beschluß ist formelle (vgl. §§ 8, 9 der Verordnung zur Durchführung des KiStG NW) und materielle Voraussetzung (vgl. §§ 16 ff. KiStG NW) für eine rechtswirksame Kirchensteuersatzfestsetzung. Für den Streitfall bedarf es deshalb eines Kirchensteuerbeschlusses der zuständigen Diözese. Ein entsprechender Beschluß ist für das Streitjahr 1986 gefaßt und durch den Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27. November 1985 S 2442 - 1 - V C 1 (BStBl I 1985, 692) bekannt gegeben worden. Danach ist als rk Kirchensteuer ein Zuschlag von 9 v.H. zur Einkommen- bzw. Lohnsteuer zu erheben. Diese Regelung ist auch für die Erhebung der rk Kirchensteuer von einer pauschalierten Lohnsteuer einschlägig.
4. Entgegen der Auffassung des Beklagten und des FG fehlt es für das Streitjahr an einem Kirchensteuerbeschluß, durch den ein besonderer Kirchensteuersatz in Höhe von 7 v.H. für die Erhebung rk Kirchensteuer als Zuschlag zur pauschalierten Lohnsteuer rechtswirksam festgelegt worden wäre. Der Erlaß des Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. Februar 1975 S 2447 - 11 - V B 4 (Der Betrieb --DB-- 1975, 330) kann insoweit nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, weil ihm kein Rechtsetzungsakt der kirchlichen Legislative zugrunde liegt. Nach § 2 Abs. 3 KiStG NW beschließt die nach der Steuerordnung zuständige Körperschaft über die Höhe der zu erhebenden rk Kirchensteuer. Dazu ist nach den Darlegungen des Beklagten davon auszugehen, daß für das Streitjahr 1986 die nach der Steuerordnung zuständige Diözese keinen Kirchensteuerbeschluß über die Erhebung einer besonderen rk Kirchensteuer von der pauschalierten Lohnsteuer gefaßt hat. Allerdings umfaßt der in BStBl I 1985, 692 veröffentlichte Kirchensteuerbeschluß auch die Erhebung des (normalen) Zuschlags zu der nach §§ 40, 40a und 40b EStG pauschalierten Lohnsteuer. An diese satzungsähnliche Regelung sind sowohl die Klägerin als auch der Beklagte als auch die die rk Kirchensteuer verwaltenden FÄ als auch das FG gebunden. Soweit deshalb rk Kirchensteuerpflicht der Arbeitnehmer der Klägerin besteht, ist von einem Kirchenlohnsteuersatz von 9 v.H. der pauschalierten Lohnsteuer auszugehen. Für jeden anderen Kirchenlohnsteuersatz fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage.
5. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Rheinland-Pfalz in dessen Urteil vom 25. Mai 1994 6 A 11217/93, das Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. Danach soll das Fehlen einer Rechtsgrundlage für einen besonderen rk Kirchensteuersatz in Höhe von 7 v.H. die Erhebung jeglicher rk Kirchensteuer von einer pauschalierten Lohnsteuer ausschließen. Eine solche Auffassung verletzt Art. 140 GG. Danach ist den Kirchen ein eigenes Steuererhebungsrecht verfassungsrechtlich garantiert. Sie haben das Recht, Kirchensteuer auf Grund staatlicher Veranlagungsmerkmale zu erheben. Dieses Recht bezieht sich auch auf die Erhebung von rk Kirchensteuer auf eine pauschalierte Lohnsteuer und darf nicht beschnitten werden. Der erkennende Senat hält sowohl den schlagwortartigen Hinweis des OVG auf eine "entpersonalisierte Lohnsteuerpauschalierung gemäß § 40a EStG" als auch den auf eine "nicht-gerechtfertigte Bereicherung der Kirchen" für sachlich unzutreffend und nicht für durchgreifend. Insbesondere kann kein Unterschied gemacht werden, ob rk Kirchensteuer auf eine nach §§ 40, 40b EStG oder nach § 40a EStG pauschalierte Lohnsteuer erhoben wird.
6. Der erkennende Senat hält an seiner im Urteil vom 30. November 1989 I R 14/87 (BFHE 159, 82, BStBl II 1990, 993) vertretenen Rechtsauffassung fest, daß die pauschalierte Lohnsteuer eine Steuer ist, die von Einkünften erhoben wird, die der Arbeitnehmer erzielt. Die in § 40 Abs. 3 EStG geregelte Abwälzung der Steuer ist nur erhebungstechnischer Art. Der Arbeitnehmer ist das eigentliche Steuersubjekt der pauschalierten Lohnsteuer. Er verwirklicht den nach § 38 AO 1977 maßgebenden Besteuerungstatbestand, indem er steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Für die Erhebung rk Kirchensteuer ist es deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, daß der Arbeitnehmer, für den die Lohnsteuer pauschaliert erhoben wird, Mitglied der Katholischen Kirche ist. Das Schlagwort von der "Entpersonalisierung" der pauschalierten Lohnsteuer ist dagegen irreführend. Eine "Entpersonalisierung" findet jedenfalls nicht auf der Ebene des Steuersubjekts und des Besteuerungsgegenstandes, sondern nur auf der Ebene der Bemessungsgrundlage und des Steuersatzes statt. Bemessungsgrundlage ist der Arbeitslohn ohne Rücksicht auf irgendwelche Abzugsbeträge. Insoweit löst sich die Lohnsteuerpauschalierung im Interesse der beabsichtigten vereinfachten Steuererhebung von dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Dies gilt auch für den Steuersatz. Er kann im Einzelfall niedriger, aber auch höher als die Lohnsteuer sein, die vom Arbeitnehmer nach der Lohnsteuertabelle zu erheben wäre. Beides ist jedoch mit Rücksicht auf das dem Arbeitgeber eingeräumte Antragsrecht und den relativ niedrigen Pauschallohnsteuersatz im Interesse der tatsächlich eintretenden und auch wünschenswerten Vereinfachung hinzunehmen.
7. Zwar wird die Klägerin formell als Steuerschuldner in Anspruch genommen. Nach der Systematik der pauschalierten Lohnsteuer drückt dies jedoch nur die im Verhältnis zu den Arbeitnehmern freiwillige Übernahme von dessen Steuerschuld aus. Deshalb hat die pauschale Lohnsteuer nicht den Charakter einer Unternehmenssteuer (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 1994 VI R 47/93, BFHE 174, 363, BStBl II 1994, 715). Vielmehr bleibt der Arbeitnehmer Steuerschuldner in einem materiell-rechtlichen Sinne. Dies reicht aus, um die pauschalierte Lohnsteuer als Maßstab für die Erhebung rk Kirchensteuer von einem rk Arbeitnehmer heranzuziehen. Rechtsgrundlage ist insoweit § 5 KiStG NW i.V.m. § 40a EStG. Das Anknüpfen der rk Kirchensteuer an die pauschaliert erhobene Lohnsteuer bedeutet keine unzulässige Erweiterung des Kreises der Kirchensteuersubjekte. Die Bezeichnung der Klägerin als "Steuerschuldner" besagt nur, daß der einzelne Arbeitnehmer auf Grund der Schuldübernahme selbst nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Materiell-rechtlich "haftet" die Klägerin für eine vertraglich übernommene Steuerschuld, auch wenn der eigentliche Steuerschuldner auf Grund der Schuldübernahme nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Die Abwälzung der formellen Steuerschuldnerstellung auf die Klägerin erklärt sich auch für die rk Kirchensteuer aus der mit der Pauschalierung bezweckten vereinfachten Form der Steuererhebung. Sie liegt im Interesse des Arbeitgebers. Er wird nicht zur Pauschalierung gezwungen. Vielmehr bietet das Gesetz für den Arbeitgeber dadurch einen Anreiz, die Pauschalierung zu beantragen, daß es den pauschalierten Lohnsteuersatz für den Regelfall unter dem normalen Lohnsteuersatz ansetzt. Dies hat mit Subvention nichts zu tun (a.A.: Trzaskalik in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 40 Rdnr.A 20 ff.). Richtigerweise handelt es sich um eine Vereinfachungszwecknorm (vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd.I S.124). Auch im übrigen betrifft die von Trzaskalik (a.a.O., § 40 Rdnr.A 20 ff.) geübte Kritik nicht die Behandlung der pauschalierten Lohnsteuer als Maßstabsteuer für die Erhebung der rk Kirchensteuer, sondern allenfalls die Rechtsfolgen, die sich aus einer möglichen Verletzung der Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers für die Festsetzung der rk Kirchensteuer ergeben. Darauf wird später (vgl. II. 12 und 14) zurückzukommen sein.
8. Bei dieser Rechtslage darf die Klägerin nicht als formelle Steuerschuldnerin für solche rk Kirchensteuer in Anspruch genommen werden, die von einer pauschalierten Lohnsteuer berechnet wurde, die die Lohneinkünfte von Arbeitnehmern betrifft, die nachweislich nicht der Katholischen Kirche angehören. Soweit die Festsetzung rk Kirchensteuer mit diesem Grundsatz nicht übereinstimmt, besteht ein Verstoß gegen §§ 3 und 5 KiStG NW. Die Anwendung der Vorschriften über das Lohnabzugsverfahren gilt nur für die rk Kirchensteuer, die von der Lohnsteuer berechnet wird, die auf Löhne von Arbeitnehmern entfällt, die ihrerseits nach § 3 KiStG NW persönlich steuerpflichtig sind, d.h. der Katholischen Kirche angehören.
9. Dem steht das System der Steuerpauschalierung nicht entgegen. Das System ist als solches ungeeignet, um die in § 3 KiStG NW geregelte persönliche Steuerpflicht zu erweitern. § 3 KiStG NW ist logisch vorrangig vor § 5 KiStG NW anzuwenden. Die Vorschriften über die Erhebung von rk Kirchensteuer können sich nur auf den Personenkreis beziehen, der nach § 3 KiStG NW persönlich steuerpflichtig ist. Da die rk Kirchensteuer nicht nur gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KiStG NW der Bemessungsgrundlage nach, sondern auch gemäß § 5 KiStG NW der Erhebungsform nach an die Lohnsteuer anknüpft, zieht der Antrag auf Pauschalierung der Lohnsteuer grundsätzlich die entsprechende Pauschalierung der rk Kirchensteuer nach sich. Der Arbeitgeber kann den Antrag auf Pauschalierung nicht auf die Lohnsteuer beschränken. Er hat bezüglich der rk Kirchensteuer kein eigenständiges Antragsrecht. Es ist auch sachlich unzutreffend, von einer Entpersonalisierung der pauschalierten Lohnsteuer zu sprechen und daraus zu schließen, es komme auf die persönlichen Besteuerungsmerkmale des Arbeitnehmers nicht an. Eine Entpersonalisierung tritt nur im Bereich der Bemessungsgrundlage und des Steuersatzes, nicht aber im Bereich des Steuersubjektes und des Besteuerungstatbestandes (Steuerobjekt) ein. Das Kirchensteuerrecht muß deshalb der Entpersonalisierung der pauschalierten Lohnsteuer nur insoweit folgen, als diese reicht. Wird aber z.B. die Aushilfstätigkeit im Ausland von einem dort ansässigen Arbeitnehmer ausgeübt, so ist der inländische Arbeitgeber nicht schon deshalb zur Abführung einer pauschalierten Lohnsteuer verpflichtet, weil deren generalisierende Regelung sich von den persönlichen Besteuerungsmerkmalen des Arbeitnehmers lösen würde. Das Gegenteil ist der Fall. Auch in einem solchen Fall ist vorrangig auf die persönliche Steuerpflicht des Arbeitnehmers abzustellen, die in der Regel das Entstehen einer Steuerschuld im Inland ausschließt. Die verfassungsmäßigen Rechte des Arbeitgebers werden dadurch nicht tangiert. Er wird nicht gezwungen, die Nichtzugehörigkeit eines Arbeitnehmers zu einer Konfession nachzuweisen, um auf diese Weise seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Beklagten zu reduzieren. Das KiStG NW stellt ihm den Nachweis lediglich als Möglichkeit zur Verfügung.
10. Aus dem Ansatz eines rk Kirchensteuersatzes von nur 7 v.H. folgt nichts anderes. Für diesen Ansatz fehlt es an einer ausreichenden Rechtsgrundlage, d.h. an einem Rechtsetzungsakt der kirchlichen Legislative. Schon deshalb kann der Kirchensteuersatz von 7 v.H. nicht im Sinne einer "gesetzlichen" Schätzung der auf katholische Arbeitnehmer entfallenden rk Kirchensteuer verstanden werden. Damit kann unentschieden bleiben, ob das KiStG NW eine Rechtsgrundlage für eine solche Schätzung enthält und bejahendenfalls ob diese nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen würde.
11. Die damit dem Arbeitgeber grundsätzlich einzuräumende Möglichkeit, den Nachweis zu führen, daß ein bestimmter Arbeitnehmer nicht Mitglied der Katholischen Kirche ist, bedeutet keinen Verstoß gegen Art. 140 GG, weil das Kirchensteuererhebungsrecht sich auf die Personen beschränkt, die Mitglied (hier:) der Katholischen Kirche sind. Zwar ist die Regelung der Mitgliedschaft in der Katholischen Kirche Sache der Kirche (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 28/93, BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253). Nach dem Recht der Katholischen Kirche sind aber nur solche Personen Mitglied derselben, die zu ihr in einer konfessionellen und räumlichen Beziehung stehen. An der konfessionellen Beziehung fehlt es jedoch, wenn sich das Vorbringen der Klägerin als richtig erweisen sollte und die Arbeitnehmer nie der Katholischen Kirche angehörten. Entsprechend kann auch der Nachweis der Nichtmitgliedschaft das verfassungsrechtlich garantierte Kirchensteuererhebungsrecht des Beklagten nicht berühren.
12. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Festsetzung einer rk Kirchensteuer ausgehend von einem Steuersatz von 7 v.H. der pauschalierten Lohnsteuerschuld aller Arbeitnehmer nicht durch § 162 AO 1977 gedeckt. Abgesehen davon, daß die Schätzung nicht das Fehlen eines Aktes der Legislative ersetzen kann, ist sie nach § 162 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 AO 1977 nur dann gerechtfertigt, wenn entweder die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder berechnet werden können oder wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine Aufklärung zu geben vermag. Das FG hat bisher in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt (§ 118 Abs. 2 FGO), daß im Streitfall zumindest eine der beiden Voraussetzungen erfüllt wäre. Es hat deshalb auch nicht gemäß §§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO und 162 AO 1977 geschätzt, sondern die Auffassung vertreten, in tatsächlicher Hinsicht nicht aufklären zu müssen, welche Arbeitnehmer der Klägerin nicht der Katholischen Kirche angehörten. Diese Rechtsauffassung entspricht jedoch nicht dem KiStG NW. Es kann auch nicht der Auffassung des Beklagten gefolgt werden, daß allein öffentliche Urkunden als Mittel des Einzelnachweises zuzulassen seien. Für eine solche Rechtsauffassung fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Letztlich kommt es nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO allein auf die freie Überzeugungsbildung des FG an, die auf dem Gesamtergebnis des Verfahrens beruhen muß. Der Senat kann als Revisionsgericht dem FG nicht vorschreiben, wie es seine Überzeugung bildet. Er kann eine tatsächlich vorgenommene Überzeugungsbildung auch nur auf Denkfehler und Verstöße gegen Erfahrungssätze hin überprüfen. Es ist deshalb die Sache des FG, im Einzelfall zu entscheiden, ob mit Rücksicht auf dessen Besonderheiten die Vorlage öffentlicher Urkunden geboten erscheint. Kann der Sachverhalt trotz Ausschöpfung aller Beweismittel nicht hinreichend aufgeklärt werden, so kann das FG auch prüfen, ob mit Rücksicht auf den Charakter einer Vereinfachungszwecknorm nicht derjenige den Nachteil aus der Unaufklärbarkeit des Sachverhaltes tragen muß, der einerseits die Vereinfachung für sich beansprucht und andererseits dennoch den Nachweis nicht führt, der ohne den Antrag auf Pauschalierung der Lohnsteuer zu führen wäre.
13. Der Senat sieht keine Notwendigkeit, auf die in der mündlichen Verhandlung erörterte Frage einzugehen, inwieweit der Beklagte berechtigt ist, rk Kirchensteuer für solche Personen zu erheben, die im Land Nordrhein-Westfalen weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Es fehlt an diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO). Auf § 10 Abs. 2 und 3 KiStG NW wird hingewiesen.
14. Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. In tatsächlicher Hinsicht ist zu ermitteln, welche Arbeitnehmer der Klägerin im März 1986 nachweislich nicht Mitglied der Katholischen Kirche waren. Diese Feststellungen zu treffen ist die Aufgabe des FG. Es wird sich dazu seine freie Überzeugung auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens bilden müssen. Dort, wo der Nachweis wegen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht der Klägerin unmöglich werden sollte, kann das FG nach allgemeinen Grundsätzen prüfen, ob nicht eine vernünftige Wahrscheinlichkeit für die persönliche Steuerpflicht eines Arbeitnehmers spricht und deshalb die rk Kirchensteuer durch Schätzung festgesetzt werden darf. Um die fehlenden Feststellungen nachzuholen, war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65265 |
BFH/NV 1995, 37 |
BStBl II 1995, 507 |
BFHE 176, 382 |
BFHE 1995, 382 |
BB 1995, 707 |
BB 1995, 707-709 (LT) |
DB 1995, 805-808 (LT) |
DStR 1995, 528-529 (KT) |
DStZ 1995, 411 (KT) |
HFR 1995, 333-335 (LT) |
StE 1995, 239-240 (K) |