Leitsatz (amtlich)
Entstehen für ein Gebäude nachträgliche Herstellungskosten, so bemessen sich in den Fällen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG die weiteren AfA nach der Restnutzungsdauer des Gebäudes im ursprünglichen Zustand. Das führt zu einem höheren AfA-Satz. Soweit dem Abschn. 42a Abs. 1 Satz 1 EStR 1965 etwas anderes entnommen werden könnte, wird dem nicht zugestimmt.
Normenkette
EStG 1965 § 7 Abs. 4
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) betreibt eine Bergbahn. Sie hat im Veranlagungszeitraum 1965 eine ihrer Bergstationen mit einem Aufwand von 395 264 DM umgebaut und erweitert. Neue selbständig bewertbare und nutzungsfähige Gebäudeteile sind dadurch nicht entstanden. Das Gebäude ist in seiner Wesensart nicht geändert worden. Auch seine Nutzungsdauer, die noch 13 1/2 Jahre beträgt, wurde dadurch nicht verlängert. Die Steuerpflichtige rechnete bei der Gewinnermittlung für den Veranlagungszeitraum 1965 die nachträglichen Herstellungskosten zum Restbuchwert des Stationsgebäudes. Bei einer Restnutzungsdauer von 13 1/2 Jahren ergab sich dadurch - gegenüber der bisherigen AfA von 4,15 % - eine AfA von 7,4 % = 47 609 DM. Der Revisionskläger (FA) ging ebenfalls von der Summe der ursprünglichen und nachträglichen Herstellungskosten aus, wandte aber den bisherigen AfA-Satz von 4,15 % an, so daß die AfA für 1965 34 592 DM ergab. Den Unterschiedsbetrag von 47 609 DM und 34 592 DM = 13 017 DM schlug das FA dem Gewinn hinzu. Die dagegen erhobene Sprungklage hatte Erfolg.
Das FG hielt die AfA der Steuerpflichtigen für zutreffend und hob den Körperschaftsteuerbescheid 1965 auf. Der Gesetzgeber habe bei der Neufassung des § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG 1965 für die Bemessung der AfA betriebswirtschaftliche Überlegungen in den Hintergrund gestellt und auf dem Wege einer Typisierung nur eine gleichmäßige Verteilung des Anschaffungs- und Herstellungsaufwandes auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer ohne Rücksicht auf den wirklichen Wertverzehr zugelassen. Dasselbe treffe auch auf Gebäude mit einer geringeren Nutzungsdauer als 40 bzw. 50 Jahre wie im Streitfall zu. Daraus dürfe aber nicht zwingend abgeleitet werden, daß in Fällen des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nachträgliche Herstellungskosten nur in Höhe des bisher ermittelten AfA-Satzes abgeschrieben werden könnten und so die Abschreibungsdauer über die tatsächliche Nutzungszeit verlängert werde. Im Gegensatz zur gesetzlichen Festlegung des AfA-Satzes nach Satz 1 der Vorschrift werde nach Satz 2 der AfA-Betrag ermittelt, der innerhalb der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zur vollen Abschreibung der Herstellungskosten führe. Da die ursprüngliche Gesamtnutzungsdauer der Bergstationen mit 24 Jahren angesetzt worden sei, müßten später hinzukommende Herstellungskosten so behandelt werden, daß sie innerhalb dieser Frist, d. h. in der noch laufenden Restnutzungszeit von 13 1/2 Jahren, abgesetzt würden. Bei dem Vorgehen des FA nach Abschn. 42a Abs. 1 EStR 1965 ergebe sich bis zur vollen Absetzung eine Abschreibungsdauer von 24 Jahren. Dieses Vorgehen sei durch § 7 Abs. 4 EStG, der die volle Aufwandsverteilung innerhalb der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer vorsehe, nicht gedeckt.
Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben. Sinn und Zweck der Neufassung des § 7 Abs. 4 EStG bestünden in einer gesetzlichen Typisierung der AfA. Auch nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten seien entsprechend den für das Gebäude vorgeschriebenen AfA-Sätzen zu behandeln. Die sich daraus ergebende Verlängerung müsse als Folge der gesetzlichen Typisierung in Kauf genommen werden.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Das Gesetz lasse den ursprünglichen und den nachträglichen Herstellungsaufwand innerhalb der Gesamtnutzungsdauer ausdrücklich zum Abzug zu. Das gelte für die beiden in § 7 Abs. 4 EStG unterschiedenen Fälle in gleicher Weise. Nach Satz 2, a. a. O., seien die Absetzungen ausdrücklich "der tatsächlichen Nutzungsdauer" entsprechend vorzunehmen. Dadurch werde die behauptete Typisierung der Absetzungen mindestens für diesen Fall widerlegt.
Der dem Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2 FGO beigetretene BdF hat sich der vom FA vertretenen Meinung angeschlossen. Die Vorschrift des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG besage im Prinzip nichts anderes als § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG. Es sei nicht auf eine fiktive Nutzungsdauer, sondern auf feste Hundertsätze der AfA von jährlich 2 bzw. 2,5 v. H. abzustellen. Weder die tatsächliche noch die fiktive Nutzungsdauer spiele eine Rolle. Die Regelung durch § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG habe nach ihrer Entstehungsgeschichte nur die Bedeutung, bei kürzerer Nutzungsdauer des Gebäudes als 50 bzw. 40 Jahre einen der kürzeren Nutzungsdauer entsprechenden Hundertsatz an die Stelle des AfA-Satzes von 2 bzw. 2,5 v. H. nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG treten zu lassen. Im übrigen sollten jedoch die gleichen Grundsätze wie im Falle des Satzes 1 gelten. Dagegen spreche nicht die daraus entspringende Verlängerung des Abschreibungszeitraums über die ursprünglich angenommene Nutzungsdauer hinaus (hier um fünf Jahre, nach Auffassung der Steuerpflichtigen um knapp sechs Jahre). Die Frage habe nicht nur beim nachträglichen Herstellungsaufwand Auswirkungen, sondern auch bei Einlage und Entnahme eines Gebäudes und - mit umgekehrter Folge - bei Teilwertabschreibung und bei außergewöhnlicher AfA nach § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG. Auch die systematische Stellung des § 7 Abs. 4 EStG, dessen Sinn und Zweck Vereinheitlichung und Vereinfachung seien, spreche gegen die Entscheidung des FG. Es handele sich dabei nicht um eine unzulässige Typisierung, wie sich aus dem Urteil des BVerfG 1 BvR 320/57, 70/63 vom 20. Dezember 1966 (BVerfGE 21, 12 [27]) ergebe.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist unbegründet.
Durch § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG ist mit Wirkung ab 1965 die AfA für ein nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestelltes Gebäude auf jährlich 2 v. H. festgelegt worden. Nur wenn die tatsächliche Nutzung des Gebäudes, wie bei der Bergstation im Streitfall angenommen wurde, weniger als 50 Jahre beträgt, können anstelle der Absetzungen von 2 v. H. die der tatsächlichen Nutzungsdauer entsprechenden höheren Absetzungen vorgenommen werden. Für die AfA ist damit eine Regelung getroffen worden (vgl. hierzu Abschn. 42 Abs. 2 EStR 1965), die sich deutlich von der früheren Bemessung der AfA nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer unterscheidet (§ 7 Abs. 1 Satz 2 EStG 1961). Die AfA auf nachträgliche Herstellungskosten wurden früher dem Gebäudewert hinzugerechnet und der sich ergebende Gesamtbetrag auf die neu ermittelte Restnutzungsdauer des Gebäudes verteilt.
Wie nach der Neuregelung der Gebäude-AfA durch § 7 Abs. 4 EStG 1965 nachträgliche Gebäudeherstellungskosten zu behandeln sind, ist umstritten (vgl. hierzu Hermann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 24a zu § 7 EStG, E 514 3,4; Nissen, Der BB 1966, 1222; Längsfeld, DStZ A 1966, 141; Söffing, DStZ A 1969, 161). Das FA hat der AfA-Berechnung die vom BdF in seiner Stellungnahme gebilligte Methode nach der Verwaltungsanweisung des Abschn. 42a Abs. 1 EStR 1965 zugrunde gelegt. Danach sei die weitere lineare AfA unter Berücksichtigung des um die nachträglichen Herstellungskosten vermehrten nunmehrigen Gebäudewerts mit dem gleichen AfA-Satz - im Streitfall 4,15 v. H. - wie für das Gebäude in seinem ursprünglichen Zustand vorzunehmen. Nachträgliche Herstellungskosten verlängern nach dieser Methode die Nutzungsdauer des Gebäudes.
Der erkennende Senat ist mit dem FG der Auffassung, daß die um die nachträglich hinzugekommenen Herstellungskosten erhöhten Gesamtherstellungskosten des Gebäudes während der unveränderten ursprünglich angenommenen Nutzungsdauer, deshalb aber mit einem entsprechend höheren Satz - im Streitfall etwa 7,4 v. H. statt vorher 4,15 v. H. - abzuschreiben sind. Soweit der Verwaltungsanweisung des Abschn. 42a Abs. 1 Satz 1 EStR etwas anderes entnommen werden könnte, wäre sie nicht durch das Gesetz gedeckt. Die im Streitfall in Betracht kommende Regelung des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG 1965 für das nach dem 31. Dezember 1924 fertiggestellte Gebäude mit einer Lebensdauer von weniger als 50 Jahre erstreckt sich in gleicher Weise auf die ursprünglichen wie auf die nachträglichen Herstellungskosten. Die in der Stellungnahme des BdF vertretene Auffassung, § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG solle Nachteile für den Steuerpflichtigen vermeiden, die bei kürzerer Nutzungsdauer eines Gebäudes als 50 bzw. 40 Jahre durch das Festhalten an den Sätzen von 2 bzw. 2,5 v. H. eintreten würden, wenn andernfalls keine Vollabsetzung bis zur Nutzungsdauer erreichbar sei, spricht im vorliegenden Fall nicht gegen, sondern für die Absetzungsmethode der Steuerpflichtigen.
Richtig ist, daß je nach dem Zeitpunkt des nachträglichen Herstellungsaufwandes die unterschiedlichen Auffassungen über die vorzunehmende AfA beträchtlich voneinander abweichende steuerliche Folgen auslösen können. Gegen Ende der Nutzungsdauer des Gebäudes in seinem ursprünglichen Zustand vorgenommener nachträglicher Herstellungsaufwand führt nach der Methode des Abschn. 42a Abs. 1 EStR zu einer erheblichen Erstreckung der Nutzungsdauer. Umgekehrt kann die Bildung eines neuen AfA-Satzes ohne Verlängerung der Nutzungsdauer eine starke Gewinnminderung in kurzer Zeit bewirken.
Der BdF hat in seiner Stellungnahme erklärt, die von der Steuerpflichtigen vertretene Auffassung werde dem Sinn und Zweck des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht gerecht. Bei einem Gebäude mehrmals hintereinander aufgewendete nachträgliche Herstellungskosten würden dazu führen, daß die AfA-Sätze letztlich jedes Mal wieder individuell bestimmt werden müssen. Umgekehrt hat die Steuerpflichtige darauf hingewiesen, daß die Auffassung der Finanzverwaltung infolge der ständig steigenden Herstellungskosten dazu führe, die Nutzungsdauer immer weiter zu strecken, auch wenn damit eine Verlängerung der Nutzungsdauer des Gebäudes nicht verbunden sei.
Daß die hier zu entscheidende Frage im EStG nicht ausdrücklich angesprochen ist, berechtigt nicht dazu, das Gesetz in einem für die Steuerpflichtigen ungünstigen Sinn auszulegen. Die Finanzverwaltung kann sich nicht auf einen klaren Gesetzeswortlaut berufen. Auch Gesetzessystematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift zwingen nicht zu einer von dem Urteil des FG abweichenden Entscheidung. Diese läßt sich auch bei dem Schweigen des Gesetzes nicht mit dem Zweck und der wirtschaftlichen Bedeutung einer Vorschrift, wie sie dem BdF vorschwebt, begründen. Bedenken unterschiedlichen Grades sind gegen die in Abschn. 42a Abs. 1 EStR behandelte Streckung der AfA für nachträglichen Herstellungsaufwand von einem Teil der a. a. O. angeführten Autoren erhoben worden. Hermann-Heuer, a. a. O., die offenbar davon ausgehen, daß Abschn. 42a Abs. 1 EStR zwar der wörtlichen Auslegung des § 7 Abs. 4 EStG entspreche, aber dadurch zu einer unrichtigen Verteilung des Herstellungsaufwandes führe, bezweifeln, daß der Gesetzgeber diese Folge überhaupt erkannt und gewollt habe. Die aus einer derartigen Beurteilung sich möglicherweise ergebenden Folgerungen brauchen nicht näher geprüft zu werden. Der erkennende Senat sieht schon im Wortlaut des § 7 Abs. 4 EStG keine ausreichende Stütze für die Auffassung der Finanzverwaltung.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2, § 121 FGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
BStBl II 1971, 142 |
BFHE 1971, 524 |
NJW 1971, 1382 |