Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob ein Scheingeschäft vorliegt, wenn zur Umgehung der Bardepotpflicht, die für im Ausland aufgenommene Kredite galt, deutsche Firmen als Darlehensnehmer eingeschaltet werden.
2. Zur Frage der formgerechten Verbürgung für ein verdecktes (§ 117 Abs. 2 BGB) Darlehensgeschäft.
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.09.1978) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. September 1978 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsrechtszuges.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin, eine Finanzierungsgesellschaft mit Sitz in Z., macht gegen den Beklagten eine Bürgschaftsforderung geltend.
Der Beklagte war Kommanditist der Firma H. (im folgenden: BKG), einer sogenannten Abschreibungsgesellschaft, an der mehrere hundert Kommanditisten beteiligt waren. Ab Spätsommer 1971 errichtete die BKG in Bad K. ein Kurhotel mit einem Sanatorium und einer Klinik. Sie geriet Anfang 1972 in Finanzierungsschwierigkeiten und bemühte sich daher um die Beschaffung eines Darlehens in der Gesamthöhe von 9,7 Mio DM. Durch Rundschreiben vom 8. März und 30. März 1972 informierte die BKG die Kommanditisten über verschiedene Möglichkeiten und Wege der Kreditbeschaffung. Einer dieser Wege sollte in der Aufnahme eines Auslandskredits bestehen, für den jedoch Rückbürgschaften der Kommanditisten erforderlich seien. Ferner wurde den Kommanditisten mitgeteilt, daß es für die Einfuhr des ausländischen Kapitals nach Deutschland eines umständlichen Verfahrens bedürfe, damit der Kredit nicht der damals bestehenden Depotpflicht für Auslandskredite in Höhe von 40 % unterliege.
Die BKG trat in der Folgezeit mit der Klägerin in Verhandlungen über die Gewährung eines Darlehens in der Gesamthöhe von 9,7 Mio DM ein. 5,1 Mio DM sollten durch zweitrangige Grundschulden und durch Verpflichtungserklärungen von Kommanditisten zur Übernahme von Ausfallbürgschaften gesichert werden; 4,6 Mio DM waren als Vorfinanzierungskredit für gezeichnete und noch zu zeichnende KG-Anteile und Gesellschafterdarlehen gedacht. Am 30. Mai 1972 verpflichtete sich der Beklagte schriftlich gegenüber der BKG, eine Ausfallbürgschaft zur Sicherstellung der Fremdmittel der 2. Rangstelle in Höhe von 35. 000 DM zu übernehmen.
Da die Aufnahme von Auslandskrediten bis zu bestimmten Höchstgrenzen (Freibeträgen) der Depotpflicht nicht unterlag (bis zum 28. Juni 1972 2 Mio DM, ab 29. Juni 1972 500. 000 DM), vereinbarten die Klägerin und die BKG, Darlehensverträge über - jeweils innerhalb der Freigrenzen liegende - Teilbeträge mit vier deutschen Gesellschaften (im folgenden: Gläubigerfirmen) zu schließen. Die Geschäftsführer dieser Gesellschaften waren gleichzeitig die Initiatoren des Sanatoriums-Projekts sowie die alleinigen Gesellschafter der Komplementär-GmbH der BKG. Mit den Gläubigerfirmen schloß die Klägerin sodann Darlehensverträge über jeweils weniger als 2 Mio DM, verbunden mit der Absprache, diese an die BKG weiterzureichen, wobei die Gläubigerfirmen selbst gegenüber der Klägerin keine Haftung übernahmen. Mit - im wesentlichen gleichlautenden - Schreiben vom 15. Juni 1972 sagten die vier Gläubigerfirmen der BKG die Auszahlung von Darlehen in der Höhe zwischen 0,7 Mio DM und 1,5 Mio DM, insgesamt 5,1 Mio DM, mit einer fünfjährigen Laufzeit zu. In Ziffer 7 der Darlehensbedingungen war die Anwendung schweizerischen Rechts vereinbart. Diese Zusagen wurden von der BKG schriftlich angenommen.
Mit Wirkung vom 29. Juni 1972 wurden die Depotfreibeträge auf 500. 000 DM festgesetzt. Deshalb wurde ein neues Vertragswerk zwischen der Klägerin und den Gläubigerfirmen abgeschlossen.
Mit - im wesentlichen übereinstimmenden - Schreiben, die das Datum vom 26. Juni 1972 tragen, bestätigte die Klägerin den Gläubigerfirmen sowie weiteren sieben deutschen Firmen Darlehenszusagen vom 14. Juni 1972 über Einzelbeträge zwischen 239.900 und 599.750 Schweizer Franken. Die Gesellschaften erklärten sich schriftlich mit diesen Darlehensbestätigungen einverstanden. Gleichzeitig traten die Gläubigerfirmen für die ihnen gewährten Darlehen die für sie an zweiter Rangstelle auf dem Betriebsgrundstück der BKG lastenden Grundschulden in der Höhe von 0,7 Mio DM bis 1,5 Mio DM an die Klägerin ab. Die sieben Firmen räumten mit Verträgen, die auf den 23. Juni 1972 datiert sind, den vier Gläubigerfirmen der BKG Darlehen in der ihnen von der Klägerin selbst zugesagten Höhe ein. Die sieben weiteren Gesellschaften wurden jedoch erst im September 1972 gegründet, fünf von ihnen wurden niemals in das Handelsregister eingetragen.
Mit "Abtretungs- und Erlaßvertrag" vom 14. Dezember 1972 traten die Gläubigerfirmen sowie die ebenfalls eingeschaltete Firma Verwaltungsgesellschaft Ba. mbH jeweils ihre Darlehensrückzahlungsforderungen gegen die BKG samt Bürgschaftsforderungen an die Klägerin ab. Die Klägerin übernahm gleichzeitig mit Wirkung vom 1. Januar 1973 alle Rechte und Pflichten der Darlehen gewährenden Gesellschaften aus deren Darlehensverträgen mit der BKG; die BKG stimmte dem zu.
Die Klägerin überwies am 28. Juni 1972 im Einverständnis mit der BKG an die Bank für Gemeinwirtschaft Frankfurt auf ein Konto der Allgemeinen Hypothekenbank Frankfurt (AHB) Schweizer Franken in der Höhe eines Gegenwertes von insgesamt 9.480. 500 DM (4.980.500 + 4.500. 000 DM). Die AHB tilgte damit Verbindlichkeiten der BKG.
Nachdem die Darlehensbeträge auf dem Konto der AHB eingegangen waren, versandte die BKG einen weiteren Informationsbericht vom 12. Juli 1972 an die Kommanditisten, in dem die Klägerin namentlich als die das Darlehen gewährende Bank genannt wurde. Der Beklagte gab sodann am 21. Juli 1972 schriftlich eine Bürgschaftserklärung ab. In dieser werden die vier Gläubigerfirmen als Gläubigerinnen genannt. Zugleich erklärte sich der Beklagte in der Bürgschaftsurkunde damit einverstanden, daß die Gläubigerinnen seine Bürgschaftserklärung "weiter abtreten können".
Im Jahre 1974 stellte die BKG die Zahlungen ein. Mit Schreiben vom 16. April 1974 kündigte die Klägerin ein von ihr der BKG gewährtes Darlehen und forderte die Rückzahlung.
Mit Schreiben vom 27. Februar 1975 focht der Beklagte seine Bürgschaftserklärung gegenüber den dort genannten Gläubigerfirmen wegen arglistiger Täuschung an.
In der Zwangsversteigerung der Betriebsgrundstücke der BKG fiel die Klägerin mit ihren Grundschulden aus.
Die Klägerin nimmt nunmehr den Beklagten aus der Bürgschaftserklärung vom 21. Juli 1972 in Anspruch.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hält die von dem Beklagten am 21. Juli 1972 zugunsten der vier Gläubigerfirmen abgegebene Bürgschaftserklärung für unwirksam, weil ihr keine gültige Hauptschuld zugrunde liege. Es führt dazu im wesentlichen aus: Die Darlehensvertrage der ausländischen Klägerin mit den eingeschalteten deutschen Firmen und auch die Kreditverträge zwischen diesen Firmen und der BKG seien zwar nicht genehmigungspflichtig gewesen; sie seien aber als Scheingeschäfte (§ 117 Abs. 1 BGB) nichtig. Dagegen sei das verdeckte Geschäft, nämlich der von der Klägerin mit der BKG geschlossene Darlehensvertrag, gültig. Für den Rückzahlungsanspruch der Klägerin aus diesem Kreditgeschäft habe sich jedoch der Beklagte nicht formgerecht verbürgt.
II.
Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision stand.
1.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Bürgschaft das Bestehen einer wirksamen Hauptschuld voraussetzt. Als solche werden in der Bürgschaftsurkunde Rückzahlungsansprüche der vier Gläubigerfirmen aus mehreren der BKG gewährten Darlehen angegeben. Die Gläubigerfirmen haben jeweils in Abtretungs- und Erlaßverträgen vom 14. Dezember 1972 ihre Ansprüche auf Rückzahlung der Darlehen an die Klägerin abgetreten. Nur wenn diese Forderungen bestanden hätten, wäre die für sie bestellte Bürgschaft des Beklagten auf die Klägerin mitübergegangen (§ 401 Abs. 1 BGB). Dagegen kann die Bürgschaftsforderung als akzessorisches Recht nicht selbständig abgetreten werden (BGB-RGRK 12. Aufl. § 765 Rdn. 7, § 399 Rdn. 52 und § 401 Rdn. 8; MünchKomm-Roth § 399 Rdn. 20 und § 401 Rdn. 6; Staudinger/Brändl BGB 10./11. Aufl. § 765 Rdn. 23 m.w.Nachw.).
Nach den rechtsbedenkenfreien Ausführungen des Berufungsgerichts konnte Jedoch die Klägerin im Wege der Zession weder die abgetretenen Hauptforderungen noch die für sie bestellte Bürgschaft erwerben, weil die Darlehensgeschäfte zwischen den vier Gläubigerfirmen und der BKG nur zum Schein abgeschlossen und damit nichtig waren (§ 117 Abs. 1 BGB).
Die BKG war nach dem unstreitigen Tatbestand des Berufungsurteils im Frühjahr 1972 wegen der Aufnahme des benötigten Kredits an die Klägerin herangetreten. Zur Einschaltung der Gläubigerfirmen kam es in der Folgezeit nur im Hinblick auf die sogen. Depotpflicht. Zur Abwehr übermäßiger und unerwünschter Kapitalzuflüsse aus dem Ausland wurde mit Wirkung ab 1. Januar 1972 die Möglichkeit geschaffen, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, daß Gebietsansässige einen bestimmten Prozentsatz der Verbindlichkeiten aus den von ihnen unmittelbar oder mittelbar bei Gebietsfremden aufgenommenen Krediten zinslos auf einem Konto bei der Deutschen Bundesbank in Deutscher Mark zu halten hatten - Depotpflicht - (vgl. den durch Gesetz vom 23. Dezember 1971 [BGBl I S. 2141] in das Außenwirtschaftsgesetz [AWG] vom 28. April 1961 [BGBl I S. 481] eingefügten § 6 a). Auslandsverbindlichkeiten Gebietsansässiger wurden mit Wirkung ab 1. März 1972 der Depotpflicht unterworfen (§ 69 a, b, c der Außenwirtschaftsverordnung [AWV] idF der 21. ÄnderungsVO vom 1. März 1972 [BGBl I S. 213]). Der nicht der Depotpflicht unterliegende Freibetrag betrug zunächst 2 Mio DM (§ 69 a Abs. 4 Satz 3 AWV); er wurde mit Wirkung ab 29. Juni 1972 auf 500. 000 DM herabgesetzt (§ 1 Nr. 2a der 22. ÄnderungsVO zur AWV vom 29. Juni 1972 [BGBl I S. 995]). Der Depotsatz belief sich zuerst auf 40 % (VO zur Festsetzung des Depotsatzes vom 1. März 1972 [BGBl I S. 2177]) und ab 1. Juli 1972 auf 50 % der depotpflichtigen Verbindlichkeiten (2. VO zur Festsetzung des Depotsatzes vom 29. Juni 1972 [BGBl I S. 992]).
2.
Die Einschaltung der vier Gläubigerfirmen diente nach dem vom Berufungsgericht als unstreitig angesehenen Parteivorbringen dazu, die von der BKG benötigte und bei der gebietsfremden (ausländischen) Klägerin aufzunehmende Kreditsumme so aufzuteilen, daß die einzelnen Darlehensbeträge noch innerhalb der Freigrenze lagen. Daraus allein folgt freilich, wie auch das Berufungsgericht erkannt hat, noch nicht, daß die zwischen der Klägerin und den Gläubigerfirmen einerseits und zwischen diesen und der BKG andererseits geschlossenen Darlehensverträge bloße Scheingeschäfte darstellten.
Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen ( BGHZ 36, 84, 88; 67, 334, 339; Senatsurteil LM § 117 BGB Nr. 5 m.w.Nachw.). Wird beim Vertragsschluß eine Person als Vertragspartner vorgeschoben (sogen. Strohmann), so sind die Voraussetzungen eines Scheingeschäfts in der Regel nicht erfüllt. Denn die erklärte Rechtsfolge ist von den Beteiligten normalerweise ernstlich gewollt, weil andernfalls der erstrebte wirtschaftliche Zweck nicht oder nicht in rechtsbeständiger Weise erreicht würde. Das gilt auch, wenn der Vertragspartner die Strohmanneigenschaft kannte; auch hier ist ausschlaggebend, ob die Parteien die Rechtsfolgen der Vereinbarung wirklich herbeiführen wollen ( BGHZ 21, 378, 382; BGH LM § 117 BGB Nr. 2 und Nr. 5 m.w.Nachw.).
Für das Vorliegen eines Scheingeschäfts ist die Partei beweispflichtig, die sich darauf beruft ( BGH WM 1977, 922 = JZ 1977, 341; BGH LM § 117 BGB Nr. 5; BGB-RGRK a.a.O. § 117 Rdn. 24). Ob ein Rechtsgeschäft ernstlich gemeint oder nur zum Schein abgeschlossen ist, ist überwiegend Tatfrage und als solche der Nachprüfung in der Revisionsinstanz entzogen ( BGH NJW 1959, 332, 333 m.w.Nachw.; BGH LM § 117 BGB Nr. 5).
3.
Das Berufungsgericht legt zunächst dar, daß die Darlehensverträge zwischen der Klägerin und den vier Gläubigerfirmen Scheingeschäfte bildeten. Es führt sodann aus, daß aus den gleichen Gründen die - nach schweizerischem Recht zu beurteilenden - Darlehensverträge zwischen den Gläubigerfirmen und der BKG, bei denen es sich "nur um das notwendige Korrelat" zu den vorgenannten Scheinverträgen handele, ebenfalls wegen ihres Scheincharakters nichtig seien.
a)
Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den zwischen der Klägerin und den Gläubigerfirmen geschlossenen Darlehensverträgen ergeben, daß es seinen Erwägungen zutreffend die (oben dargestellten) Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt hat, die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Scheingeschäft und zum Strohmanngeschäft entwickelt worden sind. Auch die Anwendung dieser Grundsätze auf den festgestellten Sachverhalt begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken.
Dabei kann mit dem Berufungsgericht dahingestellt bleiben, ob die von den Parteien gewählte Gestaltung des gesamten Vertragswerks überhaupt objektiv geeignet war, die BKG von einer Heranziehung zur Depotpflicht zu bewahren. Hieran bestehen schon im Blick auf den Wortlaut des § 6 a Abs. 1 Satz 1 AWG, der auch mittelbar bei Gebietsfremden aufgenommene Darlehen oder sonstige Kredite der Depotpflicht unterwarf, erhebliche Zweifel (vgl. auch Satz 2 der Vorschrift). Es kommt indes bei der Frage nach dem Scheincharakter der Verträge, wie das Berufungsgericht rechtsbedenkenfrei annimmt, maßgeblich darauf an, ob die Beteiligten aus ihrer Sicht davon ausgingen, daß ihr Vorgehen geeignet sei, eine Heranziehung zur Depothaltung zu vermeiden.
b)
Das Berufungsgericht ist in tatrichterlicher Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin und die - zugleich für die BKG handelnden - Gesellschafter der Gläubigerfinnen die Vornahme von Scheingeschäften, "eine papiermäßige Abwicklung" durch "Herstellung entsprechender Urkunden", zur Umgehung der Depotpflicht für ausreichend erachteten. Sie hätten deshalb, so führt es weiter aus, nicht den Abschluß ernstgemeinter Darlehensverträge beabsichtigt. Diese Deutung der Individualerklärungen der Beteiligten ist im Revisionsrechtszug nur in beschränktem Umfange nachprüfbar. Es ist nicht ersichtlich, daß das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze verstoßen oder wesentlichen Prozeßstoff außer acht gelassen hätte.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Darlehensverträge zwischen der Klägerin und den vier Gläubigerfirmen seien nur zum Schein geschlossen worden, wird bereits von der Feststellung getragen, daß die Gläubigerfirmen schon am 14. Juni 1972 jede Haftung aus den Darlehensgeschäften für sich ausgeschlossen hatten. Daraus hat das Berufungsgericht rechtsbedenkenfrei entnommen, daß den Gläubigerfirmen der rechtsgeschäftliche Verpflichtungswille gefehlt hat und sie im Einverständnis mit der Klägerin die mit der Darlehensaufnahme verbundene Pflicht zur Rückzahlung des Kredits nicht entstehen lassen wollten. Wenn die Revision diesen Ausschluß jeder Haftung dahin verstehen will, daß die Gläubigerfirmen sich durch die Abtretung ihrer Darlehensforderungen gegen die BKG an die Klägerin von ihrer "Haftung" dieser gegenüber "befreien" konnten, so wird dabei nicht genügend berücksichtigt, daß derartige Erklärungen erst im Rahmen der Abtretungs- und Erlaßverträge vom 14. Dezember 1972 abgegeben wurden. Die Revision vermag daher nicht auszuräumen, daß beim Abschluß der Verträge am 15. Juni 1972 die für einen Darlehensvertrag begriffswesentliche "Haftung" der Gläubigerfirmen gegenüber der Klägerin ausgeschlossen und nicht lediglich eine Freistellung von einer derartigen Haftung vereinbart wurde.
Das Berufungsgericht hat seine Würdigung, die Darlehensverträge der Klägerin mit den Gläubigerfirmen stellten Scheingeschäfte dar, auch auf den Umstand gestützt, daß die Klägerin die Darlehensvaluta nicht an die vier Firmen, sondern auf ein Treuhandkonto der AHB überwies, die damit Verbindlichkeiten der BKG beglich. Wie der Revision zuzugeben ist, kann allerdings der Darlehensgeber die Valuta im Einverständnis mit dem Darlehensnehmer unmittelbar an einen Dritten auszahlen (Senatsurteil LM § 117 BGB Nr. 5; BGB-RGRK a.a.O. § 607 Rdn. 7, 15, jeweils m.w.Nachw.). Es fehlt jedoch jeder Anhaltspunkt dafür, daß das Berufungsgericht das verkannt hätte. Vielmehr ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, daß das Berufungsgericht die hier vorgenommene Abwicklung lediglich als ein zusätzliches Beweisanzeichen für ein Scheingeschäft angesehen hat. Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
Demnach erweist sich bereits die Hauptbegründung als tragfähig, so daß es auf die Hilfserwägung des Berufungsgerichts, die Verträge vom 14. Juni 1972 seien durch neue, unter Einschaltung von weiteren sieben Firmen im September 1972 geschlossene, aber auf den 26. Juni 1972 zurückdatierte (Schein-)Verträge aufgehoben worden, nicht mehr ankommt.
4.
Dem Berufungsgericht ist darin beizutreten, daß auch die zwischen den vier Gläubigerfirmen und der BKG am 15. Juni 1972 geschlossenen Darlehensverträge als bloße Scheingeschäfte nichtig sind.
Ob auf diese Verträge schweizerisches Recht anzuwenden ist, wie das Berufungsgericht meint, oder deutsches Recht, kann dahingestellt bleiben (vgl. RGZ 167, 274, 280; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 38. Aufl. § 562 Anm. 1), da, wie den Erwägungen des Berufungsgerichts zu entnehmen ist, die beiden Rechtsordnungen in der Frage des Scheingeschäfts keine für den Streitfall entscheidungserheblichen Unterschiede aufweisen.
Das Berufungsgericht hat, ohne daß darin ein Rechtsfehler zutage tritt, die Darlehensverträge zwischen den Gläubigerfirmen und der BKG als notwendigen Bestandteil des rein "papiermäßigen" Vertragswerks angesehen, das die Beteiligten abschlossen, um eine Heranziehung der BKG zur Depothaltung abzuwenden. Die Gründe, aus denen der Scheincharakter der Verträge zwischen Klägerin und den Gläubigerfirmen folgt, ergeben zugleich, daß auch die Rechtsfolgen der Darlehensgeschäfte zwischen diesen Firmen und der BKG von den Beteiligten nicht ernsthaft gewollt waren. Das Berufungsgericht durfte bei seiner weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet liegenden Würdigung als Indiz für den Scheincharakter der Verträge vom 15. Juni 1972 ferner den Umstand berücksichtigen, daß die Beteiligten zur Umgehung der Depotpflicht auch im September 1972, nachdem die Depotfreibeträge herabgesetzt worden waren, durch rückdatierte und inhaltlich unrichtige Verträge mit sieben weiteren Firmen eine Stückelung des Darlehensbetrages in Einzelbeträge, die noch innerhalb der Freigrenze lagen, vortäuschten. Dieses spätere Verhalten der Beteiligten kann als Beweisanzeichen für ihren Willen bei der Abgabe der Erklärungen am 15. Juni 1972 gewertet werden, da es Rückschlüsse darauf gestattet (BGH LM § 117 BGB Nr. 5).
III.
1.
Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß sich der Beklagte für einen Darlehensrückzahlungsanspruch aus dem durch die Scheingeschäfte verdeckten Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der BKG nicht formgerecht verbürgt hat. Die Bürgschaftserklärung des Beklagten bedurfte nach § 766 Satz 1 BGB der Schriftform. Sie war hier nicht gemäß § 350 HGB formlos gültig, da der Beklagte nicht Kaufmann ist; seine Stellung als Kommanditist begründet als solche nicht die Kaufmannseigenschaft ( BGHZ 45, 282, 285; Baumbach/Duden HGB 23. Aufl. § 161 Anm. 2 B).
Nach dem Wortlaut der Urkunde vom 21. Juli 1972 hat der Beklagte gegenüber den vier Gläubigerfirmen die Ausfallbürgschaft bis zu 35. 000 DM für ihre Ansprüche aus den der BKG gewährten Darlehen übernommen. Die Bürgschaft ist daher nach der Fassung der Urkunde nicht für die Klägerin abgegeben worden; sie betrifft nicht den der Klägerin gegen die BKG zustehenden Anspruch auf Rückzahlung der Darlehen. Das Formerfordernis des § 766 BGB gilt für alle wesentlichen Teile der Bürgschaft. Deshalb müssen auch die Person des Gläubigers und die Schuld, für die gebürgt werden soll, aus der Bürgschaftsurkunde hervorgehen (RGZ 145, 229, 231 f; BGHZ 26, 142, 146; BGH NJW 1962, 1102). Unklarheiten können allerdings durch Auslegung beseitigt werden. Dabei dürfen auch Umstände, die außerhalb der Urkunde liegen, mitberücksichtigt werden. Für den durch Auslegung festgestellten Parteiwillen muß aber irgend ein Anhalt in der Urkunde zu finden sein. Die Schriftform ist nicht eingehalten, wenn sich dieser Wille nur auf Grund von Umständen außerhalb der Urkunde ermitteln läßt ( BGHZ 26, 142, 146 ).
Das Berufungsgericht, das diese Rechtsgrundsätze beachtet hat, legt die Erklärung des Beklagten dahin aus, daß er sich gegenüber den vier Gläubigerfirmen für deren Forderungen gegen die BKG verbürgt und nicht etwa eine Blankobürgschaftserklärung abgegeben hat. Diese Auslegung eines Individualvertrages läßt einen in der Revisionsinstanz beachtlichen Rechtsfehler nicht erkennen. In der Bürgschaftsurkunde wird zwar auf die Verpflichtungserklärung, die der Beklagte am 30. Mai 1972 gegenüber der BKG abgegeben hat, Bezug genommen. Aus dieser Erklärung ergibt sich indes ebensowenig wie aus den Rundschreiben vom 8. und 30. März 1972, daß die Klägerin der BKG ein Darlehen gewähren sollte. Die Klägerin war allerdings in dem Informationsbericht der BKG an ihre Kommanditisten vom 12. Juli 1972 namentlich als kreditgebende Bank bezeichnet. Auf diesen Bericht wird jedoch in der Bürgschaftsurkunde nicht verwiesen. Zudem hat das Berufungsgericht tatrichterlich (§ 561 Abs. 2 ZPO) festgestellt, daß der Beklagte über die für die Darlehensaufnahme gewählte rechtliche Konstruktion nicht genau unterrichtet war, daher den Scheincharakter der von der Klägerin einerseits und der BKG andererseits mit den Gläubigerfirmen geschlossenen Darlehensverträge nicht erkannte und deshalb bei der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde sich nicht zugunsten der Klägerin für deren Darlehensrückzahlungsansprüche gegen die BKG aus dem verdeckten Geschäft verbürgen wollte. Daher kann hier auch nicht, was an sich zulässig wäre (RGZ 76, 195, 200 f; BGH NJW 1962, 1102), mit Hilfe der in der Urkunde bezeichneten Hauptforderung auf die Klägerin als Gläubigerin der Bürgschaft geschlossen werden. Aus den gleichen Gründen läßt sich im Streitfall die Bürgschaft auch nicht (etwa im Hinblick auf die in der Bürgschaftsurkunde enthaltene Abtretungsklausel) dahin deuten, sie sei als Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) für die Klägerin abgegeben worden, was grundsätzlich möglich ist ( BGH WM 1966, 859, 861; BGB-RGRK a.a.O. § 765 Rdn. 7), oder es liege ein Garantievertrag zugunsten der Klägerin vor.
2.
Mit Recht hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß die Berufung des Beklagten auf den Formmangel nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstößt. Ein solcher Einwand ist gegenüber einer Bürgschaft nur unter ganz besonderen Umständen möglich ( BGHZ 26, 142, 151; BGH NJW 1962, 1102). Derartige Umstände sind hier nicht festgestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 3018780 |
NJW 1980, 1572 |
ZIP 1980, 265 |
IPRspr. 1980, 14 |